Allan McNish im ausführlichen Interview
Der Toyota-Pilot spricht ausführlich über sein bevorstehendes Formel-1-Debüt, die Testarbeit und das aktuelle Auto
(Motorsport-Total.com) - Allan McNish wurde am 29. Dezember 1969 in Dumfries (Schottland) geboren und lebt momentan in Warfield (England). Wenn der Single einmal nicht im Formel-1-Auto sitzt, dann fährt er liebend gerne Ski, schießt Tontauben oder vertreibt sich die Zeit mit anderen Sportarten.
© Irlmeier
Allan McNish will 2002 sein Formel-1-Debüt mit Toyota geben
Als Le-Mans-Sieger und Daytona-Sieger ist McNish ein anerkannt guter Sportwagenpilot und will sich nun endlich den Traum von der Formel 1 erfüllen, nachdem er bereits von 1990 bis 1993 für McLaren und 1996 für das Benetton-Team in der Königsklasse des Motorsports testete, aber nie ein Rennen bestritt. Noch ist nicht zu 100 Prozent sicher, dass McNish 2002 für Toyota an den Start gehen wird, doch laut Teamchef Ove Andersson müsste "viel passieren", dass man sich doch noch einen anderen Teamkollegen für Mika Salo suchen wird.
Am Rande der Testfahrten auf dem Nürburgring vergangene Woche, bei denen sich Toyota auf das Debüt in der Saison 2002 vorbereitete, konnte F1Total.com-Chefredakteur Fabian Hust dem sympathischen Schotten ein paar Fragen stellen.
"Jeder fängt so langsam an, an Melbourne zu denken"
Frage: "Toyota - ist das für dich die große Chance, in die Formel 1 zu kommen?"
McNish: "Klar ist das eine großartige Chance, auch für alle von TMG (Toyota Motorsport GmbH; d. Red.) ist dies eine tolle Möglichkeit. Wir arbeiten in diesem Jahr hart und entwickeln das, was wir haben, so gut wie möglich und entwerfen im Hintergrund ein neues Auto. Jetzt, fünf oder sechs Monate bevor es losgeht, denke ich, fängt so langsam jeder an, an Melbourne zu denken."
Frage: "Bist du mit dem Auto zufrieden?"
McNish: "Wir entwickeln die ganze Zeit und müssen jeden Bereich des Autos verbessern. Und auch am Team selbst muss gearbeitet werden, das ist auch der Grund, warum sich Toyota dafür entschieden hat, in diesem Jahr zu testen und keine Rennen zu fahren. Ich denke, dass wir momentan uns dort befinden, wo wir uns das vorgestellt hatten. Ich denke nicht, dass wir im Moment von unserem Plan abweichen."
"Die Anderen sind schneller!"
Frage: "Was ist das größte Problem im Moment?"
McNish: "Die Anderen sind schneller! (lacht) Ich denke nicht, dass es ein bestimmtes Problem gibt. Wir sind auf ein paar Gebieten sehr stark, an den anderen Gebieten arbeiten wir hart. Wir testen hier zum Beispiel mit der Launch-control und der Traktionskontrolle, um die Elektronik besser zu verstehen, weil die jetzt sehr, sehr wichtig ist."
Frage: "Erwartest du, dass Toyota für das erste Jahr ein eher konservatives Auto bauen wird?"
McNish: "Ich denke nicht, dass sie versuchen werden, ein revolutionäres Auto zu bauen. Wir müssen am Ende des Tages nach Melbourne und zu all den anderen Rennen mit einem Auto gehen, das wir verstehen. In gewisser Weise muss man zunächst in der Lage sein zu gehen, bevor man rennen kann. Wir werden 25 Jahre Erfahrung nicht in sechs Monaten aufholen."
"Ferraris Fabrik ist im Vergleich zu Toyotas ein Schuppen?"
Frage: "Welchen Eindruck hat die Toyota-Fabrik in Köln auf dich gemacht?"
McNish: "Als ich dort während dem Le Mans-Projekt da war, da wusste ich, wo ich hingehen muss. Aber jetzt ändert sich dort ständig etwas, einmal komme ich hin und dann ist die Motorenabteilung von der einen auf die andere Seite umgezogen, ein anderes Mal ist das Designoffice plötzlich umgezogen. Man hat dort praktisch die Größe verdoppelt. Es ist eine sehr eindrucksvolle Anlage."
