• 26.11.2006 11:32

Need for Speed Carbon: Streetracer auf dem Prüfstand

Mit Need for Speed Carbon versprechen die Entwickler gefährliche und Adrenalin geladene Straßenrennen; unser Test klärt, was Carbon spielerisch zu bieten hat

(MST/Speedmaniacs.de) - Vom eher unterkühlten Nordwesten der Vereinigten Staaten führt euch die Story von NFS Carbon in den pazifischen Südwesten, in die Metropole Palmont City, irgendwo in Kalifornien. Dort wartet, wie schon in den Vorgängern, eine Story Marke "The Fast And The Furious" auf euch, um die Motivation hoch und die Ereignisse des Spieles zusammen zu halten. Im Wesentlichen geht es darum, dass ihr offensichtlich noch einige offene Rechnungen, und somit jede Menge Feinde in der Stadt habt.

Titel-Bild zur News: Need for Speed Carbon

Schauplatz von Need for Speed Carbon sind Palmont City und die Canyons

Vielmehr gibt es zur Hintergrundgeschichte auch gar nicht zu sagen, denn ehrlich gesagt plätschert diese mehr oder weniger so dahin, ohne wirklich zu fesseln. Zwar ist es schön zu sehen, dass EA Verbindungen zu den Vorgängern aufbaut, indem man beispielsweise auf Sergeant Crock, den Cop aus Most Wanted, zurückgreift und auch stilistisch, mit allerhand Flashbacks und ähnlichen Spielereien, Kinoflair aufbaut, doch nach dem inzwischen vierten Titel dieser Machart ist aus dem Thema einfach etwas die Luft raus.#w1#

Euer neuer Spielplatz

Need for Speed Carbon

Auch die Polizei ist im aktuellen Need for Speed wieder mit von der Partie Zoom

Die Stadt Palmont City erinnert rein optisch an amerikanische Metropolen, doch hat man sich bei Carbon nicht nur auf innerstädtische Gebiete beschränkt, sondern bietet mit den rund um die Stadt verteilten Canyons noch einen gänzlich neuen Renn- und Szenerietyp. Generell ist die Stadt in mehrere große Abschnitte unterteilt, welche zu Beginn teilweise noch nicht zugänglich sind und sich erst im Spielverlauf erschließen. Außerdem wird jedes Gebiet von einer Streetracer-Gang kontrolliert. Leider hat das Straßenlayout nur bedingt Ähnlichkeiten mit dem einer echten Stadt, sondern sieht mit seinen unzähligen lang gezogenen und verwinkelten Kurven eher aus wie aus vielen Rennstrecken zusammengeklebt.

Eure neuen Spielzeuge

In Sachen Fahrzeugauswahl gibt sich Carbon standesgemäß. Das Most Wanted-Portfolio wurde klein aber fein aufgestockt. Im Gegensatz zu den knapp 40 Vehikeln des Vorgängers verstecken sich in den Carbon-Menüs gute 50 fahrbare Untersätze. Darunter natürlich alles was in der Automobilbranche Rang und Namen hat: Mercedes, Porsche, BMW, Lamborghini, Lotus und und und. Zur besseren Übersicht wurden die Wagen in die drei Klassen Tuner, Muscle-Cars und Exoten eingeordnet. Da ist wirklich für jeden etwas dabei.

Nichts für Solisten

Need for Speed Carbon

Teamfeature hin oder her, wird auch weiter Mann gegen Mann gefahren Zoom

In Carbon gibt es keine egoistischen Einzelkämpfer mehr, sondern nur Crews. So geht ihr auch nicht mehr allein an den Start sondern bekommt stets einen Kameraden zur Seite gestellt. Den dürft ihr euch übrigens selbst aussuchen, wobei ihr aus drei unterschiedlichen Charakterklassen auswählen könnt. Blocker, Schlepper und Scouts haben alle ihre Stärken. Nutzen könnt ihr aber jeweils nur eine davon. Dadurch bleibt das Teamfeature insgesamt auch extrem simpel und ist mit der Tiefe teambasierter, taktischer Shooter beispielsweise nicht zu vergleichen. Im Wesentlichen ist alles was ihr tun müsst im passenden Augenblick einen einzigen Knopf zu drücken um die Spezialfähigkeit eures Partners abzurufen und das war's.

Natürlich muss die Team-Steuerung so einfach gehalten werden, weil sie sonst nebenbei nicht zu handhaben wäre, doch genau das ist der Knackpunkt. Dadurch ist die Tauglichkeit des Spiels für solche zusätzlichen Features schon extrem eingeschränkt. Ganz zu schweigen davon, dass neben Nitro, Speedbraker und den herkömmlichen, notwendigen Steuerungselementen kaum noch Tasten auf dem Controller frei sind. Nicht zuletzt deshalb verlagert sich auch ein großer Teil des Team-Aspektes ins Menü. Hier könnt ihr verschiedene Fahrer auswählen und sogar eigene Rennen mit eurer Crew veranstalten, was uns wiederum verdammt stark an den direkten Konkurrenten Juiced erinnert.

