• 01.07.2015 16:30

  • von Bernd Mayländer

Bernd Mayländer: Anekdoten aus dem Home of Motor Racing

Lift & coast mit dem Corsa im LKW-Windschatten, eingeschlagene Glasscheiben, atemberaubende Strecke: Safety-Car-Fahrer Bernd Mayländer vor Silverstone

Hallo, liebe Leser,

Titel-Bild zur News: Bernd Mayländer am Flughafen Frankfurt

Brandaktuelles Foto: Vor dem Einchecken in den Flieger von Frankfurt nach England Zoom

mein Terminkalender ist derzeit ziemlich voll, ich komme wirklich kaum zum Durchatmen und freue mich schon auf die kurze Sommerpause, in der ich mit meiner Freundin mal ein paar Tage Urlaub machen kann. Nach dem Formel-1-Rennen in Spielberg war mein Zeitplan ursprünglich so eng gesteckt, dass ich eigentlich direkt mit dem Rennoverall zum Parkplatz fahren wollte, um schnellstmöglich aufbrechen zu können. Ich musste dann aber noch kurz zur Rennleitung, und so habe ich mich auch gleich umgezogen.

Ab Donnerstag ging's weiter zur DTM an den Norisring, ein bisschen das Monaco der DTM. Und dann war ich Anfang dieser Woche als Instruktor bei der AMG-Driving-Academy auf der Nürburgring-Nordschleife. Die Nordschleife ist jedes Mal ein Highlight unseres Academy-Kalenders: faszinierende Strecke, richtig gute Autofahrer in unseren Gruppen, Instruktoren wie Bernd Schneider, Maro Engel, Jan Seyffarth, Norman und Patrick Simon. Eine geballte Ladung also.

Ich selbst hatte eine kleine Gruppe im Mercedes-AMG GT S, habe es richtig fliegen lassen, 400, 500 Nordschleifen-Kilometer am Tag. Das macht Spaß, umso mehr bei so schönem Wetter - ich habe ein Foto geknipst, darauf ist keine einzige Wolke zu sehen! so was habe ich in 25 Jahren Eifel noch nie erlebt. Umso mehr tut's weh, dass wir dieses Jahr keinen Grand Prix in Deutschland haben, denn bei solchen Bedingungen wäre ein Formel-1-Rennen ein Traum.

Wetter-App kennt Silverstone nicht: Böses Omen?

Ob es in Silverstone auch so schön wird wie in Deutschland? Ich kann's nicht sagen, denn meine Wetter-App kennt Silverstone nicht; aber ich wage es zu bezweifeln. Bei sonnigem Wetter ist es einer der schönsten Grands Prix des Jahres, tolle Atmosphäre, begeisternde Fans, ausverkauftes Haus. Aber wehe es beginnt richtig zu regnen, dann eignen sich die Felder rundherum besser zum Schlammcatchen als zum Campen oder Parken. Haben wir in Silverstone alles schon erlebt.


Fotostrecke: Triumphe & Tragödien in Großbritannien

Die Strecke wurde vor einigen Jahren umgebaut, ist aber immer noch ein Knaller, absolut phänomenal zu fahren. Mutkurven wie Copse, Kombinationen wie Maggotts/Becketts/Chapel, die schwierige Stowe nach der Hangar-Straight - so etwas gibt's sonst nirgends mehr. Selbst mit dem Safety-Car ist Silverstone eine Riesenchallenge. Umso mehr freue ich mich drauf, dieses Jahr mit meinem neuen Mercedes-AMG GT S ein paar Runden zu drehen.

Ich hoffe nur, dass es am Sonntag nicht regnet und dass es kein Rennen in Überlänge gibt, denn mein Flug nach Hause ist schon gebucht, für 18:15 Uhr ab Birmingham. Das wird eng, eine typische Rushhour weg von der Strecke kann ich da nicht gebrauchen. Allerdings habe ich schon mal vorgesorgt und mir einen FIAT 500 Cinquecento gemietet, den ich dann wohl ein bisschen treten muss. Vorteil eines so kleinen Autos: Mit dem kannst du in jede Lücke reinstechen. Und einen Smart hatten sie leider nicht im Angebot.

