Warum sich alle für McLarens Bremstrommel interessieren
Was McLaren bei seiner Bremstrommel an der Hinterachse des MCL38 anders macht als die Konkurrenz und warum das gerade jetzt zu einem großen Thema wird
(Motorsport-Total.com) - Am Donnerstag vor dem Ungarn-Grand-Prix 2024 auf dem Hungaroring bei Budapest (alle Einheiten hier im Formel-1-Liveticker verfolgen!) werden besonders viele Aufnahmen vom McLaren MCL38 gemacht. Grund dafür ist die Bremstrommel an der Hinterachse des Fahrzeugs, denn dort verbirgt sich womöglich ein genialer Kniff.
© Franco Nugnes
Bremstrommel mit Loch am McLaren MCL34 in der Formel-1-Saison 2024 Zoom
Worum es genau geht? Um ein kleines Loch in der Bremstrommel und die Frage, was McLaren damit bezweckt. Laut auto motor und sport hat sich Formel-1-Rivale Red Bull deshalb bereits beim Automobil-Weltverband (FIA) erkundigt und um eine Klarstellung gebeten. Denn alles, was im WM-Titelkampf einen Unterschied machen könnte, ist natürlich von Interesse für die Teams.
Im Fall von McLaren lautet die Theorie: Durch das Loch in der Bremstrommel könnte Luft auf die Felge gelangen, was einen Kühleffekt haben könnte. Und das wiederum könnte sowohl im Qualifying als auch im Rennen von Vorteil sein, damit die Reifen nicht überhitzen.
Wie die Teams die Temperaturen regulieren
Ganz neu ist dieser Ansatz nicht: Formel-1-Teams streben traditionell danach, die Abwärme der Bremsen zu kontrollieren und Mittel und Wege zu finden, ein Überhitzen der Reifen zu verhindern. Priorität hat in der Entwicklung, die Reifen nach Möglichkeit immer im idealen Temperaturfenster zu halten.
Damit die Reifen eben nicht zu heiß werden, verwenden die meisten Formel-1-Teams eine doppelte Abdeckung an den Bremsen. Die erste Kohlefaser-Schicht der Bremstrommel deckt die Bremsscheibe und die Bremssättel ab. Von der Bremsscheibe führen spezielle Kanäle die heiße Luft nach hinten zu den Bremsschächten.
Die zweite Abdeckung aus Kohlefaser dient als "Puffer" zwischen Felge und erster Abdeckung. Denn zwischen den beiden Abdeckungen befindet sich ein Hohlraum, der mit Frischluft gefüllt werden kann, um die Reifen zu kühlen. Das angesprochene Loch in der Bremstrommel könnte nun dazu führen, dass diese kühle Luft auf die Felge strömt und diese abkühlt.
Das Problem ist aber: Die Regeln sehen eigentlich keine Löcher in den Bremstrommeln vor, sondern verlangen eine einheitliche Oberfläche. So ist es in Artikel 3.13.2 des Technischen Reglements der Formel 1 nachzulesen. Damit soll ein "entscheidender Aerodynamik- oder Hitzetransfer zwischen Bremstrommel und Achse" verhindert werden.
Warum das Loch kein Regelverstoß sein muss
Das Loch in der McLaren-Bremstrommel aber muss nicht zwingend einen Regelverstoß darstellen. Denn offenbar nutzt das Team dieses Loch, um an seine in der Bremstrommel verbauten Sensoren heranzukommen, die im Freien Training die Temperaturen von Bremstrommel und Felge messen.
© Giorgio Piola
Im Freien Training dürfen die Teams Messgitter an ihren Autos verwenden Zoom
Die Formel-1-Regeln gestatten den Einsatz solcher Sensoren im Training, selbst wenn diese Geräte eigentlich nicht dem Reglement entsprechen. Ein weiteres Beispiel hierfür sind die großen Sensorengitter, wie sie manche Teams für aerodynamische Messfahrten verwenden. Im Training ist das erlaubt, ab dem Qualifying nicht mehr.
Das hieße: Das Loch in der McLaren-Bremstrommel ist in Ordnung für das Freie Training. Ab dem Qualifying aber muss das Loch abgedeckt werden.
McLaren mit und ohne Loch in Österreich
Red Bull soll bei den jüngsten Rennen festgestellt haben, dass McLaren das Loch eben nicht abgedeckt hatte, und daraufhin eine Klarstellung beim Weltverband eingefordert haben. Die FIA wiederum soll McLaren dann auf dem kurzen Dienstweg darüber in Kenntnis gesetzt haben, dass das Fahrzeug nur mit abgedecktem Loch voll regelkonform sei.
© Franco Nugnes
Bremstrommel am McLaren MCL38 mit und ohne Loch in der Formel-1-Saison 2024 Zoom
Motorsport-Total.com liegen Fotos vor, die eindeutig zeigen: In Österreich ist McLaren mit unterschiedlichen Konfigurationen gefahren. Denn im Sprint am Samstag waren die Löcher nicht abgedeckt, für den Grand Prix am Sonntag aber schon. Ein Stück Klebeband dichtete die Bremstrommel ab. Die Formel-1-Regeln gestatten eine solche Änderung zwischen Sprint und Grand Prix.
Der Unterschied zwischen Spielberg und Silverstone
Was sich mit dem Klebeband verändert hat? Offenbar nicht viel. Denn Lando Norris gelang es im Grand Prix, Red-Bull-Fahrer Max Verstappen unter Druck zu setzen, ehe die beiden beim Kampf um den Sieg in Spielberg miteinander kollidierten.
In Silverstone war der vermeintliche McLaren-Vorteil ebenfalls nicht gut ersichtlich. Das lag jedoch am wechselhaften Wetter in England über das gesamte Wochenende hinweg. Und das bedeutete: Überhitzende Reifen waren in Silverstone kein großes Thema.
Beim Formel-1-Rennen auf dem Hungaroring aber wird es interessant: Treten die erwartet hohen Temperaturen ein, dürfte den Teams einiges daran gelegen sein, ihre Reifen zu kühlen. Und dann werden die neun anderen Rennställe sicher genau verfolgen, was McLaren mit seiner Bremstrommel anstellt.
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