Ricciardo: "Die Ergebnisse sind entscheidend"
Vor seiner ersten vollen Formel-1-Saison spricht Daniel Ricciardo im Interview über seine Erwartungen und erklärt seinen Aufstieg in die Formel 1
(Motorsport-Total.com) - Nachdem Daniel Ricciardo 2011 bereits elf Rennen für HRT bestritten hat, war seine Verpflichtung bei Toro Rosso keine große Überraschung. Genau wie sein Teamkollege Jean-Eric Vergne gehört auch der sympathische Australier schon lange zum Nachwuchsprogramm von Red Bull. Bei Toro Rosso bewerben sich nun beide für die Nachfolge von Mark Webber. Ricciardo weiß, dass er in seiner ersten vollen Formel-1-Saison nicht mit Sympathie, sondern nur mit Leistung punkten kann.
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Daniel Ricciardo startet 2012 in seine erste volle Formel-1-Saison
Frage: "Welchen Eindruck macht das neue Auto auf dich?"
Daniel Ricciardo: "Es sieht auf jeden Fall sexy aus. Ich habe es vor ein paar Tagen zum ersten Mal gesehen, und das war schon ein emotionaler Augenblick. Zum ersten Mal sehe ich vor Saisonbeginn der Formel 1 ein Auto, auf dem mein Name steht. Wirklich toll. Über unsere Nase werden sicherlich viele Leute reden, aber die ist halt wegen der neuen Regeln so. Davon abgesehen verfügt es noch über einige andere Details, die ich bald auf der Strecke testen werde. Aber selbst wenn das Auto nicht so schnell sein sollte, wie wir uns das wünschen, dann sieht es wenigstens gut aus (lacht). Aber im Ernst, ein schnelles Auto ist immer besser als ein hübsches. Hoffentlich erfüllt unser Auto beide Anforderungen."
Frage: "Wie lange brauchst man, aus der Sicht eines Fahrers gesehen, um einen Eindruck vom Auto zu bekommen?"
Ricciardo: "Die wesentlichen Dinge, zum Beispiel den neuen Aufbau des Lenkrads, die Grundlagen, lernt man schon am ersten Tag des Tests. Aber um ein wirkliches Gefühl für das Handling des Autos zu bekommen, braucht man schon ein paar Tage mehr. Mit der Zeit erkennt man die unterschiedliche Charakteristik des Autos, ob es vielleicht mit dem Heck etwas mehr rutscht als ein Auto, dass du vorher gefahren bist, oder ob es untersteuert. Ich glaube, erst nach dem ersten Test hier in Spanien, nach zwei oder drei Tagen verstehen wir wirklich, was wir da unter dem Hintern haben."
Frage: "Wie läuft das Testprogramm nach der Vorstellung des Autos ab, was geschieht als Nächstes?"
Ricciardo: "Als Nächstes werde ich früh zu Bett gehen und versuchen gut zu schlafen, denn der erste Test des Jahres ist aufregend, dort muss man auf alles gefasst sein. Wenn alles optimal läuft, fährst du viele Runden und es wird ein langer, anstrengender Testtag. Aber da das Auto neu ist, lassen sich einige kleine Probleme manchmal nicht vermeiden. Dann musst du vor Geduld haben, weil du vielleicht nur wenige Runden fahren kannst und somit nur einige Dinge am Auto beurteilen kannst. Ich bin wie gesagt schon sehr aufregt, werde aber versuchen, lange zu schlafen. Wie lange es wird, werden wir dann sehen. Aber auch bin sicher, dass ich morgen vor dem Wecker aufwachen werden, und dann bin ich bereit ins Auto zu steigen und auf die Strecke zu gehen."
"Ich glaube, ich kann mich glücklich schätzen, dass ich schon die gesamte Bandbreite der Fahrzeuge im Starterfeld gefahren bin. Die Grundlagen des Autos, das Lenkrad, die Funktionen, das Bremsen und Beschleunigen ist überall gleich, aber der Abtrieb macht den Unterschied. Es geht letztlich darum, mehr Technologie, ein paar oder viel mehr Leute und mehr Erfahrung zu haben. Dann bist du in der Lage ein Auto mit mehr Abtrieb zu bauen, mit dem du später bremsen kannst, das eine bessere Traktion hat, besser über der Randsteine oder durch schnelle Kurven fährt, dass einfach in allem ein bisschen besser ist. Aber der Fahrstil ändert sich nicht grundlegend."
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Bei HRT sammelte Ricciardo erste Formel-1-Erfahrungen Zoom
Frage: "Im Vergleich zu Jean-Eric hat du einen Vorsprung von elf Rennen. Was hast du, was Jean-Eric nicht hat?"
Ricciardo: "Nach den elf Rennen hast du vor allem deine Nerven besser im Griff. Dein erstes Formel-1-Rennen ist ein großer Moment, da bist du vielleicht nervöser als gewöhnlich. Nachdem ich das schon alles durchgemacht habe, werde ich in Melbourne vielleicht etwas entspannter sein als er, wer weiß."
