• 14.03.2012 12:51

Rosberg: "Das Schönste wäre, den Besten zu schlagen"

Nico Rosberg im Interview über die begrenzte Zeit, die die Piloten heute im Auto verbringen, Teamkollege Schumacher, Weltmeister Vettel und Olympia

(Motorsport-Total.com/SID) - Mercedes-Pilot Nico Rosberg hat sich für die Saison 2012 einiges vorgenommen. Mit dem neuen F1 W03 sieht sich der Deutsche so gut aufgestellt wie nie zuvor in seiner Formel-1-Karriere und plant, die Großen zu ärgern.

Titel-Bild zur News: Nico Rosberg

Nico Rosberg plant, in diesem Jahr aus dem Schatten der großen Teams zu treten

Im Interview spricht Rosberg über die begrenzte Zeit, die ein Formel-1-Pilot heutzutage im Auto verbringt, über seinen Teamkollegen Michael Schumacher, über den Wunsch, Weltmeister Sebastian Vettel zu schlagen und über zwei sportliche Großereignisse in diesem Jahr abseits der Rennstrecken.

Frage: "Nico, was ist für dich anstrengender: ein Triathlon oder ein Formel-1-Rennen?"
Nico Rosberg: "Das ist sehr ähnlich. Nicht alle Formel-1-Rennen, aber einige wenige sind sehr, sehr hart, zum Beispiel Singapur. Dort herrscht eine große Hitze und man hat wenig Zeit, sich zu erholen. Es kommt eine Kurve nach der anderen, und es gibt wenig Geraden."

Frage: "Wie bereitet man sich vor, damit man auch solche für den menschlichen Körper ungewöhnlichen Belastungen gut verkraftet?"
Rosberg: "Im Winter mit speziellem Fitnesstraining, auch für die besonders beanspruchten Muskeln an Hals und Rücken. Aber letztlich ist das richtige Autofahren das wichtigste."

Frage: "Das dürft ihr aber nicht zu oft. Es gibt eine Beschränkung für Testfahrten, sonst bleiben nur die Rennwochenenden. Wie sehr fiebert ein Fahrer den vergleichsweise wenigen Stunden im Auto entgegen?"
Rosberg: "Wir fahren sehr, sehr wenig mittlerweile. Da sind die Stunden im Auto natürlich umso schöner. Besonders freue ich mich jetzt auf das erste Rennen. Es ist eine sehr spannende Zeit, es ist schwierig, zu wissen, wo man genau steht. Die Hoffnung ist halt groß."

Frage: "Die Eindrücke der Testfahrten waren deutlich besser als ein Jahr zuvor ..."
Rosberg: "Auf jeden Fall. Da sieht man schon, dass es das Ziel unseres Teams in diesem Jahr ist, sich zu verbessern, stärker zu werden. Das sieht man an unserem neuen Auto. Alle Mechaniker sind begeistert, weil es einfacher ist, damit zu arbeiten. Alles hat seinen Platz im Auto, es ist kompakt, alles ist durchdacht. Da sieht man die Fortschritte in der Firma. Natürlich wird es dauern, bis sich das dann auch in der Rundenzeit zeigt. Wir sind in einem Entwicklungsprozess. Wir sind noch nicht die Besten, aber da wollen wir hin."

Das Warten auf den ersten Mercedes-Sieg

Frage: "Wenn es in diesem Jahr den ersten Sieg für den Mercedes-Silberpfeil geben würde ..."
Rosberg: "... wäre das nicht schlecht. Und wenn ich dann drinsitze, noch besser."

Frage: "Wenn diesen Sieg dein Teamkollege Michael Schumacher holen würde, würdest du dich ärgern, dass nicht du es warst, oder würdest du dich dennoch freuen, weil auch du dann ein siegfähiges Auto hättest?"
Rosberg: "Für das Team wäre es großartig, egal, welcher Fahrer den ersten Sieg holt. Aber auf der persönlichen Ebene würde ich mich natürlich eher über den ersten Sieg von mir freuen."

Frage: "Wie wichtig ist es für einen Formel-1-Fahrer, den Teamkollegen zu besiegen und vielleicht zu dominieren?"
Rosberg: "Wichtig. Das hat für mich einen großen Stellenwert. Deswegen hat es mich gefreut, dass ich in den letzten zwei Jahren meinen Teamkollegen schlagen konnte. Dennoch ist der andere große Stellenwert das absolute Resultat. Wahrscheinlich ist das wichtiger."

Frage: "Ist es für dich umso schöner, wenn der Teamkollege, den du schlägst, ein Michael Schumacher ist?"
Rosberg: "Das fragt mich inzwischen jeder. Immer wieder antworte ich, dass ich mir nicht sicher bin. Eher nicht. Ich weiß noch, wie happy ich war, wenn ich Mark Webber geschlagen habe oder Alex Wurz oder Kazuki Nakajima. Natürlich muss man mit dem Teamkollegen auch zusammenarbeiten, aber für mich geht es vor allem darum, ihn zu schlagen. Und es macht da keinen Riesenunterschied, dass es jetzt Michael Schumacher ist."

Rosberg will den Besten schlagen

Frage: "Wäre es für dich schöner, in diesem Jahr Sebastian Vettel zu schlagen?"
Rosberg: "Das ist jetzt aber sehr hypothetisch gefragt. Um hypothetisch zu bleiben: Natürlich wäre es das Schönste, den Besten zu schlagen. Da will man als Formel-1-Fahrer hin."

