Wer letzte Nacht am schlechtesten geschlafen hat: Rene Rast

Wie sich Rene Rast am Nürburgring komplett verzockte, warum ihn im Titelkampf nur noch ein Wunder retten kann und wieso die Zukunft dennoch in der DTM liegt

Liebe Leserinnen und Leser,

Titel-Bild zur News: Rene Rast

Nürburgring-Pleite: Entgleitet der vierte DTM-Titel Rene Rast auch dieses Jahr? Zoom

"So ist die Eifel", zuckte Teamboss Torsten Schubert mit den Schultern - und half wie gewohnt seinem Team bei grausigem Wind und Kälte beim Boxenabbau nach dem Frust-Wochenende am Nürburgring. Da war sein Starpilot Rene Rast längst über alle Berge. Und man kann es ihm nicht verdenken, dass er den Ort des Grauens zu schnell wie möglich verlassen wollte.

Denn während sich "Grello"-Pilot Thomas Preining an der Spitze der DTM-Wertung weiter absetzte, ging Rast zum zweiten Mal an einem gesamten Saison-Wochenende leer aus. Und das bei insgesamt nur acht Wochenenden. Dazu kam der Felgenbruch in Oschersleben - fünf Rennen ohne Punkte!

Dass Rast dieses Jahr ohnehin keine einfache Ausgangslage hat, war schon vor der Saison bekannt, weil er das zweite DTM-Wochenende in Zandvoort wegen der Formel E verpasste. Danach meldete er sich am Norisring mit zwei zweiten Plätzen eindrucksvoll zurück, aber jetzt fehlen ihm bei Saison-Halbzeit in der Meisterschaft auf Platz neun mit 54 Punkten schon 63 Zähler auf Preining.

Wie sich Rast und Schubert zweimal komplett verzockten

Aber wieso wurde das Nürburgring-Wochenende zur Pleite für Rast? Schon vor dem Auftakt war man im BMW-Lager alles andere als zuversichtlich, weil der Ladedruck des M4 GT3 im Vergleich zu den bisherigen Rennen deutlich reduziert worden war.

Am Ende ließ man sich aber an beiden Renntagen vom Eifel-Wetter komplett in die Irre führen. Am Samstag lag Rast nach seinem günstigen Boxenstopp in der Full-Course-Yellow-Phase auf Platz neun, doch als Renndirektor Sven Stoppe später bei stärker werdendem Regen das Safety-Car-Phase auf die Strecke schickte, versuchte sich Rast als Glücksritter.

Der Schubert-Pilot kam völlig überraschend zu einem zweiten Stopp herein und ließ Regenreifen aufziehen. Als einziger Fahrer neben Laurin Heinrich, Franck Perera und Jack Aitken.

Nicht optimales Set-up als Auslöser für Samstag-Poker

Die Entscheidung, alles zu riskieren, trafen Rast selbst und sein Renningenieur Florian Rinkes, mit dem er bei Rosberg alle drei DTM-Titel erzielte. Warum die beiden so viel aufs Spiel setzten? "Sie waren der Hoffnung, dass mehr Regen kommt", so Torsten Schubert, der selbst anders entschieden hätte, nach dem Rennen.

Der Poker war aber nachvollziehbar, denn Rasts Set-up am Samstag erwies sich zwar im Qualifying als gut, aber nicht auf die Distanz im Rennen. Das war auch der Grund, warum er trotz Startplatz neun seinen Teamkollegen Sheldon van der Linde, der von Platz 17 kam, auf trockener Strecke nicht halten konnte. Die zehn Kilogramm Erfolgsgewicht vom Norisring halfen auch nicht.


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Wäre tatsächlich mehr Regen gekommen, hätte Rast trotz des suboptimalen Set-ups zum großen Winner werden können, doch so musste er ein drittes Mal an die Box und landete am Ende des Feldes auf Platz 20.

Sonntag: Warum Schubert dem Wetter-Radar nicht vertraute

Am Sonntag stand Rast nach dem Regen-Poker im Qualifying und Startplatz zwölf mit dem Rücken zur Wand - und das Team setzte erneut auf Risiko. Der Plan: Sheldon van der Linde, der von Platz zwei startete, sollte mit Regenreifen starten, Rast hingegen als einer von wenigen mit Trockenreifen.

