Kolumne: Wenn sich die Fahrer schon formieren ...
Die Performance-Gewichte in der DTM, die Interessen der Hersteller und die Konsequenzen für die Szene: Fahrer haben es satt und reagieren geschlossen
Liebe Freunde der DTM,
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Engen Wettbewerb wird es in der DTM auch ohne Erfolgsballast geben Zoom
auch ich stehe noch unter den Eindrücken des vergangenen Wochenendes am Norisring. Viel Action, enge Entscheidungen, einiges Kleinholz und hemdsärmlige Duelle: Motorsport-Herz, was willst du mehr? Was die DTM-Teams und -Fahrer am Samstag und Sonntag in Nürnberg geboten haben, war sicherlich für jeden Besucher das Eintrittsgeld wert. Sportlich darf es gern so weitergehen, aber politisch bitteschön lieber nicht!
Die anhaltenden Diskussionen um die Performance-Gewichte und die Konsequenzen der jeweiligen Regelungen, die sich im Verlauf dieser Saison 2017 durchaus noch ein weiteres Mal verändern könnten, sind der Qualität und Professionalität der DTM in keinster Form angemessen. Das Ringen um Vorteile im Wettbewerb, das Feilschen um Regeln und das Cruisen mit Zielzeit-Vorgaben - all das erinnert mich an Szenen meiner Jugend.
Wenn wir uns früher nach der Schule auf dem Bolzplatz zum Kicken getroffen haben, ging es immer um die Verteilung der anwesenden Spieler auf die Mannschaften. Natürlich hätten die besten Fußballer am liebsten zusammen gezaubert, aber daraus hätte sich niemals ein unterhaltsames Spiel ergeben. Die Unterlegenen wären ganz schnell auf ihren coolen Bonanza-Fahrrädern heulend zu Mama gefahren. So ging es also nicht.
So wird um DTM-Regeln geschachert
So wurden halt die vermeintlich besten beiden Spieler als "Kapitäne" bestimmt. Abwechselnd durften diese beiden ihre Mitspieler aus dem Pool der vorhandenen Jungs (sorry, Mädchen waren echt nicht dabei!) auswählen. Diskussionen gab es auch bei diesem Verfahren: Wer den flinken Stürmer bekommt, muss den korpulenten und wenig talentieren Standfußballer zur Strafe gleich mit "verpflichten". So war das eben.
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Stehen unter enormem Erfolgsdruck: Dieter Gass (Audi) und Jens Marquardt (BMW) Zoom
Und eigentlich ist es heutzutage in der DTM ganz genau das gleiche Geschachere. Bereits bei der Suche nach den Feinheiten des Regelwerks eines Jahres beginnt dieses Spiel. Wenn ich diesen Wunsch erfüllt bekomme, dann mache ich anderen an anderer Stelle ein Zugeständnis. Wer meint, dass die ITR als vermeintliche Hoheit dort Einfluss hat, der hat sich geschnitten. Das machen die Hersteller unter sich aus.
Die ITR spielt in diesem gesamten Prozess genauso eine Rolle wie der Welt-Fußballverband FIFA bei unseren Kicks auf dem Bolzplatz: gar keine! Das hat der neue DTM-Boss Gerhard Berger kürzlich erfahren müssen, als er die Vertreter von Audi, BMW und Mercedes in seiner österreichischen Heimat an seinem Tisch sitzen hatte. Der Ex-Formel-1-Pilot wollte Gutes anstoßen, bekam aber die seit Jahren gelebte DTM-Realtität wie eine schallende Ohrfeige ins Gesicht.
Berger wollte keine Performance-Gewichte
Berger hätte zu gern die Performance-Gewichte verbannt. Dann hätten wir solche Diskussionen, wie sie in den vergangenen Tagen und Wochen geführt wurden, nicht mehr gehabt. Das hätte der DTM, die an jedem Rennwochenende neu erklärt werden muss, sicherlich geholfen. Aber was passierte? Zwei Hersteller hätten sich mit Bergers Plan abfinden können, aber der dritte nicht. Da im ohnehin fragilen DTM-Konstrukt schnell mal mit Ausstieg gedroht wird, bewegte man sich schließlich doch in Richtung des Fordernden.
Noch einmal: Zwei von drei DTM-Herstellern wollten nach gesicherten Informationen von 'Motorsport-Total.com' keine Performance-Gewichte mehr. Und jetzt kommt der Witz, der nur im Deutschen Tourenwagen Masters so funktionieren kann. Die Performance-Gewichte werden jetzt als "alternativlos" bezeichnet, von den Sportchefs aller drei (!) Hersteller. Wie bitte? Gut, dass einige Fahrer nicht bedingungslos der verbalen PR-Marschroute der Arbeitgeber folgen.