Frage: "Kann man diese Fabrik mit der von Ferrari in Maranello vergleichen?"
McNish: "Ich war dort noch nie, aber Mika hat gesagt, dass Ferrari im Vergleich dazu nur ein Schuppen in der Mitte von Italien ist... Ich denke, dass wir auf diesem Gebiet ganz gut aussehen."
"Alles unter einem Dach zu entwickeln langfristig ein Vorteil"
Frage: "Was macht es für einen Unterschied, wenn das komplette Auto samt Motor unter einem Dach hergestellt wird?"
McNish: "Man braucht dadurch natürlich ein wenig länger und manchmal ist die ganze Angelegenheit ein wenig komplexer. Wie manche anderen Hersteller nur einen Motor zu bauen und ihm einem etablierten Team zu geben, ist vielleicht der einfachere Weg. Aber langfristig gesehen ist es ein Vorteil, alles unter einem Dach zu entwickeln. Man hat das in diesem Jahr bei Ferrari gesehen, sie können alles als eine Einheit entwickeln. Sie können als eine Mannschaft arbeiten, die nicht durch - sagen wir - 2.000 Kilometer getrennt ist."
Frage: "Du bist es von anderen Rennserien gewohnt zu gewinnen, jetzt musst du wohl wieder von vorne anfangen. Was ist das für ein Gefühl?"
McNish: "Ich denke nicht, dass jemand innerhalb oder außerhalb von Toyota davon ausgeht, dass wir nach Melbourne kommen und sofort gewinnen. Wir haben einen harten Weg vor uns, gar keine Frage, aber langfristig gesehen werden wir auf die Erfolgsspur kommen. Persönlich habe ich lange darüber nachgedacht, ob es für mich die richtige Möglichkeit ist oder nicht. Wie du bereits gesagt hast, habe ich im letzten Jahr die American Le Mans Serie gewonnen, man gewöhnt sich daran. Aber die Formel 1 ist die Formel 1."
Frage: "Michael Schumacher hat seinen vierten Titel gewonnen und viel über den Teamgeist gesprochen. Wie ist es um ihn bei euch bestellt?"
McNish: "Die meisten von uns waren in Le Mans zusammen, jetzt sind noch ein paar vom Rallye-Projekt und aus der Formel 1 hinzugekommen. Wir sind gerade dabei, das Team aufzubauen. Aber wie Michael schon gesagt hat, der Teamgeist ist eine wichtige Sache. Wenn der Teamgeist funktioniert, dann kann das Team sehr stark sein, wenn er nicht gut ist, dann kann das destruktiv sein."
"Neue Autos angenehm zu kontrollieren"
Frage: "Das letzte Mal, dass du ein Formel-1-Auto gefahren hast, war 1996 bei Tests für Benetton. Wie sehr haben sich die Autos seitdem verändert? War es schwierig, sich an das neue Auto zu gewöhnen?"
McNish: "Es war nicht schwierig, sich an sie anzupassen, nur das Fahren war schwieriger. Jetzt ist es deutlich einfacher. Damals hatten wir Slickreifen, mehr Abtrieb, der Frontflügel war fünf Millimeter vom Boden entfernt und jetzt 100 Millimeter. Das Auto musste man aggressiver fahren, jetzt, mit den gerillten Reifen, der Elektronik und dem neuen Frontflügel, sind sie sehr angenehm zu kontrollieren und weich zu fahren. Auch die Traktionskontrolle hat das Auto leichter zu fahren gemacht."
Frage: "Du hast im letzten Jahr Formel-1-Teile in einem GT-Auto getestet. Welche Teile hast du da ausprobiert und wie fühlt es sich an, fremde Teile in einem GT-Auto zu testen?"
