Brawn: "Die Regeln sind niemals eindeutig"

Trotz des Verbots des auspuffangeströmten Diffusors ist Ross Brawn davon überzeugt, dass die Teams weiterhin versuchen, die Abgase effektiv zu nutzen

(Motorsport-Total.com) - Aus Sicht der FIA hätte alles so schön sein können: Nachdem der auspuffangeströmte Diffusor eines der großen Streitthemen der Formel-1-Saison 2011 war, wollten man die Diskussionen durch eine Regeländerung beenden. Im neuen technischen Reglement wurde festgelegt, in welchen klar definierten Bereich der Motorabdeckung die Auspuffendrohre zu enden haben. Damit sollte sichergestellt werden, dass die Auspuffgase nicht mehr zur Verbesserung der Aerodynamik eingesetzt werden können.

Titel-Bild zur News: Mercedes, Auspuff

Brawn ist überzeugt, dass die Diskussionen um den Auspuff weitergehen werden

Doch wie so häufig erwiesen sich die Ingenieure der Formel-1-Teams kreativer als die Regelhüter der FIA. Schon bei den ersten Testfahrten in Jerez erblickte man den Fahrzeugen zahlreiche unterschiedliche Auspufflösungen. Während einige Teams die Abgase direkt auf das untere Element des Heckflügels leiten, präsentierte beispielsweise McLaren eine Lösung, welche die Abgase Richtung Hinterrad und so mutmaßlich über den Umweg der Bremsbelüftung weiter zum Diffusor leiten soll.

Gleichzeitig entbrannten im Fahrerlager Diskussionen darüber, wie eindeutig die neuen Reglen im Bereich des Auspuffs seien. Paddy Lowe von McLaren ist der Meinung: "Wir sind sehr froh, dass die FIA für 2012 klare und messbare Richtlinien definiert hat, denn dadurch gibt es eindeutige Grenzen, in denen wir uns bewegen können." Kollege James Allison von Lotus widerspricht jedoch: "Ich befürchte, dass es ein Gerangel darum geben wird, welche Geometrien vertretbar sind und welche nicht."

Unterschiedliche Interpretationen

McLaren-Auspuff

McLaren testete in Jerez verschiedene Auspuff-Modelle Zoom

Dieser Meinung schließt sich nun auch Ross Brawn an: "Die Regeln sind niemals eindeutig. Ich erinnere mich an keine einzige Formel-1-Saison, in der das der Fall war", wird Brawn von 'ESPNF1' zitiert. Für den Mercedes-Teamchef ist das auch etwas völlig Normales: "Du setzt die Reglen nach deinem eigenen Verständnis um, und dann kommt jemand, der sie cleverer interpretiert. Das liegt in der Natur der Sache." Daher sieht er die aktuellen Diskussionen rund um den Auspuff auch gelassen: "Das ist nichts Ungewöhnliches in der Formel 1."

Zwar sei der Effekt des auspuffangeströmten Diffusors weggefallen, "aber Dinge, die man einmal gelernt hat, vergisst man nicht", so Brawn, der damit rechnet, dass die Teams weiterhin versuchen werden, die Grauzone in diesem Bereich auszureizen. "Wir haben in den vergangenen beiden Jahren eine Menge über den Auspuff gelernt, und wie die Abgase zur Verbesserung der Aerodynamik eingesetzt werden können. Das vergisst niemand. Es wird weiterhin versucht werden, das Maximum aus dem Auspuff herauszuholen."


Fotos: Testfahrten in Barcelona


In der Tat wurde FIA-Technikchef Charlie Whiting bereits von mehreren Teams um eine Bewertung ihrer Entwicklung gebeten. In einem Fall senkte er den Daumen. Das unbekannte Team hatte versucht, über einen Trichter an der Innenseite der hinteren Bremshutzen die heißen Gase in den Diffusor umzuleiten. Das war in den Augen Whitings eine Zweckentfremdung des Auspuffs, die nicht mehr vom Reglement gedeckt ist.

Brawn ist jedoch davon überzeugt, dass der "Zweikampf" zwischen Technikern und der FIA weitergehen wird - nicht nur im Bereich des Auspuffs: "Auch in anderen Bereichen schreitet die Entwicklung voran - das liegt in der Natur der Formel 1. Es gibt hier viele helle Köpfe, die einen Vorteil aus den Regeln ziehen wollen. Vielleicht erleben wir schon in Kürze eine Überraschung."