Eklat in Pressekonferenz: Toto Wolff und Frederic Vasseur rasten aus!

Dem einen war's zu viel, dem anderen zu wenig Lobhudelei: In der FIA-PK am Donnerstag kam es zu heißen Wortgefechten zwischen Teamchefs und Journalisten

(Motorsport-Total.com) - Es braucht schon ein bisschen was, um Toto Wolff aus der Reserve zu locken. Der Mercedes-Teamchef ist bekannt dafür, auch schwierige Themen stets charmant und nonchalant zu kommentieren, und zumindest in der Öffentlichkeit verliert er nur ganz selten die Fassung. Jedenfalls dann, wenn nicht gerade die WM auf dem Spiel steht und Michael Masi fragwürdige Entscheidungen trifft.

Titel-Bild zur News: Toto Wolff

Toto Wolff eskalierte in der Pressekonferenz in Las Vegas gegenüber einem Journalisten Zoom

Doch in der Donnerstags-Pressekonferenz in Las Vegas eskalierte Wolff. Carlos Sainz hatte mit seinem Ferrari einen Gullydeckel aus dem Boden des Strip gesaugt, die Session musste nach ein paar Minuten unterbrochen werden - ein PR-Debakel für Promoter Liberty Media, das von den Journalisten entsprechend mit kritischen Fragen gewürdigt wurde.

Jordan Bianchi von The Athletic löcherte Wolff etwa mit der Frage, wie man die Absage des ersten Trainings nicht als "blaues Auge" für die Formel 1 werten könne und wie sich die Formel 1 davon erholen werde. Das traf bei Wolff, der sich bereits zuvor in der Pressekonferenz schützend vor Liberty Media gestellt hatte, offenbar einen Nerv.

Der Mercedes-Teamchef zeigte sich offensichtlich darum bemüht, den Imageschaden für die Formel 1 möglichst zu relativieren: "Das ist kein blaues Auge. Das ist nichts! Wir haben Donnerstagnacht, ein erstes Freies Training, das wir nicht fahren. Sie werden die Kanaldeckel versiegeln und morgen redet keiner mehr drüber."

Eskalation: Wolff schreit Journalisten an

Jetzt schaltete sich einer von Wolffs "Spezialfreunden" unter den Formel-1-Journalisten in die Pressekonferenz ein: "Das ist doch Bullshit. Jeder wird morgen drüber reden", rief Jonathan McEvoy von der Daily Mail (ungefragt und ohne Mikro in der Hand) in Richtung Podium.

Jetzt war es um Wolff endgültig geschehen. Aus der erhobenen Stimme wurde eine regelrechte Wutrede: "Das ist total lächerlich! FT1. Wie kannst du es nur wagen, schlecht über eine Veranstaltung zu reden, die den neuen Standard für alles setzt? Und du redest von einem verdammten Kanaldeckel, der locker geworden ist. Das hat's auch früher schon gegeben. Das ist nichts. Es ist FT1."

Wolff, offenbar wenig daran interessiert, Schlechtes über Liberty Media kommen zu lassen, wurde sichtlich emotional und feuerte jetzt mit voller Lautstärke aus allen Rohren: "Gönne den Menschen die Anerkennung, die diesen Grand Prix ins Leben gerufen und die den Sport viel größer gemacht haben, als er jemals war!"

Wolff und McEvoy: Ziemlich beste Feinde

In Richtung McEvoy wurde Wolff jetzt persönlich: "Hast du je gut über jemanden geredet und ein gutes Wort über jemanden geschrieben? Solltest du! Über all die Leute da draußen. Liberty hat fantastische Arbeit geleistet. Und nur weil in FT1 ein Kanaldeckel locker geworden ist, sollten wir nicht jammern."

Dazu muss man wissen: McEvoy, die Daily Mail und das Mercedes-Team in der Formel 1, das ist eine komplizierte Geschichte. Das Verhältnis zwischen dem Journalisten, Mercedes und dessen Starfahrer Lewis Hamilton gilt seit Jahren als belastet. Mit der ungefragten Intervention in der Pressekonferenz brachte McEvoy das Fass zum Überlaufen.


