• 25.03.2014 18:38

  • von Dieter Rencken

Fahrer, Teams, Strecken: Die Puzzleteile fügen sich

So langsam geht es bei der Formel E in die heiße Phase: Alejandro Agag erklärt alles Wissenwerte um die neue Rennserie der FIA, die in wenigen Monaten startet

(Motorsport-Total.com) - Nur noch ein halbes Jahr ist es bis zum ersten Rennen der Formel E in Peking. Die neue Elektrorennserie der FIA ist auf dem besten Wege und hat bereits alle wichtigen Rahmenbedingungen geklärt: Teams stehen genauso fest wie die Städte, in denen gefahren werden soll. Formel-E-Boss Alejandro Agag erklärt im Gespräch mit 'Motorsport-Total.com' noch einmal den aktuellen Stand der Serie und erzählt, was sich seit unserem letzten Interview im September 2013 alles getan hat.

Titel-Bild zur News: Alejandro Agag

Alejandro Agag ist das Gesicht hinter der neuen Elektroserie Formel E Zoom

Frage: "Alejandro, was ist seit dem letzten Mal passiert, als wir uns in Frankfurt gesprochen haben?"
Alejandro Agag: "Es ist viel passiert. Wenn man mir vor sieben Monaten erzählt hätte, wo wir heute stehen, dann hätte ich das sofort unterschrieben. Wir haben großartige Fortschritte gemacht. Das Sichtbarste daran ist, dass wir den Kalender unter Dach und Fach gebracht haben. Alle Städte sind bestätigt und die Kurse sind weit vorangeschritten. Alles läuft nach Plan und wir sind bereit, in Peking loszulegen - in weniger als sechs Monaten!"

"Das zweite große Thema ist: Alle Teams haben sich eingeschrieben! Wir haben eine volle Startaufstellung mit großartigen Teams aus der ganzen Welt. Genau diese geografische Vielfalt wollten wir haben. Wir haben Andretti und Dragon aus den USA, wir haben Audi Abt aus Deutschland, wir haben e.dams aus Frankreich, wir haben mit Virgin und Drayson zwei britische Teams, wir haben Super Aguri aus Japan, wir haben Mahindra aus Indien, und wir haben Team China. Die ganze Welt wird großartig repräsentiert. Das ist das, was wir wollten."

"Die dritte große Entwicklung ist das Auto. Es wurde in den vergangenen Monaten sehr erfolgreich getestet. Als wir uns in Frankfurt getroffen haben, hatten wir eines - aber es war nur ein Hohlkörper, es hatte keinen Antrieb (lacht; Anm. d. Red.). Seit damals ist das Auto auf die Strecke gekommen und hat viele, viele Testkilometer abgespult. Jetzt fährt das Auto bereits mit der Rennbatterie. Im Moment sind die Rennautos in der Produktion. Ich habe alle Chassis bereits gesehen, die derzeit zusammengesetzt werden. Am 15. Mai werden sie pünktlich an alle Teams ausgeliefert werden. Es wird erst einmal ein Auto pro Team geben, 15 Tage später werden sie dann das zweite Auto erhalten. Der erste Test wird dann mit einem Wagen pro Team am 4. Juni in Donington abgehalten werden."

Stichtag 15. Mai

"Das ist eine weitere Entwicklung. Als wir uns in Frankfurt getroffen haben, hatten wir weder ein Logistikzentrum noch ein Technisches Hauptquartier. Jetzt bringen sie in Donington diese Gebäude zum Ende, sodass sie Mitte April fertig sein werden. Am 15. Mai werden wir alle Teams dort begrüßen können. Es ist fast wie ein Projekt-Management. Alles soll sich an den richtigen Tagen zusammenfügen. Bislang hatten wir keine Verzögerungen, was gute Nachrichten sind. Jetzt ist alles bereit für die ersten Testfahrten!"

