MotoGP-Paddock inside: Marc Marquez fährt in Katar gegen seinen Instinkt

Nach dem Trainingstag in Katar bahnt sich eine sehr große Ducati-Spitzengruppe an - Die anderen Marken haben Mühe - Die Einschätzung nach dem Freitagstraining

Liebe MotoGP-Fans,

Titel-Bild zur News: Marc Marquez

Auf dem Lusail-Circuit muss Marc Marquez gegen seine Instinkte kämpfen Zoom

das Flutlicht-Wochenende in Katar ist immer eine große Ausnahme, denn am Nachmittag wird noch bei Tageslicht gefahren, während die Rennen am Abend bei etwas kühleren Temperaturen stattfinden. Nur das Abendtraining gibt uns Aufschluss über Trends.

Als die Fahrer mit Rennabstimmung unterwegs waren, lagen die drei bisherigen Spitzenreiter eng beisammen. Die Zeiten von Alex Marquez, Francesco Bagnaia und Marc Marquez befanden sich innerhalb von einer Zehntelsekunde. Damit bahnt sich ein großer Dreikampf an.

Besonders glücklich war Bagnaia, der von seinem besten Freitag in diesem Jahr spricht: "Diese Strecke passt sehr gut zu meinem Fahrstil, was mir natürlich entgegenkommt. Mein Vertrauen war sehr hoch, ich konnte ans Limit gehen und es auch spüren."

Seit Austin machte er einen weiteren Schritt: "Ich habe viel Vertrauen, mit gezogener Bremse in die Kurve zu fahren, sie dann zu lösen und das Bike einlenken zu lassen. Das war in Argentinien noch ein großes Problem für mich, in Austin wurde es besser, war aber noch nicht perfekt."

Für Bagnaia hat das Wochenende also wie am Schnürchen begonnen, während Marc Marquez trotz ebenfalls sehr starker Rundenzeiten etwas zu kämpfen hat: "Auf dieser Strecke fahre ich gegen meinen Fahrstil, gegen mein instinktives Fahren."

"Ich versuche, meinen Stil an die Strecke anzupassen - und das mache ich auch. Aber es ist nicht dieses instinktive Fahren, das ich normalerweise bevorzuge." Damit meint Marc Marquez die vielen langgezogenen, mittelschnellen Rechtskurven der Lusail-Strecke.

Francesco Bagnaia

Francesco Bagnaia spricht von seinem besten Freitag in dieser Saison Zoom

"Dort habe ich die größten Schwierigkeiten", bestätigt der Spanier, "und genau diese Kurven gibt es hier sehr oft. Aber im Moment verliere ich dort nicht allzu viel. In Thailand oder Austin fahre ich instinktiv, und die Rundenzeiten kommen dabei ganz natürlich."

"Hier kommen sie zwar auch, weil der Rhythmus mit gebrauchten Reifen stimmt, aber ich muss ständig darüber nachdenken, wie ich fahre - und kann nicht einfach nach Instinkt fahren." Ob auf dieser Strecke das Performance-Pendel von Marc Marquez zu Bagnaia umschlägt?

Bei Alex Marquez war der erste Qualifying-Versuch nicht perfekt und beim zweiten wurden gelbe Flaggen geschwenkt. Das erklärt Platz fünf des WM-Führenden. Aber der Gresini-Fahrer rechnet ebenfalls mit einem "offenen Rennen" und hat auch das VR46-Duo auf dem Zettel.

Dem stimme ich zu, denn Franco Morbidelli hat sich nicht nur durch die Tagesbestzeit stark in Szene gesetzt. Auch Fabio Di Giannantonio - der Katar-Sieger von 2023 - mischte wieder vorne mit. Die Anwesenheit von Valentino Rossi sorgt im VR46-Lager für zusätzlichen Motivationsschub.

Martin ausgeklammert: Die anderen Aprilia-Fahrer enttäuschen

Gut möglich, dass wir im Sprint an der Spitze einen spannenden Fünfkampf unter den Ducati-Fahrern sehen. Werfen wir nun einen Blick auf die andere italienische Marke. Alle Augen waren am Freitag auf die Aprilia-Box und auf Jorge Martin gerichtet.

Ich finde, er hat das sehr gut gemacht. Auch seine besonnene Herangehensweise finde ich toll und absolut richtig. Was Martin nach seinem Comeback gesagt hat, könnt ihr hier ausführlich lesen. Wir müssen ihm einfach einige Rennwochenenden Zeit geben.

Die restlichen Aprilia-Fahrer blieben am Freitag dann doch hinter den Erwartungen. Ai Ogura wurde mit 1,2 Sekunden Rückstand 15. Raul Fernandez und Marco Bezzecchi landeten auf den Plätzen 18 und 19 unmittelbar vor Rückkehrer Martin.

Marco Bezzecchi

Marco Bezzecchi hat bisher keine Topzeiten gezeigt Zoom

Die Ergebnisse von Martins Kollegen sind dann doch ein herber Rückschlag. Was war da los? Bezzecchi berichtet: "Ich hatte zu kämpfen, weil wir hier große Probleme mit Instabilität haben, wodurch ich nicht hart bremsen kann."

"Das ist ein Problem, das uns eigentlich auf fast allen Strecken begleitet, aber auf diesem Kurs spüren wir es noch deutlicher. Ich muss versuchen, flüssiger zu fahren, aber das ist im Moment etwas kompliziert."

Aprilia steht momentan vor einem Rätsel, denn im Vorjahr lief es in Katar recht gut. Ogura hat eine simplere Erklärung: "Wenn man die Daten vergleicht, sind sie bei allen Fahrern unterschiedlich. Ich denke also, es liegt nicht am Motorrad, sondern an den Fahrern."