Die Winkelhocks und das Benzinsparen...

Das erinnert mich an eine Anekdote, die ich 2007 mit meinem Kumpel Markus Winkelhock erlebt habe. Markus war damals Testfahrer beim Spyker-Team, und wir mussten beide relativ zeitig von der Strecke wegkommen, um unseren Flieger in London-Stansted zu erwischen. Markus am Steuer des Opel Corsa, vollgepackt mit vier Rennsport-Taschen, sodass wir schon Mühe hatten, die wichtigsten Sichtlinien im Wagen frei zu halten. Aber es ging irgendwie.

Was Markus natürlich nicht bedacht hatte: dass es mit dem Sprit eng werden könnte. Wir waren wie echte Rennfahrer unterwegs: zuerst gut Gas geben (natürlich immer innerhalb der erlaubten Geschwindigkeitsbegrenzungen), dann lift & coast... ;-) Die letzten Kilometer bis zur Tankstelle am Flughafen sind wir im Windschatten eines LKW gerollt. Ich habe mir später erzählen lassen, dass das bei den Winkelhocks in den Genen liegt. Auch Markus' Vater Manfred ist das eine oder andere Mal mit einem Kanister zur nächsten Tankstelle marschiert...

Ich selbst war in Silverstone mal irrtümlich Geisterfahrer, weil ich im Kreisverkehr die falsche Ausfahrt erwischt hatte. Das war spät nachts, zum Glück kein Verkehr, rechtzeitig gemerkt und nichts passiert. Aber das zeigt, wie wachsam man am Steuer sein muss - da kann ich nur auf die FIA-Kampagne "Action for Road Safety" verweisen, die nicht nur unserem Präsidenten Jean Todt am Herzen liegt, sondern auch mir selbst.

Aus dem Safety-Car direkt in den Cup-Porsche

Im Jahr 2000 bin ich noch selbst Porsche-Supercup gefahren. Ein tristes Wochenende, neblig, der Rettungshubschrauber kann nicht starten. Also war die Überlegung, ein Formel-1-Warm-up zu fahren, aber nur mit ein paar Schnupperrunden hinter dem Safety-Car. Ich musste mich auf Stand-by bereithalten. So weit, so gut. Aber das brachte natürlich meinen Zeitplan gehörig durcheinander, weil gleich nach dem Warm-up das Supercup-Rennen angesetzt war.

Nico Rosberg hinter dem Safety-Car

Einsatz in Silverstone 2014: Das Safety-Car vor Nico Rosberg Zoom

Also setzte ich mich im Porsche-Overall in meinen CL 55 AMG, der 1999/2000 das offizielle Safety-Car der Formel 1 war. Gleich nachdem das Warm-up abgesagt wurde, fuhr ich direkt in die Startaufstellung, stellte mich vor das Feld und übergab das Steuer an meinen Kollegen. Ich selbst ging eine Reihe zurück, denn ich hatte mich als Zweiter qualifiziert, und übernahm den Porsche von meinem Mechaniker, der ihn für mich in die Startaufstellung gefahren hatte. Ziemlich hektisch, aber es hat funktioniert - und ich wurde im Rennen immerhin Zweiter.

Und dann fällt mir noch eine Anekdote ein, zu der ich aber das genaue Jahr nicht mehr weiß. Muss schon ein Weilchen her sein, denn ich habe damals gerade mit dem Golfen angefangen. Bin einquartiert in einem schmucken kleinen Hotel, eher eine Farm eigentlich, und die haben einen angeschlossenen Golfplatz, ziemlich klein. Ich mache ein paar Abschläge - und schon klirrt die doppelt verglaste Scheibe zum Speisezimmer.