Lucas di Grassi

Ab dem 15. Mai können sich die Teams mit dem Boliden vertraut machen Zoom

"Das wird das nächste große Thema sein: Das Testen, und dass sich die Teams mit dem Auto vertraut machen können. Wir werden die Autos ohne Batterie liefern. Die Batterien werden separat geliefert, weil wir wollen, dass sich die Teams als erstes mit dem Einbau der Batterie vertraut machen. Diese Übung können sie zwischen dem 15. Mai und dem 4. Juni ausführen, denn das ist das Schlüsselelement im Equipment der Formel E."

Frage: "Kann man die Formel E wie ein Franchise-Unternehmen sehen? Ihr gebt den Teams ein Franchise, das sie einsetzen können. In welcher Weise werdet ihr die Teams technisch unterstützen?"
Agag: "Wir haben einen spezifischen Technischen Support, der auf den elektrischen Antriebsstrang und die Batterien fokussiert ist. Teams werden sich in Sachen Setup und Chassis selbst unterstützen müssen. Sie werden alle Reparaturen an Ersatzteilen, Crashboxen und Chassis-Teilen vornehmen, aber wenn es um den elektrischen Antrieb geht, dann kommt unser Technischer Support ins Spiel - mit unseren Partnern Spark, Renault, McLaren und Williams, die uns dabei helfen werden. Wir werden bei jedem Rennen und jedem Test Personal von diesen Unternehmen vor Ort haben. Wir denken, dass der Support sich im Laufe der Zeit verringern wird, im ersten Jahr wird es allerdings noch ziemlich ausgeprägt sein, um sicherzustellen, dass jedes Team einen funktionierenden Antrieb und ein sichere Batterie besitzt."

Berlin als Zeichenbrett

Frage: "Um nochmal zurück auf den Kalender zu kommen: Haben alle Städte definitiv unterschrieben?"
Agag: "Alle Städte haben sich eingeschrieben, einzig London wollen wir ein wenig später bestätigen. In London werden wir am 27. Juni 2015 sein, bis dahin ist noch etwas Zeit. Das möchten wir in den kommenden Wochen oder Monaten noch bekanntgeben. Die restlichen Städte haben unterschrieben, und wir arbeiten derzeit an Phase vier unseres Projekt in den Städten: die detaillierten Umsetzungspläne und die Konstruktionspläne für die einzelnen Strecken."

Frage: "Wie lang wird die durchschnittliche Strecke sein?"
Agag: "Die durchschnittliche Länge einer Strecke wird 2,5 Kilometer betragen. Der längste Kurs wird Peking mit einer Länge von 3,4 Kilometern sein. Das ist zwar etwas länger, als wir zu Beginn wollten, doch es war die einzige Möglichkeit. Es ist ziemlich schwierig, die gewünschten Strecken an den gewünschten Orten zu finden. Die Straßen sind dort, wo sie sind - und nicht dort, wo wir sie haben wollen. Die Strecke in Peking finden einige zu quadratisch, was ich auch teile, aber der Ort ist es wert. Wenn man ein Rennen um das Vogelnest haben will, dann können wir dort so fahren. Trotzdem wird es auf jeden Fall ein aufregendes Rennen werden."

Formel E, Peking

Zu quadratisch: Wer ums Vogelnest fahren will, muss Kompromisse eingehen Zoom

"Andere Rennen, wie Putrajaya, sind kurviger - und in Berlin können wir jede Strecke designen, die wir wollen, weil wir auf einer ebenen Fläche im Flughafen Tempelhof fahren werden. Das ändert sich also von Strecke zu Strecke. Die durchschnittliche Länge wird also 2,5 Kilometer sein, der kürzeste Kurs ist Monaco mit 2,1 Kilometer."

Frage: "Das ist also quasi nur der halbe Monaco-Kurs?"
Agag: "Es ist ein wenig mehr als die Hälfte, weil die Strecke in Monaco rund 3,6 Kilometer lang ist, und wir 2,1 Kilometer fahren werden."

Frage: "Wird durch den Tunnel gefahren?"
Agag: "Nein. Durch den Tunnel fahren wir nicht."

