Boullier: "Unser neues Auto ist besser"
Renault-Teamchef Eric Boullier über die ehrgeizigen Ziele für 2011, die Teilhaberstruktur und die Logik hinter insgesamt sieben Vertragsfahrern
(Motorsport-Total.com) - Mit Robert Kubica, Witali Petrov, Bruno Senna, Romain Grosjean, Fairuz Fauzy, Ho-Pin Tung und Jan Charouz hat Renault für 2011 gleich sieben Fahrer unter Vertrag genommen. Dazu kommt noch der bei Virgin geparkte Jerome D'Ambrosio. Darüber, über die ehrgeizigen Ziele für die kommende Saison und vieles mehr spricht Teamchef Eric Boullier im Interview mit 'Motorsport-Total.com'. Außerdem betont er entgegen der bisherigen Berichte, dass Genii 100-Prozent-Teilhaber des Rennstalls ist und die Lotus-Gruppe vorerst nur als Hauptsponsor agiert.
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Eric Boullier (rechts) hofft, dass Renault 2010 Rennen gewinnen kann
Frage: "Eric, in gut einem Monat beginnt die neue Saison. Wie aufgeregt bist du?"
Eric Boullier: "Ich denke, es gibt einige Gründe, um aufgeregt zu sein, vor allem weil für dieses Team eine neue Ära beginnt. 2010 war ein nützliches Jahr, um neu aufzubauen und auf die Zukunft vorzubereiten, aber gleichzeitig haben sich alle im Team immens bemüht. Das Ergebnis konnten wir auf der Rennstrecke sehen."
"Jetzt, mit der Ankunft eines langfristigen Partners wie der Lotus-Gruppe, haben wir die finanzielle Stabilität, um auf dieses starke Fundament aufzubauen und eine konkurrenzfähige Zukunft zu gewährleisten. Das ist für alle im Team ungeheuer motivierend und lässt uns glauben, dass wir weiterhin an der Spitze gegen die stärksten Teams in diesem Sport kämpfen können. In den vergangenen zwölf Monaten haben wir unglaublich hart gearbeitet, um uns auf 2011 vorzubereiten, und ich bin wahnsinnig stolz auf das, was wir erreicht haben. Wir freuen uns auf die Saison."
Genii fordert Erfolg
Frage: "2011 wird euer zweites Jahr in der Formel 1 sein. Wie war das erste?"
Boullier: "Nicht einfach, muss ich zugeben. Ich habe viel gelernt, aber ich denke, es war ein recht gutes Jahr. Wir sind definitiv zurück an der Spitze. Das Genii-Modell ist kommerziell gesehen endgültig angekommen, denn wir haben neue Sponsoren und neue Farben am Auto. Wir sind Teil der Genii-Gruppe und haben nur ein einziges Ziel: als Firma erfolgreich zu sein."
Frage: "Euer Ziel war, dem Renault-Team wieder Respekt zu verschaffen. Mit welchem Ziel geht ihr in dieses Jahr?"
Boullier: "Wir erwarten, dass unsere Leistungen stärker sein werden. Das ist das Ende der ersten Zeile, Punkt. Der zweite Satz würde lauten: Wir haben dem Team wieder Respekt gebracht."
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Genii ist dieses Jahr auch mit Logo auf dem Renault-Boliden vertreten Zoom
Frage: "Im Vorjahr gab es das eine oder andere Rennen, das ihr mit ein bisschen Glück auch gewinnen können hättet. Glaubst du, dass ihr dieses Jahr aus eigener Kraft um Siege kämpfen werdet?"
Boullier: "Dafür ist es noch zu früh. Unser neues Auto ist besser als das alte und wenn wir dazu in der Lage sind, eine gute Entwicklungsrate zu fahren, dann werden wir viel stärker sein. Heute weiß ich aber noch nicht, was die anderen Autos entwickelt haben, daher ist es noch zu früh. Aber basierend auf der Vorjahresleistung werden wir stärker sein. Damals haben wir um Podestplätze gekämpft, also wäre es nicht vermessen, Rennen gewinnen zu wollen."
Frage: "Die Wintermonate, in denen das neue Auto gebaut wird, gehören immer zu den hektischsten des Jahres. Wie hat die Fabrik die Entwicklung des R31 gehandhabt?"
Boullier: "Die Formel 1 schläft nie. Die Arbeit am R31 hat schon begonnen, da hatte der R30 noch nicht einmal ein einziges Rennen bestritten! 2010 hatten wir eine sehr hohe Entwicklungsrate. Das Auto war im letzten Rennen um zwei Sekunden schneller als im ersten. Im Winter setzten wir diese entschlossene Entwicklung fort, was für den Teamgeist spricht. Ja, die Arbeitslast ist zu dieser Jahreszeit immens, aber wenn wir den Kopf gesenkt halten und das Beste aus den Wintertests machen, dann bin ich mir ziemlich sicher, dass wir gut in die Saison starten werden."
Entwicklung wieder im Vordergrund
Frage: "Kann das Team die gleiche Entwicklungsrate wie 2010 aufrechterhalten?"