"Aber auch im Hinblick auf die Renndauer ist es eine Umstellung. In der Renault-World-Series, in der er und auch ich im vergangenen Jahr gefahren sind, dauern die Rennen vielleicht 45 oder 50 Minuten. In der Formel 1 sind es mindestens 1 1/2 Stunden. Diese Erfahrung habe ich ihm voraus. Bei den ersten beiden Rennen werde ich das als Entschuldigung gelten lassen, danach muss er sich etwas anderes einfallen lassen (lacht)."
Frage: "Zählst du bereits die Tage bis zu deinem ersten Heim-Grand-Prix in Melbourne?"
Ricciardo: "Ja, das mache ich. Ich sagte ja, dass er vielleicht nervös ist, weil es sein erstes Rennen ist, aber auch für mich ist das etwas Besonderes. Das erste Rennen ist in Australien, es ist der Saisonauftakt, und ein wenig fühlt es sich auch so an, als wäre es mein erstes Formel-1-Rennen überhaupt. Das fühlt sich in diesem Jahr alles so real an. Es werden sicherlich eine Menge Leute von Perth nach Melbourne zum Rennen kommen. Es werden viele Fans dort sein und Leute, die mich anfeuern. Über mangelnde Motivation kann ich mich also nicht beklagen."
Frage: "Wie verarbeitest du den Druck, der auf dir lastet?"
Ricciardo: "Um auf diesem Niveau anzukommen, muss man einem gewissen Druck standhalten. Allein durch die Arbeit mit Red Bull musst du ständig Leistung bringen, aber wir selbst setzen uns schon als Kinder unter Druck. Ich bin sicher, Jean-Eric wollte genau wie ich schon immer hierher kommen und Formel-1-Fahrer werden, also haben wir uns selbst immer zu Höchstleistungen angetrieben, um dieses Ziel zu erreichen. Jetzt ist der Formel 1 kommt natürlich mehr Druck von außen, denn die ganze Welt schaut dir zu. Aber für uns selbst geht es nur darum, das Auto zu fahren. Nur das ist wichtig."
"Natürlich machen wir uns selber immer noch genau so viel Druck wie vorher. Wie man damit umgeht? Du musst vor allem genießen, was du tut. Wenn du irgendwann an den Punkt kommst, wo du sagt 'Warum muss ich das schon wieder machen, das Leben ist so hart, bla bla bla' dann hast du schon verloren. Es ist aber gut, wenn man auch noch andere Interessen hat. Mein Leben ist die Formel 1, aber wenn ich Musik höre, kann ich ganz gut abschalten. Es gibt schon ein paar Techniken, um den Druck zu verarbeiten."
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Die beiden Toro-Rosso-Fahrer enthüllten heute den STR7 Zoom
Frage: "Macht es Spaß, an der Seite der Helden deiner Kindheit zu fahren?"
Ricciardo: "Ja, es ist schon ziemlich cool, gegen diese Jungs zu fahren, Alonso, Schumacher, Webber. Leute, die ich beobachte, seit ich ein Kind war und zu denen ich aufgesehen habe. Du musst dich schnell umstellen. Vor Kurzem hast du noch zu ihnen aufgesehen, jetzt sind sie deine Gegner und Rivalen. Manchmal wäre es zwar schön, wenn man einfach zu ihnen sagen könnte 'Hey Kollege, was geht ab?', aber stattdessen grüßt man sich nur und macht weiter mit der Arbeit. So läuft es."
Frage: "Was würdest du einem jungen Fahrer sagen, der zu dir aufschaut. Was muss man machen, um in die Formel 1 zu kommen?"
Ricciardo: "Vor allem braucht man Disziplin. Ich musste im Alter von 17 Jahren von Australien nach Europa ziehen und war hier auf mich alleine gestellt. Das war nicht einfach, und durch die ganzen Termine und die Tatsache, dass du alleine wohnst, kannst du leicht aus der Spur geraten. Du vergisst dein Training, wirst faul oder beginnst Fast Food zu essen, weil deine Mutter nicht da ist, die es dir verbietet. Es sind diese kleinen Dinge, in denen du diszipliniert sein musst."
"Abgesehen davon darfst du das Leben aber auch nicht zu ernst nehmen und solltest immer noch Spaß daran haben. Ich habe mit dem Rennfahren begonnen, weil ich jung war und Spaß daran hatte. Und es ist meiner Meinung nach wichtig, sich diesen Spaß zu erhalten. Es ist gut, dass wir einen Job haben und Karriere machen können, aber letztendlich tun wir das ja, weil wir Spaß daran haben. Es gibt natürlich ernste Momente, und der Druck steigt ständig, aber wenn du genießt, was du tust, dann setzt du deine ganze Leidenschaft und Entschlossenheit ein und kannst deine Ziele erreichen."
Frage: "Wie wichtig ist die körperliche Vorbereitung für einen Formel-1-Fahrer?"
Ricciardo: "Die ist sehr wichtig, was man von außen nicht immer erkennt. Die Leute sehen uns in der On-Board-Kamera und erkennen zwar, das manche Dinge sehr schnell geschehen, aber was sie nicht sehen oder spüren können sind die G-Kräfte, die an unserem Nacken und Rücken zerren. Es ist oft schwer, den Leuten klarzumachen, wie fit wir sein müssen. Sie sagen dann 'Ihr müsst ja nur das Lenkrad bewegen', was natürlich stimmt, aber man muss außergewöhnlich fit sein und auch auf sein Körpergewicht achten."