Denn die Strecke war teilweise feucht, eine Prognose wie üblich in der Eifel schwierig zu treffen. Wenige Minuten vor dem Start pokerte das Team dann hoch und ließ auch bei van der Linde im letzten Moment auf Slicks umstecken, obwohl das Wetter-Radar eigentlich Regen prognostizierte.

"Wir hätten vorher eigentlich schon mehr Regen haben müssen, aber aus den Wolken ist nichts rausgekommen", erklärt Schubert, der sich selbst auf dem Dach des Boxengebäudes als Wetterfrosch versuchte. "Wir haben dann gesehen, dass die Regenwolke momentan eigentlich vorbeizieht. Dass sie in den ersten Sektor reingerückt ist, war auch oben auf dem Dach nicht zu sehen."

Am Sonntag sogar überrundet

Nach dem Start fuhren die beiden Schubert-Piloten wie auf rohen Eiern, weil vor allem der erste Sektor mit der Mercedes-Arena noch nass war, ehe die Strecke abtrocknete. Als Rast endlich schneller fuhr als die Spitze, öffnete der Himmel plötzlich seine Schleusen - und spuckte dem 36-Jährigen ordentlich in die Suppe.


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Mit rund einer Minute Rückstand rettete er sich ins Boxenstopp-Fenster, das sich nach 20 Minuten Renndauer öffnete, um beim Pflichtstopp endlich die heißersehnten Regenreifen aufzuziehen. Zu holen war allerdings trotz starker Rundenzeiten nichts mehr. Rast wurde 19. und Vorletzter, verhielt sich aber bei den Überrundungen sehr fair und machte Platz.

Preining glänzt diese Saison mit Rast-Qualitäten

Ist damit der Titelkampf gelaufen? Es sind zwar noch 224 Punkte zu holen - also noch einmal so viele wie bisher, aber wenn Preining so weitermacht, dann wird es extrem schwierig. Porsche braucht unbedingt einen Erfolg - und der Österreicher glänzt diese Saison bei Manthey EMA mit Rast-Qualitäten, ist im Qualifying eine Bank: 6., 1., 10., 2., 2., 2., 2., 16.

Obwohl der ehrgeizige Linzer am Sonntag im Qualifying und im Rennen in mehrere Zwischenfälle verwickelt war, rettete er Platz fünf. Und besiegte Rast in Nürnberg im Rad-an-Rad-Duell. So wird man Meister - das weiß niemand besser als Rast.

Dazu kommt, dass auch Teamkollege Sheldon van der Linde in der Meisterschaft als Preinings direkter Verfolger 45 Punkte vor Rast liegt. Rein politisch eine spannende Situation, denn der Titelverteidiger wird von Rasts und Dennis Rosteks Pole-Promotion-Agentur betreut. Und das Schubert-Team wird sich im Titelkampf irgendwann auf einen der beiden BMW-Werksfahrer konzentrieren müssen.

Alles deutet auf Rast-Zukunft in der DTM hin

Dass Rast mit dem Kopf ohnehin nicht mehr wirklich bei der DTM ist, sondern eher bei der Formel E, stimmt übrigens nicht. Denn es deutet darauf hin, dass das McLaren-Engagement in der Elektroserie nach einer mäßig erfolgreichen Saison beendet ist und er sich 2024 voll auf BMW konzentrieren wird.

Der neue DTM-Kalender würde es ermöglichen, dass Rast neben dem LMDh-Programm in der WEC weiter in der DTM am Start ist, da es keinerlei Überschneidungen gibt. Und genau das dürfte der Plan sein.

Jetzt gilt es aber erst mal, ein Wunder in der DTM zu schaffen. Die Lausitzring-Rennen in zwei Wochen werden dafür von enormer Bedeutung sein, denn Rast muss auch Schubert-intern zeigen, dass mit ihm noch zu rechnen ist. Das ist ihm definitiv zuzutrauen, zumal er dort schon 2018 nach einem spektakulären Crash wie Phönix aus der Asche stieg.

Auch für das Schubert-Team ist die Lausitz ein guter Boden, denn dort holte Sheldon van der Linde im Vorjahr trotz Erfolgsgewicht beide Siege, was der Schlüssel zum Titel war. So ein Wochenende braucht jetzt Rast.

Sven Haidinger