Teams wählen, wen sie wollen

Frage: "Kannst du schon einige Details zu London verraten?"
Agag: "Nein, das wollen wir noch bedeckt halten. Für uns ist es ein wichtiges Rennen, aber viele Leute wollen in London fahren. Wir werden daher nicht bekanntgeben, wo wir fahren werden, bis alles klar ist. Wir haben zwei Optionen, aber bisher kann ich nur eines versichern: Wir werden in London fahren."

Frage: "Bei den Teams habt ihr ein Full House..."
Agag: "Es ist sogar übervoll. Wir haben zehn Teams und eine Warteliste."

Frage: "Wie darf man die Fahrerauswahl verstehen? Die Teams wählen ihre Fahrer aus einer vorgegebenen Liste, oder?"
Agag: "Die Teams wählen, wen sie möchten. Sie können frei entscheiden, ob sie jemand aus unserem Drivers' Club wählen oder nicht. Wir haben uns für die Einführung des Drivers' Club entschieden, weil es gut war, ein Zeichen und eine Orientierung zu geben, welche Fahrer bereit sind, in unserer Meisterschaft zu fahren. Die Fahrer in unserem Drivers' Club haben die Bereitschaft signalisiert, zu fahren. So ist es für die Teams einfacher, die Fahrer zu kontaktieren. Erstens geben wir ihnen die Kontaktdaten, und zweitens wissen sie, dass die Fahrer sich freuen, bei uns zu fahren. sie könnten aber auch einen Fahrer wählen, der nicht im Drivers' Club ist. Sie können irgendjemanden wählen. Aber wir wollen Top-Piloten in der Meisterschaft!"


Fotostrecke: Der Drivers' Club der Formel E

Frage: "Mit Jarno Trulli habt ihr beispielsweise auch einen Grand-Prix-Sieger auf der Liste. Hofft ihr, noch mehr Grand-Prix-Sieger anzusprechen?"
Agag: "Wir würden gerne die besten Fahrer haben, die wir kriegen können. Natürlich gehören Grand-Prix-Gewinner zu den besten Fahrern der Welt. Wir hätten gerne Grand-Prix-Sieger, wir hätten gerne IndyCar-Sieger, Indy500-Sieger, Le-Mans-Sieger - einfach die besten Fahrer, die wir bekommen können. Wir haben ein sehr beeindruckendes Aufgebot an Talenten in unserem Drivers' Club: junge Fahrer, aufstrebende Fahrer, erfahrene Fahrer, ehemalige Formel-1-Piloten, ehemalige IndyCar-Piloten. Wir denken, dass wir die richtige Mischung haben. Fahrer sind ein Schlüsselelement unserer Meisterschaft und der Show."

Interaktivität ist Trumpf

Frage: "Ihr plant ja auch ein umfangreiches und interaktives Programm im Rahmen. Wie sehen da die Entwicklungen aus?"
Agag: "Unsere Pläne sind weit fortgeschritten. Wir werden die Projekte einführen, die wir angekündigt haben. Unser Hauptfokus liegt auf dem Push-to-pass-System. Fans können für ihren Lieblingsfahrer abstimmen, damit dieser ein wenig Zusatzenergie bekommt. Wir haben auch einen Wettbewerb eingeführt, bei dem Leute ein Video vom Rennen hochladen können, wenn sie vor Ort sind. Die Aufnahmen können Überholmanöver oder was auch immer sein, und wer die meisten Aufrufe bekommt, bekommt Freikarten für das nächste Rennen."

"Wir ermutigen Leute dazu, Videos auf YouTube zu stellen." Alejandro Agag

"Natürlich arbeiten wir auch an einem interaktiven Videospiel, das schon weit fortgeschritten in seiner Entwicklung ist. Und wir werden eine bahnbrechende App mit vielen Daten haben, die Möglichkeiten für Zusatzstimmen für das Push-to-pass bietet. Die digitale Seite ist ziemlich weit fortgeschritten und für uns eine Priorität."