Die Engländer sind wahre Gentlemen

Blöd gelaufen, und ich hatte auch ein ziemlich schlechtes Gewissen, aber ich war offenbar nicht der Erste, dem das passiert war, denn das Personal hat ziemlich abgeklärt darauf reagiert. Ich musste die Scheibe noch nicht einmal bezahlen. So sind sie halt, die Engländer: ganz Gentlemen, immer um gute Umgangsformen bemüht. Das gilt auch für die Fans an der Rennstrecke, die extrem motorsportinteressiert sind und ihre Fragen auf eine Art und Weise stellen, dass man sie auch gern beantwortet.

Bernd Mayländer am Flughafen Frankfurt

Während ihr lest: Mit diesem Flieger geht's von Frankfurt nach England Zoom

Die kommen da teilweise mit uralten Bildern an, die ich noch nie zuvor gesehen habe. Die Fans sind extrem fachkundig und aufgeschlossen, was vielleicht auch daran liegt, dass viele von ihnen schon mal im Motorsport gearbeitet haben. Aber Silverstone hat auch einen gewissen Glamour-Faktor (weniger, was das Nightlife rund um die Strecke betrifft, denn das ist nicht existent), da kommen immer viele Promis, Rockstars, Sportler hin. Finde ich ganz interessant, das mit ein bisschen Distanz zu beobachten.

Und dann trifft man in Silverstone natürlich jede Menge ehemaliger Rennfahrer, alte Bekannte und Freunde - man kennt sich ja. Für Donnerstag habe ich zum Beispiel eine Einladung zur Premiere von "33 Days", einer Doku über die Wochen nach dem Unfall von Niki Lauda auf dem Nürburgring. Ich wurde für den Film interviewt, habe ein bisschen über die Nordschleife erzählt. Da kommen zum Beispiel auch Stirling Moss und Mark Webber hin, die ich gut kenne und auf die ich mich sehr freue.

Alles eine Stunde früher

Dario Franchitti, ein alter Bekannter aus meiner ITC-Zeit, ist auch so einer, dem ich in Silverstone immer wieder über den Weg laufe. Und dann trifft man sich abends auf ein alkoholfreies Guinness im gemütlichen Pub und tauscht im privaten Rahmen alte Geschichten aus. Das macht Silverstone für mich so besonders. Auch wenn wir es abends nie zu spät werden lassen, weil Silverstone eine Stunde hinter der deutschen Zeit ist, also vor Ort alles um eine Stunde früher stattfindet. Da klingelt mein Wecker gegen 5:30 Uhr. Wenn man da abends zu spät ins Bett geht, hat man morgens sehr kleine Augen.

"Müsste ich jetzt Geld setzen, ich würde auf Nico tippen. Er ist im Aufwind." Bernd Mayländer

Was das Sportliche angeht, ist Silverstone grundsätzlich mal Hamilton- und Button-Land, alleine schon des Publikums wegen. 2014 hat Lewis das Rennen gewonnen, Nico ist ausgeschieden. Müsste ich jetzt Geld setzen, ich würde auf Nico tippen. Er ist im Aufwind, hat in Spielberg eine Superleistung abgeliefert und Lewis keine Chance gelassen. Lewis sagt, er hat es in Spielberg nicht auf die Reihe bekommen. Mal sehen, ob das wirklich der Grund war - oder ob Nico das Blatt jetzt wenden kann.

Auf eine Prognose lasse ich mich jetzt übrigens ein: Einer von den beiden Mercedes-Piloten wird dieses Jahr Weltmeister. Sebastian und Ferrari sind zwar auch stark unterwegs, haben große Fortschritte gemacht - aber wenn ich den Punkte- und auch den technischen Vorsprung bedenke, den Mercedes inzwischen hat, dann wird das für Sebastian zumindest dieses Jahr noch nichts.

Euer

Bernd Mayländer

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