Wolff beruhigte sich nur langsam: "Das Auto ist kaputt, das ist wirklich schade. Für Carlos hätte es gefährlich sein können. Die FIA und die Strecke müssen analysieren, wie wir verhindern können, dass das nochmal passiert. Aber hier über ein blaues Auge für den Sport zu sprechen, an einem Donnerstagabend ... Niemand schaut sich das zu dieser Uhrzeit in Europa an!"

Darüber wird mit Sicherheit geredet!

Was der Österreicher zu dem Zeitpunkt noch nicht wissen konnte: Der Imageschaden für die Formel 1 wurde noch viel größer, weil das zweite Training nach den Reparaturarbeiten an der Strecke erst mehrmals verschoben wurde und dann um 2:30 Uhr Ortszeit doch noch stattfand, allerdings unter Ausschluss der Öffentlichkeit.

Der Veranstalter des Rennens hatte eine Panne mit der Strecke nicht vorhergesehen und stand durch den veränderten Zeitplan vor dem Problem, dass die Schichten von hunderten Securitymitarbeitern zu Ende gingen. Also musste man das zahlende Publikum bitten, das Streckengelände zu verlassen, was viele Fans verständlicherweise wütend zurückließ. Spätestens jetzt war klar, dass sehr wohl am nächsten Tag über die Blamage der Formel 1 in Las Vegas gesprochen werden würde.

Am Ende von Wolffs Emotionsausbruch schaltete sich sein langjähriger Weggefährte bei Mercedes, der heutige Williams-Teamchef James Vowles, ein. Gewählt, mit ruhiger Stimme, entschärfte er die Situation: "Ich würde nur ergänzen: Bewertet uns, wenn die karierte Flagge gefallen ist, am Samstag. Und nicht auf Basis dessen, was in der letzten halben Stunde passiert ist."

Das sei "viel eloquenter formuliert, als ich es habe", klatschte Wolff seinem ehemaligen Chefstrategen mit einem "Bravo" für die Aussage verbal Beifall und unterstrich: "Das ist genau der Punkt."

Trotzdem: Sky-Experte Ralf Schumacher findet Wolffs Reaktion auf McEvoys Intervention "überzogen". Es sei nunmal Tatsache, dass der erste Trainingstag "keine Werbung für den Event" war, und Wolff solle demnach "die Kirche im Dorf lassen". Denn: "Das ist halt auch der Job des Journalisten."

Auch Vasseur rastet in PK aus

Es war übrigens nicht der einzige Eklat während der Pressekonferenz. Die hatte schon hitzig begonnen, als FIA-Talkmaster Tom Clarkson nach einer kurzen Frage über das Sainz-Drama in FT1 in den Liberty-PR-Modus umschaltete und von Ferrari-Teamchef Frederic Vasseur wissen wollte, wie toll Las Vegas als Veranstaltung für Ferrari sei. Zumindest nach klassischen journalistischen Standards eine völlige Themenverfehlung.

Tom Clarkson

Für seine PR-lastige Fragestellung in der Kritik: FIA-Talkmaster Tom Clarkson Zoom

Vasseur konnte es nicht fassen, angesichts des Geschehenen mit solchen Belanglosigkeiten konfrontiert zu werden. Nach einem scharfen Wortwechsel versuchte Clarkson zu beschwichtigen: "Fred, das ist das letzte Mal, dass wir dich dieses Jahr in einer Pressekonferenz sehen ..." Was der ironisch beantwortete: "Das ist doch mal eine gute Nachricht!"

Als Clarkson weiterhin unbeirrt versuchte, seine PR-Agenda durchzuziehen und Vasseur Lobhudeleien über Las Vegas zu entlocken, schaltete sich sogar Wolff kalmierend in das immer hitziger werdende Frage-Antwort-Spiel ein und sagte in Richtung Clarkson: "Du tust dir gerade selbst keinen Gefallen. Ich kenne Fred seit 20 Jahren."

Clarksons Fragestellung sorgte später auch bei Sky-Experte Schumacher für Kopfschütteln: "Wie er das Interview geführt hat, geht gar nicht." Er bezeichnet Clarkson als "Hündchen, das Angst davor hat, dass irgendwas kommen könnte, was dem Event schadet, der ja ach so toll ist. Ist natürlich super blamabel, wenn sowas passiert. Aber ich finde, man darf offen und ehrlich drüber reden."