McNish: "Das erste, das wir ausprobierten, waren die gerillten Reifen. Und die haben sich am Anfang nicht besonders schön angefühlt. Es war damals das erste Mal, dass Michelin in ihrer Geschichte etwas mit gerillten Reifen gemacht hat. Und wir haben sie von da an sehr schnell entwickelt, wie man das in diesem Jahr bei den Grand Prix sehen konnte. Wir haben damals sehr viel mit Bremsen, der Elektronik und dem Getriebe gearbeitet. Wir haben keinen Formel-1-Motor getestet, aber es gab Dinge, die wir ausprobieren konnten um zu sehen, ob sie in einem Formel-1-Auto funktionieren."
Frage: "Was ist deine Aufgabe bei den Testfahrten?"
McNish: "Grundsätzlich gibt es verschiedene Testprogramme von den Chassis-Ingenieuren, den Motor-Ingenieuren und den Daten-Ingenieuren. Wenn wir an meinem Auto zum Beispiel etwas finden, das gut ist, dann geben wir diese Daten an das andere Team weiter, so dass es auch am anderen Auto ausprobiert werden kann. Am Ende eines jeden Tages, manchmal auch beim Mittagessen, setzen wir uns alle zusammen und diskutieren über alles - Positives wie Negatives."
"Das Gefühl des Fahrers zählt"
Frage: "Und wie wichtig ist bei diesen Tests dein eigenes Gefühl für das Auto?"
McNish: "Klar ist das wichtig, denn egal was die Daten sagen, was zählt ist das Gefühl des Fahrers auf der Strecke. Wenn er sich nicht im Auto wohl fühlt, dann kann er nicht alles geben."
Frage: "Wie wichtig sind die Reifen im Moment?"
McNish: "Die Reifen machen ständig Fortschritte. Durch Michelin und Bridgestone in der Formel 1 wird stark weiterentwickelt und ich denke, dass das im Verlaufe des Jahres so weitergehen wird. Besonders hier testen wir viele Reifen, wir haben die Reifen hier, die sie bei diesem Grand Prix gefahren sind. Es ist auch wichtig, dass wir einen Anhaltspunkt haben, was die anderen Teams auf der jeweiligen Strecke verwendet haben. Wir fahren wie gesagt mit den Reifen, die beim diesjährigen Grand Prix verwendet wurden, eine härtere und eine weichere Mischung."
"Es bringt nichts, dieses Auto noch schneller zu machen"
Frage: "Welche Fortschritte hat das Auto seit dem Testbeginn gemacht?"
McNish: "Es gab seitdem starke Verbesserungen. Seit der ersten Ausfahrt in Paul Ricard haben wir große Veränderungen an der Aerodynamik vorgenommen, die wir in Barcelona eingeführt haben. Wir haben die Traktionskontrolle getestet und vielleicht hast du auch gesehen, dass Mika die Launch-control getestet hat. Wir haben mit den Bremsen Fortschritte gemacht, weil wir das System gewechselt haben und dies arbeitet sehr gut. Überhaupt gibt es laufend Verbesserungen an der Aerodynamik, dem Motor, der Elektronik und Modifikationen am Chassis. Es ist aber klar, dass die meisten Anstrengungen nun dem Auto gelten, das nächstes Jahr fahren wird. Es bringt nicht zwangsläufig etwas, dieses Auto hier noch eine Menge schneller zu machen."
Frage: "Wie wichtig ist der Zugang von Gustav Brunner?"
McNish: "Auf das nächstjährige Auto wird sich das mehr auswirken als auf dieses Auto. Gustavs Hauptaufgabe ist es natürlich, das neue Auto zu entwerfen und darauf konzentriert er sich. Wir haben schon einige positive Auswirkungen von Gustav gesehen, aber mehr in der Fabrik, weil jetzt bei Problemen einfach früher einen Antwort gegeben werden kann. Wir hoffen aber natürlich, dass wir seine Mitwirkung noch viel mehr zu spüren bekommen werden."
"Ich hätte meine Karriere nicht riskiert"
Frage: "Du hast bisher immer nur für Teams getestet, nie aber ein Rennen gefahren. Wie siehst du die Herausforderung bei Toyota?"