Frage: "Ihr ermutigt also Menschen, Videos auf YouTube hochzuladen, anstatt sie rechtlich zu behindern?"
Agag: "Ja, wir ermutigen Leute dazu, Videos auf YouTube zu stellen. Wir sind ziemlich sicher, dass dies nicht mit unseren Senderechten in Konflikt steht. Wir denken, dass es eine gute Sache ist, wenn mehr Leute sehen, was vor sich geht. Wir benutzen soziale Medien, um das Rennen zu promoten."

Frage: "Wie schaut es denn in Sachen Ausstrahlung derzeit überhaupt aus?"
Agag: "Wir haben bisher Fox bekanntgegeben, was die USA, Südamerika und weite Teile Asiens beinhaltet, auch in Japan und dem Vereinigten Königreich haben wir Rechte vergeben. Und jetzt sind wir mit Verhandlungen in Europa weit fortgeschritten. In Italien und den Niederlanden haben wir bereits etwas, und jetzt arbeiten wir an den Abschlüssen in den anderen europäischen Ländern und hauptsächlich in China. Hoffentlich können wir dort in den nächsten Wochen einen großen Deal verkünden."

Formel E in Deutschland frei empfangbar?

Frage: "Wie sieht es in Frankreich und Deutschland aus?"
Agag: "Wir verhandeln mit mehreren Parteien. Wir bevorzugen auf diesen Märkten frei empfangbare Sender, und wir werden sehen, ob das wie im Vereinigten Königreich möglich sein wird. Wenn wir in Frankreich, UK und Spanien frei empfangbar wären, dann hätten wir sehr gute Fußabdrücke in Europa hinterlassen."

"Wir bevorzugen auf diesen Märkten frei empfangbare Sender." Alejandro Agag über TV-Rechte in Europa

Frage: "Sind alle Verträge Free-TV oder läuft es in einigen Ländern nur im Bezahlfernsehen?"
Agag: "Einige sind im Bereich Pay-per-view. Fox Sport ist in den USA über Kabel in vielen Haushalten empfangbar, sie haben 90 Millionen Haushalte. Einige sind aber frei empfangbar, wie in England, Japan und vermutlich China. Wir präferieren frei empfangbar, wo immer wir können."

Frage: "Am 4. Juni soll der erste Test sein. Wie viele wird es insgesamt geben?"
Agag: "Viele. Wir werden vermutlich 18 Tage vor dem ersten Rennen haben."

Frage: "Nur in Donington?"
Agag: "Nein. Wir sind in Donington, in den Michelin-Anlagen in Clermont-Ferrand in Frankreich - und dann wieder in Donington. Außerdem haben wir zwei volle Rennsimulationen, wo wir das gesamte Wochenende simulieren. Wir simulieren den Freitag mit dem Auspacken, dem Aufstellen der Kameras und dem ganzen Zeug drumrum. Wir werden den kompletten Renntag mit Training, Qualifying und Rennen üben - inklusive Wagenwechsel mit den Fahrern. Das wird Ende Juli passieren, und eine Woche darauf nochmal. Wir werden also zwei komplette Wochenenden simuliert haben, bevor wir zum ersten echten Wochenende kommen."

Frage: "Wie viel des gesamten Projekts wird noch mit den normalen Emissionen zu tun haben?
Agag: "Einzig der Transport zu den einzelnen Rennen wird noch auf die traditionelle Emission zurückgreifen, alles andere kommt mit weniger aus. Wobei, eigentlich ist auch der Transport Low-Emission, weil DHL für uns ein spezielles Projekt durchführt, was die Emissionen minimiert. Wir fahren unsere Kits mit dem Zug oder dem Schiff anstatt mit dem Flugzeug, was Emissionen reduziert. Einzig die unersetzbarsten Teile, die nur einmal vorhanden sind - wie die Autos - müssen fliegen, aber wir versuchen diesen Anteil sehr gering zu halten. Im Grunde ist es ein CO2-neutrales Programm."