"Über dem Limit" - KTM kritisiert MotoGP-Topspeeds jenseits der 360 km/h

KTM-Motorsport-Chef Pit Beirer spricht über die technische Entwicklung in der MotoGP und die Gefahren der immer höheren Topspeeds

(Motorsport-Total.com) - Der Topspeed-Rekord der MotoGP wurde in diesem Jahr erneut gebrochen. Ducati-Pilot Jorge Martin erreichte beim Italien-Grand-Prix in Mugello 363,6 km/h. Damit war er 1,2 km/h schneller als der bisherige Rekord. Ein Ende der Rekorde ist nicht in Sicht, denn die Ingenieure tüfteln ununterbrochen an neuen Entwicklungen, mit denen die MotoGP-Bikes noch schneller werden. Für KTM-Motorsport-Chef Pit Beirer ist eine Grenze erreicht.

Titel-Bild zur News: Brad Binder

Brad Binder erreichte mit seiner KTM bereits 362,4 km/h Zoom

"Für mich ist es über dem Limit", macht Beirer seinen Standpunkt klar. "Jenseits von 360 km/h kommt man in unschöne Bereiche, weil die Fahrer einem großen Risiko ausgesetzt sind, die Bremsen am Limit sind und die Sturzräume für diese Geschwindigkeiten zu klein werden."

Auf den Geraden dominieren meist die Ducatis, aber auch KTM verfügt über ein schnelles MotoGP-Bike, denn vor einem Jahr erreichte Brad Binder mit seiner Werks-RC16 in Mugello einen Topspeed von 362,4 km/h.

Ist die Marke von 370 km/h ist nur noch eine Frage der Zeit?

"Es darf nicht noch weiter gehen", fordert Beirer. "Die Technologie in dieser Klasse wird sich aber weiterentwickeln und die Bikes werden noch schneller. Kurt (Trieb, Technikdirektor; Anm. d. Red.) wird uns einen noch stärkeren Motor bauen und die Fahrwerke werden noch besser. Zudem werden die Reifen noch besser und dann erreichen wir irgendwann 370 km/h."

Pit Beirer

Pit Beirer weiß, dass die Entwicklung in der MotoGP nie still steht Zoom

"Irgendwo ist eine Grenze erreicht. Man muss jetzt nachdenken, wie man im Reglement ein Limit schafft. Gleichzeitig müssen die Entwickler weiterhin erstklassige Technologien entwickeln können. Man kann nicht sagen, dass man nur noch alte Technologien verwenden darf, denn die MotoGP ist Prototypenbau und steht für technische Entwicklung auf allerhöchstem Niveau", deutet Beirer den schwierigen Kompromiss an.


Fotostrecke: Top 10: Die höchsten MotoGP-Topspeeds

In der Formel 1 wurden die Geschwindigkeiten zeitweise über schmalere Reifen und durch Reifen mit Rillen reduziert. "Das einfachste wäre, wenn wir schlechtere Reifen bekommen. Doch das will Michelin natürlich nicht, weil sie nicht mit schlechten Reifen in die Geschichte eingehen möchten sondern mit Rekorden", ist sich Beirer bewusst.

Welcher Weg eingeschlagen werden muss, um die Topspeeds zu begrenzen

"Die Dorna und die FIM sind gefragt, uns die Rahmenbedingungen schwieriger zu machen. Wir werden uns selbst nicht regulieren. Unser Job ist es, die Bikes weiterzuentwickeln und gegen die Konkurrenz zu bestehen. Deshalb muss es das neutrale Organ über uns machen", erklärt der KTM-Verantwortliche und fügt hinzu: "Wir hätten gern auf Ride-Height- und Aerodynamik-Entwicklung in diesem Ausmaß verzichtet."

Carmelo Ezpeleta

KTM lobt die Kommunikation mit Dorna-CEO Carmelo Ezpeleta Zoom

Die Dorna macht sich bereits Gedanken, wie die Geschwindigkeiten in der MotoGP nicht noch weiter steigen. "Mit der Dorna haben wir einen extrem professionellen Partner" lobt KTM-Motorsport-Chef Beirer. "Sie sind sehr zugänglich. Der oberste Chef in diesem Sport, der Carmelo (Ezpeleta), befindet sich zusammen mit seinem Sohn ständig im Fahrerlager. Die Türen sind immer offen."

Jack Miller

KTM hätte auf einige MotoGP-Innovationen gern verzichtet Zoom

"Wir können immer eine Whatsapp-Nachricht schicken und dann ist eigentlich immer ein Gespräch möglich. Wir fühlen uns wirklich wohl. Wir müssen uns aber über Ride-Height-Devices und Flügel nicht einig werden, denn es gibt einen Hersteller aus Italien, der ins andere Horn bläst, acht Bikes im Feld hat, im kommenden Jahr die MotoE ausrüstet und somit ein schwerwiegendes Argument hat", spielt Beirer die Rolle von Ducati an.

Mit der Zusammenarbeit zwischen Dorna und KTM ist Beirer aber mehr als zufrieden. "Man muss festhalten, dass wir einen Promoter haben, der uns durch die Coronavirus-Zeit gebracht hat, wo es keine Zuschauer gab und wo sehr viel Geld notwendig war, um den Sport weiterleben zu lassen. Sie haben die Teams sehr gut unterstützt. Wir können die Dorna also nur in den höchsten Tönen loben", so Beirer.