• 23.09.2010 19:19

  • von Roman Wittemeier & Dieter Rencken

Die Kehrseite der Ecclestone-Medaillen

Bernie Ecclestone hat wieder der olympischen Gedanke gepackt: Medaillensystem auf dem Tisch - Fahrer mögen den Vorschlag immer noch nicht

(Motorsport-Total.com) - Als würde die aktuelle Formel-1-Saison nicht Spannung genug bieten. Ausgerechnet vor den finalen fünf Rennen des Jahres, mit fünf Kandidaten auf den Titel, packt Bernie Ecclestone seine Medaillenidee des vergangenen Jahres wieder aus. Vor dem Grand Prix in Singapur kritisierte der Brite das neue Punktesystem und stellte noch einmal klar, dass er Siege mehr belohnt sehen möchte.

Titel-Bild zur News: Bernie Ecclestone (Formel-1-Chef)

Der Boss in Singapur: Bernie Ecclestone wünscht sich eher einen Medaillenregen

Im vergangenen Jahr war Ecclestone mit seinem Ansinnen nicht durchgekommen. Der FIA-Weltrat hatte dem System zwar zugestimmt, aber vergessen, sich die Genehmigung der Teams zu holen. Das Problem: Auf kaum jemanden war das olympische Medaillenfeuer übergesprungen. So scheint es auch jetzt wieder zu sein.#w1#

"Ich komme mit Bernie wirklich gut zurecht, aber ich kann ihm nicht zustimmen", sagt Lewis Hamilton zum neuesten Medaillenvorstoß. "Jeder hat seine eigene Sicht. Ich halte die Goldmedaille jedenfalls nicht für das beste Mittel. Jeder gibt in jedem Rennen immer alles. Es macht dabei keinen Unterschied, ob man für einen Sieg eine Medaille oder einen Pokal bekommt. Wir wollen siegen - sonst nichts. Selbst wenn es Medaillen gäbe, dann würden wir nicht anders handeln."

"Sie hatten elf Pole-Positions, hätten uns völlig verblasen." Lewis Hamilton

Wenn derjenige Pilot automatisch den Titel gewinnen würde, der die meisten Siege eingefahren hat, sei dies nicht zwangsläufig eine realistische Darstellung der Leistung. "Ein Beispiel: Wenn Red Bull nicht so viele Ausfälle in diesem Jahr gehabt hätte, dann wäre diese Weltmeisterschaft schon lange entschieden und wir könnten nach Hause gehen. Sie hatten elf Pole-Positions, hätten uns völlig verblasen. Das wäre doch kein Spaß gewesen."

"Ich denke, dass auch die Fans das nicht gut gefunden hätten", sagt Hamilton. "Ich bin ziemlich sicher, dass mir ein Großteil der Fans zustimmen wird." Kopfnicken erntet der Brite von seinem Landsmann und Teamkollegen Jenson Button. "Ich bin auch der Meinung, dass diese Saison überhaupt nicht spannend ist. Es ist ziemlich langweilig...", meint der amtierende Weltmeister ironisch. "Im vergangenen Jahr hätte ich das sehr gern so gehabt. Dann hätte ich die letzten paar Rennen auslassen und drei Monate lang Urlaub machen können."

"Dann hätte ich drei Monate lang Urlaub machen können." Jenson Button

"Dieses Jahr ist es so eng, es ist eine fantastische Saison. Das Punktesystem funktioniert", stellt Button klar. "Ein Problem wäre es auch für die kleineren Teams. Bei einem Medaillensystem hätten in diesem Jahr vielleicht vier oder fünf Teams eine Medaille geholt. Und das ist für eine Menge Mannschaften im Feld hart." Williams, Force India, Sauber, Toro Rosso, Lotus, HRT und Virgin hätten nach Ecclestones Plan das olymische Motto bemühen müssen: Dabei sein ist alles.

"Derzeit liegen drei Teams hinten und sie sind ein Stück weit davon entfernt, Punkte zu holen. Aber diesen einen Punkt zu holen, wäre das Größte für sie", beschreibt Button seine Sicht. "Wenn nur noch die Top 3 etwas bekommen, dann wissen sie, dass sie die ganze Saison über keine Medaille holen würden. Das ist schwierig. Für die kleineren Teams und die, die nicht ganz vorn mitfahren, ist das weniger aufregend, weil es für sie weniger zu holen gibt."


Fotos: Großer Preis von Singapur, Pre-Events


Aber nicht von allen wird das Medaillensystem grundsätzlich verteufelt. Red-Bull-Teamchef Christian Horner stimmt Ecclestone zumindest in der Einschätzung zu, dass sich das neue Punktesystem nicht bewährt habe. "Unter dem neuen und unter dem alten System wären die gleichen fünf Fahrer an der Spitze in der gleichen Position", meint Horner. "Ein Sieger könnte durchaus mehr belohnt werden, zumindest wenn wir eine Situation wie jetzt gerade haben."

"Auf der anderen Seite wäre es ein Nachteil, falls es solch dominante Zeiten gibt wie in den glorreichen Ferrari-Tagen. Letztlich muss man festhalten, dass es immer für alle gleich ist - egal, ob es Punkte oder Medaillen gibt", sagt der Red-Bull-Teamchef. Die FIA hatte das Medaillensystem 2009 schon abgesegnet und es aufgrund der fehlenden Zustimmung der Teams nur "aufgeschoben". Kurzfristig wurde das neue Punktesystem verabschiedet, von Ecclestones Idee sprach anschließend niemand mehr - bis heute.