Reifen-Farce in Katar: Formel-1-Fahrer kritisieren Kommunikation

Was die Rennfahrer beim Katar-Grand-Prix 2023 am Vorgehen von FIA und Formel 1 störte und warum sie in Zukunft mehr Mitspracherecht einfordern

(Motorsport-Total.com) - Stell dir vor, du bist Formel-1-Fahrer, erfährst aber aus der Presse, dass es kurzfristig neue Regeln gibt. So geschehen beim Katar-Grand-Prix 2023, als der Automobil-Weltverband (FIA) nach Beratungen mit Pirelli für den Sonntag eine maximale Stintlänge von 18 Runden vorschrieb. Davon erfuhren die Fahrer nämlich nicht sofort, sondern Stunden später. Und das störte sie enorm.

Titel-Bild zur News: Max Verstappen, George Russell

Max Verstappen und George Russell im Gespräch mit Pirelli-Sportchef Mario Isola Zoom

Carlos Sainz etwa meint: "Wir sollten sowas nicht aus der Presse erfahren. Als Fahrer-Gewerkschaft waren wir nicht zufrieden mit dieser Situation. Wir hoffen, die Zusammenarbeit wird allmählich besser. Denn wenn die Sicherheit ein Thema ist und die Rückmeldung der Fahrer eine Rolle spielen könnte, dann ist es nicht gut genug, wenn die Presse uns informiert."

Tatsächlich waren die Verantwortlichen von FIA und Formel 1 um Transparenz bemüht gewesen: Nikolas Tombazis als Leiter der Formelsport-Kommission unterrichtete die sportlichen und technischen Leiter der zehn Formel-1-Rennställe schriftlich über die Änderungen. Fast zeitgleich wurde eine Pressemitteilung verschickt. Mitten in der Nacht zum Sonntag aber dachte offenbar niemand daran, die Fahrer zu informieren.

George Russell gibt an, er sei eher zufällig auf die Neuigkeit gestoßen: "Ich habe davon gehört, als ich die WhatsApp-Nachricht eines anderen Fahrers in unserem Gruppenchat gelesen habe."

Den Verantwortlichen müsse klar sein, dass die Kommunikation zwischen FIA und Fahrer "nicht ideal" verlaufen sei, meint Russell. "Wir müssen besser kooperieren, denn viele dieser Dinge betreffen direkt uns Fahrer. Wir können dann auch die Cockpitperspektive einbringen. Das kann bei manchen Entscheidungen eine Hilfe sein."

Die Reifen-Farce von Katar sei in seinen Augen ein "gutes Beispiel dafür, dass wir den Kommunikationsprozess verbessern müssen", sagt Russell.

Warum die Fahrer mitreden wollen

Kevin Magnussen pflichtet seinem Formel-1-Fahrerkollegen in diesem Punkt bei: "Wir wollten halt ein bisschen besser verstehen, worum es ging. Wir hatten bis zum Sonntagmorgen nichts davon erfahren. Das ist schon etwas frustrierend. Denn wir müssen die Autos fahren, also müssen wir auch wissen, was los ist."

Auch Magnussen fordert deshalb einen besseren Austausch ein. Tenor: "Wir Fahrer sind ein wesentlicher Teil des Sports. Wir fahren die Autos, wir gehen die Risiken ein. Also sollten wir auch involviert werden."

Verstappen: Sonst dauert auch alles ewig ...

Max Verstappen wiederum findet eine ganz andere Facette an den Vorgängen "ziemlich interessant", wie er sagt. Nämlich: Wie rasch FIA und Formel 1 gehandelt haben, "wie schnell man sowas ändern kann", so Verstappen.

Er fühlt sich ein bisschen vor den Kopf gestoßen: "Wenn wir sonst darüber reden und sagen, wir müssen hier die Tracklimits ändern und brauchen da eine weiße Linie, dann ist alles unheimlich schwierig."


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Oder hat man in Vorbereitung des Katar-Comebacks schlicht an den falschen Stellschrauben gedreht, wie Sainz andeutet? Er meint: "Man hätte in diesen zwei Jahren [seit dem ersten Formel-1-Rennen in Katar] auf diese schlechten Randsteine reagieren können."

"Man hat die Strecke neu asphaltiert, ein paar Randsteine neu gemacht, aber aus irgendwelchen Gründen ist die FIA bei dem Randstein-Design geblieben, das die Pirelli-Reifen killt. Ich sehe die Schuld nicht bei Pirelli. Aber irgendwas geht hier vor sich."

Deshalb herrscht laut Sainz Gesprächsbedarf. Das sieht auch Verstappen so. "Wir Fahrer müssen mehr gehört werden", sagt er. "Aber die Sicherheit hat in jedem Fall Priorität."

Hamilton: Können die Reifen das überhaupt?

Aus diesem Grund denkt Lewis Hamilton laut darüber nach, ob die aktuellen Pirelli-Produkte den Anforderungen der Formel 1 gewachsen sind. Sein Fazit: "Unterm Strich brauchen wir bessere Reifen."

Das will Hamilton aber ausdrücklich nicht als "Problem des Herstellers" verstanden wissen, sondern sieht Pirelli hier in einer misslichen Lage: "Wir haben so wenige Testfahrten und wir testen nicht auf einer Strecke mit so vielen harten Hochgeschwindigkeits-Kurven."

"Ich habe sogar mal in einer Besprechung vorgeschlagen, wir sollten unsere drei Testtage vor Saisonbeginn in Katar abhalten, weil dieser Kurs die Reifen am allermeisten fordert. Aber wer auch immer die Entscheidungen trifft bei der FIA: Die schwersten Autos aller Zeiten, mehr Abtrieb denn je und viel Sprit bringen eben Reifenprobleme hervor. Damit muss man rechnen."

Womöglich sei ein technisches Umdenken notwendig, meint Hamilton. "Vor ein paar Jahren hatten wir nämlich nur die Hälfte an Abtrieb, aber wir waren fast genau gleich schnell. Wir hatten mit Reifen von Bridgestone und Michelin nur viel mehr Grip. Das muss man sich definitiv anschauen. Denn ich glaube, die Autos sollen 2024 schon wieder schwerer werden." Und schon 2023 sind es 798 Kilogramm Mindestgewicht.

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