Frage: "Was fehlt dafür?"
Rosberg: "Es fehlt, dass wir als Team die Besten sind. Das schafft man nicht über Nacht. Andere Teams haben auch drei, vier, fünf Jahre gebraucht. In der Formel 1 ist das Level megahoch. Die paar Top-Teams, besonders das eine, sind sehr gut aufgestellt. Da müssen wir reinwachsen, und da sind wir jetzt dabei."

Frage: "Was bringst du als Fahrer und Persönlichkeit in den Prozess ein, das Auto schneller siegfähig zu machen?"
Rosberg: "Ich versuche, ein Teil der Motivation, ein Teil der Emotion im Team zu sein, es voranzutreiben, es anzuführen. Dazu kommen mein Speed und mein Beitrag an der Entwicklung - ganz einfach dadurch, dass ich meine Eindrücke vom Fahrverhalten des Silberpfeils schildere."

Nico Rosberg

Mit dem Mercedes F1 W03 sieht sich Rosberg für die Saison gut aufgestellt Zoom

Frage: "Ist es für dich wichtig, innerhalb des Teams deine Richtung vorgeben zu können, teamintern die Nummer eins zu sein?"
Rosberg: "Eigentlich sind unsere Meinungen darüber, was wir brauchen, sehr ähnlich. Über die größten Probleme, die uns daran hindern, schneller zu fahren, gibt es keine zwei Meinungen. Auch wenn unser Fahrstil ein bisschen anders ist. Da ergänzen wir uns gut."

Frage: "Heißt die begrenzte Zeit im Auto im Umkehrschluss, dass du über das Jahr gesehen relativ wenig zu tun hast?"
Rosberg: "Nein. Formel-1-Fahrer zu sein ist in der heutigen Zeit schon eine sehr fordernde Beschäftigung. Teambesuche, Simulator fahren, Testen, Rennen fahren, Reisen, PR und Marketing-Aufgaben für Mercedes und unsere Sponsoren, Fitnesstraining, Kommunikation mit dem Team - da ist schon genug zu tun. Langweilig wird mir sicher nicht."

Frage: "Werden die vielen Reisen für dich irgendwann auch zur Belastung?"
Rosberg: "Ich reise sehr gerne. Ich schätze mich glücklich, viel von der Welt sehen zu können. Aber natürlich kommt nach dem zehnten Hotel in ein paar Wochen mal der Punkt, an dem ich mich wieder auf zu Hause freue."

Frage: "Zu Hause, das ist dann Monaco. Was macht Nico Rosberg dort, wenn er mal Zeit hat?"
Rosberg: "Mit Freunden Backgammon spielen, mit meiner Familie Essen gehen, mal einen Ausflug mit meiner Freundin Vivian machen. Oder Fahrrad fahren, ich liebe es, Sport zu treiben."

Frage: "Wie sehr nervt dich die Frage, warum du bei mehr als 100 Rennen in der Formel 1 immer noch nicht gewonnen hast?"
Rosberg: "Eigentlich weniger, weil ich meine Situation sehe, voller Überzeugung dabei bin und weiß, dass es irgendwann zum ersten Sieg kommen wird. Ich kann ganz gut damit leben, wie es bis jetzt gelaufen ist. In den letzten Jahren habe ich mich bei Williams und Mercedes gut weiterentwickelt. Ich weiß, dass es dazu kommen wird, sobald wir als Team so weit sind."

"Ohne Geduld müssten 20 Fahrer im Jahr verrückt werden." Nico Rosberg

Frage: "Woher kommt so eine Geduld?"
Rosberg: "Es gibt 24 Formel-1-Fahrer im Feld. Dann müssten ja 20 im Jahr verrückt werden, wenn sie nicht die nötige Geduld hätten. Es ist einfach so in unserem Sport, dass man anders als im Tennis oder Fußball sehr von seinem Auto abhängig ist. Wenn das Auto nicht siegfähig ist, dann ist es sehr schwierig, zu gewinnen. Dann braucht man schon sehr viel Glück, damit das passiert."

Vorfreude auf das Sportjahr 2012

Frage: "Du sprichst Fußball an: In diesem Jahr ist die Europameisterschaft in Polen und der Ukraine. Was traust du der deutschen Mannschaft zu? Du kennst das Team, hast sogar schon mal einmal mit ihm trainiert ..."
Rosberg: "Wie die Mannschaft im Moment auftritt, ist der Titel absolut drin. Wir werden zukünftig ein paar tolle Jahre mit den Jungs haben. Ich verfolge das intensiv, und es macht mir viel Spaß, da zuzugucken."

Frage: "Es gibt 2012 noch ein zweites Großereignis: Olympia. Wärst du selbst gerne einmal bei Olympischen Spielen dabei? Welche Sportart würdest du dir aussuchen, wenn du das könntest?"
Rosberg: "Der 100-Meter-Lauf wäre cool. Realistischer aber ist Triathlon, da würde ich mich am ehesten sehen."

Frage: "Interessieren dich die Spiele? Wirst du sie auch verfolgen?"
Rosberg: "Auf jeden Fall, enorm. Vielleicht werde ich auch selbst mal in London zu Besuch sein. Das 100-Meter-Finale zu sehen, wäre schon klasse."