Canyons und Karambolagen

Einer der wesentlichen Kritikpunkte, die uns bei der PlayStation 2-Version von NFS Carbon aufgefallen sind war die allenfalls mittelmäßige künstliche Intelligenz. Unglücklicherweise hat es EA anscheinend nicht geschafft diesen Mangel zumindest bei der PC-Version auszumerzen, sodass Positionswechsel und Rennablauf weiterhin überwiegend von einem unerfreulichen Gummibandeffekt beherrscht werden. Sind die Gegner vor euch, ist es relativ schwierig sie ein- und erst recht zu überholen. Gelingt euch das, hängt euch die Meute scheinbar untrennbar am Heck.

Während allein das schon für ordentlichen Frust sorgen kann, geht es erst bei den Canyon-Rennen so richtig rigide zu. In den Duellen kennen die Bosse kein Pardon und rammen euch was das Zeug hält. Ist ja auch logisch, denn jeder Crash gibt Punkte, beeinflusst so die Wertung und schließlich ist das Rennen besonders schnell vorbei, wenn einer über die Klippen fliegen geht. Dementsprechend solltet auch ihr euch für die Boss-Rennen einen etwas raueren Ton angewöhnen. Dumm nur, dass ihr auf Grund des eben angesprochenen Gummiband-Effektes kaum dazu kommen werdet eure Gegner per Rammstoß abzuservieren.

Die Sache mit dem Fahrverhalten

Need for Speed Carbon

Das Fahrverhalten kann leider nicht mit der ansprechenden Grafik mithalten Zoom

Wie wir anhand der PS2-Fassung feststellen mussten hat EA das Fahrverhalten seines Vorzeige-Rennspiels in den letzten Jahren etwas vernachlässigt, sodass hier eine größere Baustelle entstanden war. Die hat man leider auch nicht bei der PC-Version ausgeräumt. Nach wie vor ist das Handling alles andere als realitätsnah. In den meisten Fällen stimmt das Verhältnis von Über- beziehungsweise Untersteuertendenz einfach nicht, sodass selbst starke Hecktriebler in manchen Kurven über die Vorderräder schieben. Mit einem Mazda RX-8 beispielsweise kann man nicht einmal Donuts ziehen.

Generell ist das Handling der Vehikel in Carbon schwer nachvollziehbar, was natürlich auch ein präzises Manövrieren ziemlich schwierig macht. Das liegt seinerseits unter anderem an der irgendwie sehr indirekten Steuerung. Man hat ständig das Gefühl, dass der Wagen mit einer erheblichen zeitlichen Verzögerung auf Lenkbefehle reagiert. Ein weiterer Aspekt, der diesem Eindruck Vorschub leistet, ist die mangelnde Rückmeldung von der Straße, denn Vibrationseffekte bekommt man in Carbon nur bei Zusammenstößen zu spüren.

Die neuesten Tuning-Trends

Das Zauberwort des neuen NFS heißt Autosculpt. Dabei handelt es sich um ein Feature welches das manuelle Anpassen der unterschiedlichen Tuning-Komponenten an jedes Fahrzeug erlaubt. Man kann so zum Beispiel die verschiedensten Stellen einer Stoßstange auswählen und per simplen Schieberegler verändern. Auf die Leistung wirken sich die verschiedenen Optik-Änderungen aber nach wie vor nicht aus. Ohnehin ist es schon seltsam, dass EA so ein Spiel für Autonarren entwickelt, aber nicht einmal irgendwo Leistungsdaten wie PS, NM und Ähnliche zu sehen sind. Ganz zu schweigen von einem unfangreichem und authentischen Setup-Menü.

Lichtblicke

Need for Speed Carbon

Tuning-Freunde kommen mit Autosculpt voll auf ihre Kosten Zoom

Kommen wir nun zum offensichtlichsten Vorteil der PC-Version von NFS Carbon. Die Differenz der grafischen Qualität zwischen PC und PS2 sind wie Tag und Nacht. Was auf der PS2 matschig und verwaschen aussieht, glänzt auf dem PC im Licht aktueller Effekte. Und davon hat Carbon eine Menge. Der auffälligste davon ist der im Dauerbetrieb agierende Unschärfe-Filter, welcher für Geschwindigkeit sorgen soll und dementsprechend die Umgebung stilvoll verschwimmen lässt. Wieder dabei sind die je nach Tempo länger werdende Lichtschimmer der Straßenbeleuchtung und komplettiert wird der Effekt-Overkill von wirklich ziemlich netten Lackspiegelungen.

