Toto Wolff: Mercedes hat "total ins Klo gegriffen"
Mercedes-Motorsportchef Toto Wolff wundert sich über den großen Leistungsabfall nach dem Doppelsieg von Spa und kann sich den Rückschritt nicht erklären
(Motorsport-Total.com) - Toto Wolff bringt es auf den Punkt: "Da haben wir total ins Klo gegriffen", fasst der Mercedes-Motorsportchef das Rennen seiner Silberpfeile in Zandvoort gegenüber Sky zusammen. Für Mercedes ging am Sonntag in den Niederlanden nicht viel zusammen. Abgeschlagen hinter den anderen drei Topteams wurde man nur Siebter und Achter.
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Mercedes in Schieflage: In Zandvoort ging für die Silberpfeile nichts Zoom
Das ist insofern verwundernd, als dass beim letzten Rennen vor der Sommerpause noch ein Doppelsieg herausgesprungen war, bevor George Russell aus der Wertung genommen wurde. Zudem endete die Podeststrähne des Teams, das zuvor sechs Mal in Folge auf das Podium gefahren war. Doch in Zandvoort ging nichts.
"Das Auto war überhaupt nie an einem guten Platz", hadert der Teamchef. "Man kann nicht von einem Spa-Wochenende vor drei Wochen Erster und Zweiter werden und dann plötzlich Siebter und Achter."
Wolff nimmt dabei aber seine Fahrer in Schutz, die laut ihm nichts für den Leistungsabfall können: "Ich glaube, wir sind in eine falsche Richtung abgebogen mit dem, was wir dem Auto mechanisch und aerodynamisch gemacht haben", sagt er. Das möchte Mercedes jetzt in der Woche bis Monza analysieren.
Russell dachte, er sei auf Podestkurs
Dabei sah es zunächst aus Mercedes-Sicht gar nicht so schlecht aus. George Russell hatte sich auf Startplatz vier qualifiziert und kam am Start sogar noch an Oscar Piastri vorbei. "Nach den ersten paar Runden dachte ich noch, dass wir auf Podestkurs wären", meint Russell. "Ich wusste ja, dass Überholen schwierig sein würde."
"Aber wir hatten einfach keine Pace. Ich bin wie ein Stein gefallen, was mich vor allem gegenüber Ferrari ziemlich überrascht hat", so der Brite. "Wir hatten erwartet, dass wir komfortabel vor ihnen liegen würden." Aber dem war nicht so. "Wir haben eindeutig irgendetwas mit den Reifen falsch gemacht", mutmaßt er.
"Wir hatten sechs starke Rennen, und plötzlich sind wir fast eine Minute hinter dem Sieg. Man verliert seine gesamte Performance nicht über Nacht", sagt Russell. "Irgendetwas haben wir heute nicht richtig hinbekommen. Im Moment habe ich aber keine Antwort."
Zwei Stopps als Notlösung
Mercedes musste bei seinen Fahrern auf zwei Stopps umstellen - eine "Notlösung" laut Wolff. "Ich denke, wir hatten nicht viel Wahl. Unser Abbau war wirklich schlecht, und wir hätten uns an einen Reifen klammern können, der komplett einbricht, sodass wir Siebter und Achter werden. Oder wir versuchen zwei Stopps und schnappen vielleicht Perez oder Sainz, was uns am Ende nicht gelungen ist."
"Was immer wir getan hätten, es hätte nicht funktioniert, weil das Auto nicht gut war", so Wolff.
Doch das Rätsel lautet immer noch: Warum war es nicht gut? Lag es einfach am Set-up? "Ich weiß nicht, ob das so viel ausgemacht hat", meint der Österreicher. "Du machst nicht dein Auto so viel langsamer oder schneller mit Set-up. Ich glaube, es ist mehr fundamental, was wir an Teilen am Auto haben."
"Manchmal sind diese Autos eine Überraschungskiste", sagt er. "Wir hatten sechs Podestplätze in Folge, und das Auto sieht nicht aus wie das, das vor drei Wochen noch Erster und Zweiter war", so Wolff. "Und du kannst nicht so ein Ergebnis haben, ohne dass ein großer Faktor eine Rolle spielt."
Wolff will keine voreiligen Schlüsse ziehen
Nicht geholfen haben dürfte die geringe Trainingszeit mit dem neuen Paket am Freitag. Zudem hatte Mercedes den neuen Unterboden am Auto, den man in Spa noch zurückgebaut hatte.
Doch Wolff sagt: "Ich möchte nicht zu schnell Schlüsse ziehen. Wir schauen uns das in den kommenden Tagen an und finden in den Daten hoffentlich Hinweise. War es das Set-up? War es die Strecke? Was haben wir falsch gemacht? War es der Unterboden? War es alles zusammen? Hoffentlich können wir das bis Monza aussortieren und wieder konkurrenzfähig sein."
"Dieser Schwung an Performance zwischen P1 und P2 sowie P7 und P8 - irgendetwas stimmt da nicht. Das war keine einfache Set-up-Entscheidung in meinen Augen", meint er.
Der einzige, der bei Mercedes halbwegs zufrieden mit dem Rennen war, war Lewis Hamilton. Der siebenmalige Weltmeister hatte den Grand Prix nach einem schlechten Qualifying und einer Strafversetzung nur von Rang 14 aus in Angriff genommen, konnte sich aber ungefährdet bis auf Rang acht nach vorne fahren.
Nur Hamilton hatte "viel Spaß"
"Ich hatte heute viel Spaß", sagt er. Hamilton hatte im Gegensatz zu Russell schon mit einer geplanten Zweistoppstrategie begonnen und war zunächst auf dem Softreifen gestartet. "Wir hatten keine Probleme mit den Reifen", behauptet er.
"Ich habe versucht, den Reifen aufzubrauchen, aber ich war auch nicht sicher, ob wir nicht vielleicht auch auf einen Stopp gehen", sagt er. "Wäre ich auf einen Stopp gegangen und hätte den Reifen ein bisschen besser gemanagt, denn hätte ich es schaffen und vielleicht einen Platz besser sein können."
Für Mercedes hätte das aber keinen Unterschied gemacht, weil er diesen Platz dann gegen Russell geholt hätte, der am Ende fünf Sekunden vor Hamilton ins Ziel kam.
Hamiltons Problem war in Zandvoort einfach, dass sein Qualifying zu schlecht war. Er ist überzeugt, dass er sonst ein deutlich besseres Ergebnis hätte erreichen können: "Ich denke, dass ich heute die Pace hatte, um in die Top 5 zu fahren", behauptet er. "Wenn ich zum Beispiel auf Rang vier gestartet wäre, hätte ich mindestens Vierter werden können."
Ein Seitenhieb gegen Teamkollege Russell? Denn der war von Rang vier gestartet. Im Ziel war er von dieser Position aber meilenweit entfernt.
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