"Es ist entscheidend, kein Übergewicht zu haben, denn das Team braucht einen gewissen Spielraum, um Gewicht im Auto nach vorne oder hinten zu verlagern. Das hilft bei der Abstimmung. Wir trainieren fünf oder sechs Tage pro Woche. Das ist ein komplettes Training, das vom Kreislauf bis zur Kraft und vor der Ausdauer bis kurzen, schnellen Einheiten alles umfasst. Neben einem umfassenden Training benötigst du auch einen guten Ernährungsplan. Einmal pro Woche kannst du dich vielleicht etwas ausruhen und dein Leibgericht essen, aber 90 Prozent der Zeit musst du einen Plan genau einhalten.
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Der STR7 ist einer der hübschesten Vertreter des Jahrgangs 2012 Zoom
Frage: "Welche Eigenschaften haben dir dabei geholfen, ein Renncockpit zu bekommen?"
Ricciardo: "Vielleicht hat sie mein Lachen und mein Lächeln angesprochen, und sie haben sich gesagt 'Diesen Jungen müssen wir haben.' Nein, nicht wirklich (lacht). Seit ich von Red Bull gefördert werden, habe ich jede Meisterschaft entweder gewonnen oder war Zweiter. Diese Resultate waren das Wichtigste."
"Dann haben sowohl Jean-Eric als auch ich den Red Bull getestet, von dem die Leute sagen, er sei das schnellste Auto, was zu 99 Prozent auch stimmt. Wir beide haben beim Test bewiesen, dass wir das Auto am Limit bewegen können und damit sowohl Speed als auch Reife gezeigt. Wir haben beide Rennen in hochwertigen Rennserien gewonnen und Drucksituationen standgehalten. Wir haben die richtigen Entscheidungen getroffen und sind jung und hungrig. Das ist wichtig."
Frage: "Was bedeutet es, ein Formel-1-Auto zu fahren, in der Königsklasse?"
Ricciardo: "Das ist einfach erstaunlich, die Geschwindigkeit ist geradezu irreal. Die Art und Weise wie das Auto reagiert ist irreal. Aber man gewöhnt sich daran. Die Autos sind zwar so schon ein bisschen beängstigend, aber wenn sie noch 50 km/h schneller wären, würde sich auch keiner beklagen. Schnell, elektrisierend, aufregend, stark! Es hat eine Menge Charakter. Und wenn du etwas machst, dass es nicht mag, wenn du zum Beispiel zu schnell in eine Kurve gehst, dann lässt es dich das spüren. Du fühlst das Auto regelrecht, das ist eine Art von Kommunikation."
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Ricciardo und Vergne fahren bei Toro Rosso um die Nachfolge von Mark Webber Zoom
Frage: "Warum denkst du, dass du stärker als dein Teamkollege Jean-Eric sein wirst?"
Ricciardo: "Das werden die Resultate zeigen. Wenn JEV in diesem Jahr bessere Resultate liefert, während ich der nette Kerl bin, der immer lächelt und zu allen 'Hi' sagt, dann bekommt er das Cockpit. Die Resultate sind das Entscheidende. Um schneller zu sein, muss man hart arbeiten. Du darfst nicht früh nach Hause gehen, wenn noch Arbeit zu erledigen ist."
"Wenn beispielsweise am Freitag das Training nicht gut lief, ist man schnell frustriert und will wieder ins Hotel zurück und etwas anderes tun. Aber es ist wichtig, an der Strecke zu bleiben und das Problem zu lösen. Zum Beten, das bis morgen ein Wunder geschieht und das Auto oder man selbst besser fährt, hilft einem nicht weiter. Es ist ein hartes Stück Arbeit und ich glaube, nein ich weiß, dass ich dazu bereit bin. Es war ein langer Weg von Australien bis hierher, daher möchte ich auf keinen Fall schnell wieder nach Hause gehen."
Frage: "Du bist jetzt fast schon eine Berühmtheit. Hat das auch Nachteile?"
Ricciardo: "Nein, die habe ich bisher noch nicht gespürt. Aber ich bin ja auch noch lange kein VIP. Ich habe bisher nur Positives erlebt. Ich wurde zu einigen coolen Events eingeladen. Letzte Woche hatte Red Bull uns nach Kitzbuehel zum großen Abfahrtsrennen eingeladen. Ich hatte die Gelegenheit, einige andere Sportler zu treffen, großartige Menschen, das ist schon ein Privileg und einer der Vorteile dieses Berufs. Bisher war alles Positiv. Die Medien interessieren sich ein wenig mehr für einen. Wenn ich über Weihnachten in der Heimat bin, muss ich die Medien ein paar Tage lang zufriedenstellen und einige Leute glücklich machen. Aber bisher hat noch niemand etwas Schlechtes über mich gesagt oder geschrieben, daher genieße ich es."