"Die ganze Diskussion ist aus dem Ruder geraten. Persönlich würde ich gerne die Performance-Gewichte komplett abschaffen. Dann würde es darum auch keine Streitigkeiten mehr geben, und wir könnten den Fokus auf das pure Racing legen", sagt Audi-Pilot Mattias Ekström. BMW-Mann Timo Glock stimmt zu. "Keine Zusatzgewichte und kein DRS", das sollte das Ziel für die Zukunft sein. "Wir müssen Autos haben, mit denen wir überholen können, ohne zusätzliche Systeme und Fahrhilfen. Es sollte pures Racing sein."
Fahrer geschlossen gegen Hersteller-Interessen
Warum hauen die Haudegen entgegen der Meinung ihrer jeweiligen Marken so auf den Tisch? Ganz einfach: Die Herren Glock, Ekström und Co. haben es satt. Und zwar endgültig. Recht haben sie! Audi, BMW und Mercedes haben allesamt in diesem Jahr Rennen gewonnen. Ausgerechnet die Münchener, die sich in den zurückliegenden Jahren schon mehrfach aufgrund technischer Lösungen im Nachteil sahen und Zugeständnisse bekamen, siegten auf dem Norisring gleich zweifach.
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Nimmt kein Blatt vor den Mund: BMW-Starpilot Timo Glock will fighten Zoom
Es gibt keinerlei Gründe mehr, die für ein Festhalten an den Performance-Gewichten sprechen. Das haben die Piloten erkannt. Und nun ergreifen sie Maßnahmen. Vor dem Hintergrund der nochmaligen Änderungen an den Regelungen vor den Budapest-Rennen, dem lächerlichen Zielzeitfahren am Hungaroring, der absurden Verschärfung des Funkverbots und der immensen Einschränkungen bei der Verwendung von Boxentafeln reicht es den Piloten endgültig.
Bei einem Treffen unter dem Dach der DTMDA (DTM Driver Association) verständigten sich alle 18 Fahrer der Szene, mit dem Wunsch an DMSB und ITR herantreten, die Performance-Gewichte ab sofort zu verbannen. Die Piloten agieren an ihren Arbeitgebern und deren Interessen vorbei! Das zeigt, wie es um die DTM bestellt ist. "Die ideale Lösung gibt es wohl nicht bei dem Thema", sagt Audi-Sportchef Dieter Gass. Diese Aussage offenbart, dass eine weitere Änderung der entsprechenden Regel kaum Abhilfe schaffen kann.
Hersteller wollen weitere Regeländerung
Und trotzdem will man weitermachen, die Suche nach dem heiligen Gral der Leistungsangleichung fortsetzen. "Ich halte es für erforderlich, dass man sich das Thema vor Moskau noch einmal anschaut", sagt Gass. Wenn sich alle drei Hersteller noch einmal an einen Tisch setzen, um diverse Ansätze zu diskutieren, dann sei laut Gass "die Chance am größten, dass etwas Vernünftiges dabei herauskommt". Klar, hat ja bisher bei diesem Vorgehen so wunderbar funktioniert ...
"Hört mehr auf die Fahrer!" - Diesen Hilferuf haben wir aus den Kehlen diverser Piloten in den vergangenen Jahren immer wieder gehört. Die ITR würde vermutlich gern auf die Wünsche eingehen, der DMSB entsprechende Regularien gern formulieren und umsetzen. Nur die Hersteller spielen da nicht mit. Warum? Weil das angeblich so wunderbar funktionierende System mit offener Kommunikation und ach so freundlicher Abstimmung zwischen Audi, BMW und Mercedes weitergeführt werden soll.
Die drei Marken haben die Macht in der DTM, das steht außer Zweifel. In der Gemengelage mit vielen Eitelkeiten, unterschiedlichen Zielen und verschiedenen Voraussetzungen eint die drei Sportchefs eines, das sehr entscheidend ist: Erfolgsdruck. Mercedes soll für kleines Geld große Erfolge einfahren, Audi hat aus dem jeweils schnellsten Auto der vergangenen Jahre zu wenig gemacht und für BMW ist die DTM derzeit die größte motorsportliche Bühne. Noch jedenfalls.
Wie sehr würde ich mir wünschen, dass die "kleine Revolte" der Fahrer auf fruchtbaren Boden treffen wird. Allein der Glaube fehlt mir. Auf dem Norisring war das Thema Performance-Gewichte kein großes Thema, weil Zielzeitfahren aufgrund der guten Überholmöglichkeiten nicht angebracht erschien. Aber schon in Moskau wird die Situation wieder anders sein. Es erwarten uns ein Abziehbild von Budapest und weiterer Feinschliff des Reglements. Bitte, hört doch endlich auf damit!
Viele Grüße,