Doch Effekte sind bei Leibe nicht alles, was die Engine auf dem Kasten hat. Auch bei den Polygonraten der Fahrzeuge und Umgebung macht sie eine sehr gute Figur. Zumal die Umgebung dank Flugzeugen, Staudämmen und im Wind wiegenden Bäumen keinesfalls statisch wirkt, sondern hübsch animiert ist. Gleiches gilt für die diversen zerstörbaren Objekte am Wegesrand. Eine Sache, die allerdings irgendwie schlechter aussieht als noch in Most Wanted ist seltsamerweise der Regeneffekt. Warum auch immer, aber die Straßen spiegeln einfach nicht mehr so stark, wie in der alten Art und Weise.

Auf der Suche nach Speed

Need for Speed Carbon

Auf leistungsstarken PCs und der Xbox 360 sieht die Spielgrafik richtig gut aus Zoom

Eigentlich macht die Grafik von Carbon also einen sehr guten Job, wenn da nicht ein kleines aber nicht unwichtiges Detail wäre. Punkt eins ist, dass man, um den Titel voll genießen zu können, schon einen richtig starken PC daheim benötigt. Mit einer aktuellen Mittelklasse-Grafikkarte seid ihr da schon untermotorisiert, immerhin gehen in der PC-Version bis zu acht Wagen gleichzeitig an den Start. Punkt zwei ist, dass auch NFS Carbon manchmal sehr wählerisch ist was seine Zusammenarbeit mit bestimmten Komponenten angeht.

Ist schon wirklich traurig, dass es EA immer noch nicht geschafft hat diesen Kompatibilitätsmangel auszumerzen und der Titel deshalb auch auf manchen Systemen trotzdem ruckelt ohne dass es dafür einen ersichtlichen Grund gibt. In diesem Fall läuft dann ausgerechnet das permanente Kameragezuckel, welches ursprünglich das Geschwindigkeitsgefühl puschte, nicht flüssig, sondern unterbricht den Spielfluss immer wieder empfindlich. Akuter Patchbedarf.

Haben wir schon besser gehört

Auch dem Sound von NFS Carbon merkt man an, dass er inzwischen nicht mehr ganz taufrisch ist. Offensichtlich hat man sich bei den meisten Soundfiles direkt aus dem Vorgänger bedient. Das gilt vor allem für den kompletten Polizeifunk, aber auch für den einen oder anderen Klang eines Motors und sonstiger Spezialeffekte. Nichtsdestotrotz wirkt die gesamte Synchronisation des Titels sehr professionell. Die Dialoge in den Zwischensequenzen und der Funkverkehr der Cops sorgen für reichlich Atmosphäre. Einzig und allein bei dem was eure Teammitglieder ab und an so von sich geben packt man sich irgendwann an den Kopf.

Fazit:

Auch wenn die PC-Version von NFS Carbon eindeutig besser ist als die PS2-Variante, bleibt das Spiel an sich doch mittelmäßig. Wie auf der PS2 gilt auch auf dem PC, die einzigen wertvollen Argumente für Carbon bleiben die größere Fahrzeugauswahl und das Tuning-Feature Autosculpt. Das Team-Feature hingegen findet zum überwiegenden Teil in den Menüs statt und macht darüber hinaus ein ohnehin schon ziemlich komplexes Spielprinzip nur noch unnötig komplexer.

Dafür fehlt es Carbon an vielen entscheidenden Grundlagen. Fahrverhalten und Künstliche Intelligenz sind hier die Übeltäter Nummer 1. Beide wurden seit Jahren zwar leicht modifiziert, sind heute aber einfach nicht mehr zeitgemäß. Hierbei handelt es sich im Übrigen auch nicht um eine Gewissensfrage. Dass einfache Handhabung und realistisches Fahrverhalten durchaus zu vereinen sind haben in letzter Zeit immer mehr Spiele eindrucksvoll gezeigt. Ein weiteres Ärgernis bilden viele kleine, zum Teil schon altbekannte Macken. Die Menü-Navigation ist teilweise unnötig umständlich und eine Cockpit-Perspektive oder einen dynamischen Tag-Nacht-Wechsel sucht man im Spiel vergeblich.

Die beiden einzigen echten Vorteile der PC- gegenüber der PS2-Fassung sind damit die opulente Grafik, einen richtig schnellen Rechner vorausgesetzt, und die Online-Mehrspieleroption, sodass auch die PC-Version in erster Linie etwas für treue NFS-Anhänger ist.