Bonus für Irvine bei Schumacher-Titel: Stimmt's wirklich?
Auf den Spuren der "Mythbusters" - Ausgabe 11: Handelte Eddie Irvine bei Ferrari wirklich einen Bonus dafür aus, dass Michael Schumacher Weltmeister wird?
(Motorsport-Total.com) - Seit Jahrzehnten ist das Formel-1-Fahrerlager eine Welt, die voll ist von kleinen Geschichten um skurrile Teamchefs, von Piloten am Rande des Wahnsinns (oder jenseits davon) und irren physikalischen Phänomenen. In unserer Serie "Stimmt's wirklich? Formel-1-Mythen unter der Lupe!" gehen wir Legenden der Szene nach, die sich hartnäckig halten - und erkundigen uns bei denjenigen, die es wissen müssen. Nach Vorbild der US-TV-Doku Mythbusters.
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Michael Schumacher und Eddie Irvine: Wer gratuliert wem zu Titel und Bonus? Zoom
In der elften Ausgabe beschäftigt uns eine von vielen Storys rund um das Thema Fahrerverträge in der scheinbar so sauberen und moralisch korrekten Königsklasse. Wir fragen uns, ob Eddie Irvine bei Ferrari als Teamkollege Michael Schumachers tatsächlich eine Klausel aushandelte, die ihm einen finanziellen Bonus zusicherte, falls nicht er, sondern der Deutsche den Weltmeister-Titel holt.
Um was geht's?
Irvine war bei Ferrari von Anfang an der klare Nummer-Zwei-Fahrer - und machte daraus keinen Hehl. Immer wieder wurde er durch den damaligen Scuderia-Teamchef Jean Todt instruiert, Platz für Schumacher zu machen oder abgestellt, den Rekord-Champion abzuschirmen. Zwar hat der Nordire längst eingeräumt, dass Schumacher auch der bessere Rennfahrer gewesen wäre. Gegen den Strich ging dem exzentrischen Irvine die Angelegenheit aber, was er bis heute betont.
Die Sache nahm groteske Ausmaße an, als Ferrari 1999 schon im siebten von 16 Rennen eingriff. Die Roten lotsten Schumacher auf Rang fünf, was der Truppe am Saisonende den Titel kostete - weil Schumacher sich kurz darauf das Bein brach, er ausfiel und Überraschungsspeerspitze Irvine der verlorene Punkt letztlich fehlte, um Mika Häkkinen im Duell um die Krone zu bezwingen.
Das Quäntchen Geschick, das Irvine am Volant fehlte, besaß er am Verhandlungstisch im Überfluss. Medienberichten zufolge soll er im weiteren Verlauf seiner Karriere bei der bis dato sportlich wenig beachtenswerten Jaguar-Werksmannschaft insgesamt 35 Millionen Euroverdient haben und es auch sonst geschafft haben, mit diversen Steuertricks viel Netto aus seinem Brutto herauszuholen. Heute ist Irvine erfolgreicher Immobilienhai in Miami und nagt nicht am Hungertuch.
Was ist der Mythos?
Ross Brawn behauptet in seinem Buch "Total Competition: Lessons in strategy from Formula One" (2016 erschienen bei Simon & Schuster), das er gemeinsam mit Adam Parr verfasst hat, über Eddie Irvine: "Wir haben ihm einen Bonus gegeben, falls Michael den Titel holt." Der damalige Ferrari-Technikchef berichtet weiter: "Fahrer erhalten Boni für Rennen oder Boni für Titel. Und Eddie, der zumindest manchmal im Jahr ziemlich schlau war, sagte: 'Wenn ich Michael auf jede erdenkliche Art und Weise helfen soll, muss ich auch einen Bonus bekommen, wenn er Weltmeister wird.'"
Dass Irvine die Klausel aus dem Cockpit heraus ausgehandelt hätte, als er für Schumacher Platz machen musste - wie es teilweise zu hören ist -, entkräftet Brawn hingegen selbst.
Und, stimmt's nun wirklich?
Eddie Irvine sagt: "Nein, davon habe ich keine Ahnung! Ich hatte einen Bonus für den Fall, dass ich selbst den Titel hole - auch für den Fall, dass ich WM-Zweiter oder WM-Dritter werde." Jedoch verlangte der Nordire von Ferrari tatsächlich eine Absicherung, falls er für Schumacher den Wasserträger spielen musste: "Worum ich gebeten habe war, dass ich seine Punktboni erhalte, wenn ich meine Position an ihn abzugeben hatte. Darauf sind die dann auch eingegangen."
Irvine wundert sich über die Brawn-Behauptung, da er als Technikchef in Vertragsfragen bei den Roten kaum involviert war: "Er hätte es nicht gewusst und er hätte es nicht wissen sollen. Ich habe mit Jean Todt und Luca di Montezemolo (damaliger Ferrari-Präsident; Anm. d. Red.) verhandelt. Ich wusste ja auch nichts über Michaels Vertrag." Es ist ein klassisches Beispiel dafür, dass Leute etwas zu Ohren käme und sie es glaubten. Erst sei es nur ein Gerücht, mit den Jahren würde es Fakt.
Wer hat uns aufgeklärt?
Eddie Irvine bestritt in seiner Formel-1-Karriere 147 Grands Prix für Jordan, Ferrari und Jaguar. Von 1996 bis 1999 war er bei der Scuderia der Teamkollege Michael Schumachers. Dabei glückten ihm vier Rennsiege und der Gewinn der Vizeweltmeisterschaft. Zu seinen aktiven Zeiten galt Irvine als Frauenheld und wurde unter anderem dadurch bekannt, dass er mit Sexsymbol Pamela Anderson flirtete.
Wie geht's weiter?
Gibt es irgendeine Geschichte, von der du schon immer mal wissen wolltest, ob sie wirklich wahr ist? Wir begeben uns auf die Spuren der Mythbusters und haken für euch nach. Einfach deinen Mythos via Kontaktformular oder auf Twitter an unsere Formel-1-Spezialisten Christian Nimmervoll und Dominik Sharaf schicken! Die nächsten Folgen sind schon in Planung.
Bisherige Folgen von "Stimmt's wirklich?"
01: Dürfen McLaren-Mitarbeiter im Büro wirklich keine Frühstücksbrote essen?
02: Bestimmte Jean Todt den Ausgang der Rallye Paris-Dakar mit einem Münzwurf?
03: Sah Jacques Villeneuve per Computerspiel die Zukunft der Formel 1 voraus?
04: War Formel-1-Boss Bernie Ecclestone beim großen Postzugraub dabei?
05: Gewann Porsche den Sportwagen-WM-Titel mit Zange und Panzerband?
06: Designte Jacques Villeneuve seinen bunten Helm nach dem Vorbild eines Kleides seiner Mutter?
07: Werden die Gymkhana-YouTube-Videos von Ken Block in einem Take gefilmt?
08: Hatte der Schumacher-Benetton von 1994 eine verbotene Traktionskontrolle eingebaut?
09: Ist es im Privatflieger des McLaren-Bosses Ron Dennis nicht erlaubt, Schuhe zu tragen?
10: Fährt ein Formel-1-Auto mit Sprit von der Tankstelle?