Starke Vibrationen bei KTM: Acosta trotzdem sehr zufrieden

Ein Fragezeichen ist für mich weiterhin KTM. Ja, Pedro Acosta hat wieder einen tollen Qualifying-Versuch hingelegt und sich als Siebter einen Q2-Platz gesichert. Auch Maverick Vinales ist mit der achtbesten Zeit stark gefahren. Respekt für den Tech3-Neuling!

Interessant war, dass KTM weiterhin bei den Fahrern mit unterschiedlichen Heckpartien arbeitet und auch unterschiedliche Auspuffanlagen testet und vergleicht. Es gibt aber auch Probleme. Bei Zeitlupenaufnahmen waren vor allem bei Acosta starke Vibrationen deutlich zu sehen.

"Im vergangenen Jahr hatte ich überhaupt kein Chattering, in diesem Jahr habe ich sehr viel", bestätigt der Spanier. "Aber so ist es nun einmal." Trotzdem äußert sich Acosta überraschend zufrieden, denn man hat beim Set-up wohl etwas zurückgebaut.

Pedro Acosta

Trotz Chattering ist Pedro Acosta mit seinem Trainingstag sehr zufrieden Zoom

"Es gab viele Tage, an denen ich keinen Spaß am Fahren hatte. Heute war einer dieser Tage, an denen ich es wirklich genießen konnte. Alles hat gepasst! Ich musste nicht darüber nachdenken, wie ich fahren soll. Ich bin einfach gefahren und alles kam ganz von selbst", so Acosta.

Die Rennpace bleibt bei KTM ein großes Fragezeichen. Laut Vinales und Enea Bastianini treten schon nach zwei Runden starke Vibrationen auf. Auch Brad Binder hatte einen schwierigen Freitag, der für ihn mit einem späten Sturz endete.

Quartararo mit der Yamaha im vierten Sektor Schnellster

Stürze haben wir auch von Jack Miller gesehen, nämlich deren zwei. In beiden Trainings versenkte der Pramac-Fahrer seine Yamaha ins Kiesbett. Für seine Mechaniker entfiel somit die Mittagspause und am Abend mussten sie auch noch Überstunden schieben.

Bemerkenswert war der sehr gute Qualifying-Versuch von Fabio Quartararo. Mit einer knappen halben Sekunde Rückstand fuhr er die Yamaha auf Platz sechs und war damit, noch knapp vor dem KTM-Duo Acosta/Vinales, der erste Ducati-Verfolger. Stark!

In dieser Runde ist Quartararo absolut ans Limit gegangen. Speziell im vierten Sektor hat er den hohen Kurvenspeed ideal mitgenommen und in diesem Abschnitt auch Bestzeit aufgestellt. "Ehrlich gesagt war die Rundenzeit besser, als ich erwartet hatte", räumt der Franzose ein.

Fabio Quartararo

Fabio Quartararo - hier bei einem Startversuch - gelang eine gute Zeit Zoom

Denn eigentlich hat er in dieser Runde mehr aus der M1 herausgeholt, als eigentlich möglich ist. "Wir müssen uns im dritten Sektor verbessern - besonders in den schnellen Kurven bei Richtungswechseln und beim Einlenken", sagt Quartararo über die Problembereiche.

"Über eine einzelne Runde ist es ziemlich in Ordnung, aber je mehr Runden wir fahren, desto mehr rutschen wir beim Kurveneingang, und das wird deutlich schlechter. Das Gefühl verschlechtert sich spürbar - aber wir werden sehen."

Teamkollege Alex Rins verpasste als Elfter hauchdünn den Q2-Einzug. Rins fährt in Katar mit einem Chassis, das Quartararo und Miller schon seit Argentinien verwenden. Dort wurde es nämlich etwas modifiziert. Auch Rins spürt, dass er mit diesem Chassis schneller wurde.

Honda bekommt bei wenig Grip alte Probleme

Blicken wir zum Abschluss auf Honda, wo es erwartungsgemäß auf dieser Strecke etwas schwieriger läuft. Trotzdem hat Johann Zarco zum Schluss eine tolle Runde aus dem Hut gezaubert, die ihm mit Rang zehn einen Q2-Platz eingebracht hat.

Joan Mir und Luca Marini landeten mit praktisch identischen Rundenzeiten auf den Plätzen zwölf und 13. Warum es für Honda in Katar etwas schwieriger läuft, erklärt Marini so: "Tatsache ist, dass der Grip hier im Vergleich zu Austin sehr niedrig ist."

Johann Zarco

Johann Zarco fuhr als einziger Honda-Fahrer in die Top 10 Zoom

"Jetzt beginnen wir, wieder einige Probleme mit dem Motorrad zu bekommen - so wie früher. In Austin war alles großartig, weil der Grip auf der Strecke ausgezeichnet war. Hier kehren wir ein Stück weit zur Realität zurück. Wir wissen, dass diese Strecke für uns nicht ideal ist."

Außerdem treten auch bei Honda die Vibrationen vom Hinterrad wieder stärker auf. Das bereitet Zarco Sorgen für die Rennen, denn mit gebrauchten Reifen nehmen die Vibrationen zu. Das wirkt sich dann auch auf das Renntempo aus.

Welche Marke schlussendlich im Rennen der erste Ducati-Verfolger sein wird, hat sich am Freitag für mich noch nicht klar herauskristallisiert. Aber so wie in der Ducati-Spitze bahnt sich auch ein großer Kampf bei den Verfolgern an.

Euer


Gerald Dirnbeck

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