McNish: "Für mich war es von vorneherein klar gewesen, dass ich nicht nur testen wollte, ich wollte auch Rennen fahren. Wenn ich nicht die Chance gehabt hätte, Rennen zu fahren, dann hätte ich meine Karriere nicht riskiert, die ich bei den Sportscars hatte, nur um ein Formel-1-Auto zu testen. Das habe ich nun wirklich oft genug getan. Toyota war sich sehr im Klaren, was sie von mir wollten und ich war mir sehr im Klaren, was ich von ihnen wollte. Ich denke, dass in diesem Jahr beide Seiten profitiert haben und mit Mika in diesem Jahr an Bord können wir mit zwei Autos gleichzeitig testen. Ich denke, dass dies die Entwicklung vorantreibt und wir gut als Team zusammenarbeiten."
Frage: "Du bist zwar ein erfahrener Fahrer, aber vor dem Formel-1-Debüt verspürt man schon eine Menge Druck, oder?"
McNish: "Nein, ich denke, dass ich mehr Druck verspürte, als ich jünger war als ich es jetzt bin. Ich bin jetzt schon so lange im Motorsport mit dabei, dass der Druck für mich nichts Neues ist. Die Formel 1 ist natürlich die Formel 1 und da werden neue Dinge auf mich zukommen, aber wenn man im Auto sitzt, dann macht man sich eigentlich keine Gedanken um das, was drumherum passiert. Man konzentriert sich nur darauf, was einen schneller machen kann, wie man mehr Leistung aus dem Auto und sich selbst herausholen kann."
Keine Angst vor Schumacher & Co.
Frage: "Fühlst du dich bereit, gegen die anderen Fahrer wie Michael Schumacher zu kämpfen?"
McNish: "Definitiv, ich bin ja schon gegen die ganzen Jungs in anderen Kategorien gefahren, und das sehr erfolgreich. Damit habe ich kein Problem. Wir müssen versuchen, in diesem Jahr ein so stark wie mögliches Team aufzubauen, wir können im Moment wirklich nicht an die Gegner denken."
Frage: "Wo erwartest du dein Team im nächsten Jahr? In der Nähe der Minardis oder im Mittelfeld?"
McNish: "Ich denke, dass es unmöglich ist, darüber etwas zu sagen, so lange das neue Auto nicht fertig ist. Wir wissen, dass wir mit dem neuen Auto einen großen Schritt nach vorne machen werden und an diesem Auto hier Bereiche gefunden haben, die uns einen Vorteil verschaffen werden. Wir müssen erst auf der Strecke sehen, wie das neue Auto läuft und wir wissen auch nicht, wie sehr sich die anderen Teams verbessern werden. Ich denke, dass das nächste Jahr möglicherweise das härteste für ein neues Team ist, weil ich erwarte, dass BAR, Jaguar und Arrows mit dem Jaguar-Motor besser sein werden. Das Mittelfeld wird dichter zusammenrücken. Meiner Ansicht nach wird das nächste Jahr sehr hart werden, weil der Wettbewerb sehr stark sein wird. Es geht aber natürlich nicht nur um ein Jahr, Toyota wird ja mehrere Jahre dabei sein."
"Schumacher hat den Titel verdient"
Frage: "Und was sagst du zur diesjährigen Weltmeisterschaft?"
McNish: "Nun, sie ist vorbei! (Lacht) Auch wenn David Coulthard ein Landsmann von mir ist, so hat den Titel Michael Schumacher doch grundsätzlich verdient. Ich denke, dass McLaren leider zu viele Fehler begangen hat, um den Titel gewinnen zu können. Ich denke nicht, dass man einem Team wie Ferrari so viele Geschenke machen kann und ihm Punkte schenken darf, weil sie die Geschenke jedes Mal annehmen. Ich denke, dass es um Platz zwei sehr interessant werden wird. Wer das sein wird? Ich denke, dass es möglicherweise ein Kampf zwischen Rubens Barrichello und David Coulthard werden wird."
Frage: "Und was ist mit Ralf?"
McNish: "Ich denke, dass vielleicht zu viele Kurse kommen werden, die seinem Auto nicht liegen werden. Wir haben in Budapest gesehen, dass das Auto dort nicht so gut war wie in Hockenheim. Klar, Monza und Spa kommen, das sind zwei gute Plätze für ihn, aber ich denke, dass da noch ein paar Plätze kommen werden, auf denen er Probleme haben wird."