Boullier: "Der Plan ist, genau die gleiche Entwicklungsrate zu erzielen, auch wenn wir davon ausgehen, in einer viel besseren Ausgangsposition zu sein. Das bedeutet, dass wir noch kreativer sein müssen, um einige technische Richtungen zu entwickeln, um die wir uns bisher wenig gekümmert haben. Aber technische Innovation ist nicht der einzige Schlüssel zu mehr Performance, also haben wir in den vergangenen zwölf Monaten alle internen Prozesse analysiert und keinen Stein auf dem anderen gelassen. Heute können wir behaupten, dass wir unsere Effizienz um 15 Prozent gesteigert haben."
Frage: "Ihr vertraut auf eine unveränderte Fahrerpaarung. Wie wichtig ist Stabilität für das Team?"
Boullier: "Stabilität ist in jeder Industrie wichtig, besonders im schnelllebigen Formel-1-Umfeld, das in jedem Bereich extrem umkämpft ist. Eine stabile Fahrerpaarung zu haben, ist eines der Schlüsselelemente, um dieses Team wieder an die Spitze zu bringen. Dadurch können wir auf das aufbauen, was wir im Vorjahr gelernt haben. Das neue Management, die Fahrer, Ingenieure und Mechaniker arbeiten nun seit einem Jahr zusammen und verstehen einander besser. Jetzt können wir auf diese Verbindung und diesen Teamgeist aufbauen. Das wird uns noch stärker machen."
Frage: "Wozu werden Robert Kubica und Witali Petrow deiner Meinung nach in der Lage sein?"
Boullier: "Unsere Fahrer stellen eine Mischung aus Talent, Erfahrung und Jugend dar. Robert ist eindeutig eine unserer wichtigsten Wertanlagen und wir wissen, dass wir uns langfristig auf seinen Speed, auf seine Entschlossenheit und auf seine Hingabe verlassen können. Was Witali angeht, so hat er Ende des vergangenen Jahres bewiesen, dass er versteht, was wir 2011 von ihm erwarten - und darauf hat er sich eingelassen. Mit einem Jahr Erfahrung sollte er mehr Vertrauen haben und dem Team dabei helfen können, sich zu steigern. Wir haben im Vorjahr das Risiko auf uns genommen, in ihn zu investieren - und ich bin mir sicher, dass wir dieses Jahr den Nutzen daraus sehen werden."
Frage: "Die Testfahrten sind dieses Jahr erneut stark eingeschränkt, dennoch habt ihr fünf Testfahrer unter Vertrag genommen. Welche Logik steckt dahinter?"
Boullier: "Wir haben eine sogenannte Lotus-Renault-Akademie aufgebaut. Die Idee dahinter ist ganz klar, Nationalitäten einzubauen, die unseren kommerziellen Interessen entsprechen. Es gibt aber auch ein sportliches Interesse, denn wir werden - wie vom Reglement erlaubt - den R29 aus der Saison 2009 verwenden, ausgestattet mit harten Reifen, um Fahrerentwicklung zu betreiben."
Juniortests mit altem Formel-1-Auto
"Alle unsere Fahrer - Fairuz (Fauzy), Jan (Charouz), Ho-Pin (Tung), Romain (Grosjean) und Bruno (Senna; Anm. d. Red.) - werden den R29 fahren, sodass wir ihre fahrerischen Fähigkeiten besser einschätzen können. Außerdem wollen wir ihnen dabei helfen, Schwächen zu korrigieren und ihr Profil zu schärfen. Das ist die Strategie. In zehn Monaten kann ich mehr sagen, was wir mit diesen Fahrern vorhaben. Einige von ihnen könnten vielleicht für unser Rennteam in Frage kommen - oder wir bringen sie in die Formel 1, weil wir glauben, dass das für die Formel 1 und später auch einmal für uns positiv sein könnte. Man weiß nie."
Frage: "Jerome D'Ambrosio ist ein Vertreter des Gravity-Kaders. Habt ihr immer noch Zugriff auf ihn, falls ihr ihn nächstes Jahr zurückholen möchtet?"
Boullier: "Ja, absolut. Jerome war ein Experiment, aber die Tatsache, dass er Teams wie Virgin und Renault beeindruckt hat - unser Ingenieur war von seinem Feedback sehr angetan -, ließen uns glauben, dass wir das Experiment verlängern sollten. Also verwenden wir nun zwei Jahre alte Autos, um unsere jungen Fahrer zu entwickeln. Jerome ist nun in der Formel 1, eindeutig aufgrund seines Talents und weil er das Team beeindruckt hat."
Frage: "Mit dem Einstieg von Lotus gab es Verwirrung hinsichtlich der Anteilsverteilung. Wie ist da nun die genaue Situation?"
Boullier: "Ganz einfach: Genii ist 100-Prozent-Eigentümer des Formel-1-Teams."
Frage: "Die Lotus-Gruppe besitzt also keinerlei Anteile?"
Boullier: "Die Lotus-Gruppe besitzt lediglich eine Option, in den nächsten paar Jahren Anteile zu kaufen, wenn sie das wollen. Derzeit ist Genii aber alleinverantwortlich für dieses Team. Wir sind 100-Prozent-Eigentümer und Lotus ist nur unser Titelsponsor."
Frage: "Hat es auch im Management Veränderungen gegeben?"
Boullier: "Wir haben noch ein paar kleinere Veränderungen vor, aber nichts Großes."