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Wiegand: "Habe noch Luft nach oben"
Sepp Wiegand sorgte mit dem Klassensieg bei der Rallye Monte Carlo für eine positive Überraschung - Im Interview blickt die Nachwuchshoffnung auf seine Saison
(Motorsport-Total.com) - Sepp Wiegand ist die große deutsche Nachwuchshoffnung im Rallye-Sport. Der 22-Jährige fuhr in der abgelaufenen Saison in der WRC2 und holte sensationell den Klassensieg bei der berühmten Rallye Monte Carlo. Anschließend kämpfte der Skoda-Fahrer regelmäßig um Podestplätze und zeigte sein Talent. Im kommenden Jahr wird Wiegand in der Europameisterschaft an den Start gehen und weitere Erfahrungen auf dem Weg an die Spitze sammeln. Im Gespräch mit 'Motorsport-Total.com' blickt Wiegand auf seine Saison zurück.

© Skoda
Sepp Wiegand zählt den Klassensieg in Monte Carlo zu seinem größten Erfolg Zoom
Frage: "Sepp, wenn du auf dein Jahr zurückblickst - welche Gedanken kommen dir als erstes in den Sinn?"
Sepp Wiegand: "Schade, dass wir zwei Ausfälle hatten, für die auch das Team nichts konnte. Ansonsten hatten wir eine gute Saison. Ich bin der Meinung, dass wir immer gut gepunktet haben. Mit Monte Carlo haben wir das Highlight gleich zu Beginn gesetzt. Leider konnten wir keinen weiteren Sieg erringen, aber ansonsten waren wir bis auf die Deutschland Rallye, wo wir einen kleinen Fehler hatten, immer auf Podiumskurs. Da auch viele Rallyes für mich neu waren, war es sehr, sehr positiv."
Frage: "Du hast Monte Carlo angesprochen. Der Klassensieg kam überraschend, war aber ein großes Highlight. Wie stolz blickst du darauf zurück?"
Wiegand: "Ich werde die Rallye Monte Carlo in meiner Karriere nicht so schnell vergessen. Es war das Highlight der Saison und auch meiner bisherigen Karriere. Darauf bin ich schon sehr stolz. Ich habe diese Rallye früher im Fernsehen verfolgt. Meine Klasse dann selbst zu gewinnen, war etwas ganz Besonderes. Dazu belegte ich Gesamtplatz acht und war vor einigen WRC-Boliden."
"Besonders speziell war auch die Prüfung über den Col de Turini. Sie war extrem glatt. Ich dachte, dass ich eingeholt werde, weil es sich so langsam angefühlt hat. Kurz vor dem Col de Turini hatte ich einen WRC-Boliden eingeholt. Da wusste ich, dass es wohl doch ganz flott war. Zunächst hatte es sich aber sehr langsam angefühlt, weshalb ich laufend in den Rückspiegel gesehen und erwartet habe, dass gleich ein Schnellerer von hinten angeflogen kommt.
"Bemerkenswert war ebenfalls, dass Sebastien Loeb auch gedacht hat, er wäre so langsam unterwegs. Dass hat er anschließend bei der Pressekonferenz gesagt. Da musste ich schon schmunzeln. Das ist eine Erfahrung, die man mal gemacht haben muss. Wenn es sich dann bei diesen Bedingungen mit dem Sieg ausgeht, dann werde ich das immer in meiner Erinnerung behalten."
Potenzial mit Podestplätzen bestätigt
Frage: "Nach deinem Sieg waren die Erwartungen an dich natürlich groß. Du hast es dann mit zwei Podestplätzen in Schweden und Portugal auch bestätigt."
Wiegand: "Genau, wobei ich sagen muss, dass Schweden sehr speziell war. Die Strecken mit den vielen Kuppen setzen Erfahrung voraus. Die Reifen waren auch viel extremer. Wir hatten im Vergleich zur Rallye Monte Carlo richtige Spike-Reifen. Ich bin zuvor noch nie eine Rallye mit diesen Reifen auf Schnee gefahren. Mit dem dritten Platz haben wir aufgrund unserer Erfahrungen das Maximale herausgeholt."

© xpbimages.com
Sepp Wiegand fuhr seine zweite Saison im Skoda Fabia S2000 Zoom
"In Portugal hatte ich am Anfang einen Fehler drin, den ich bis heute bereue. Die ersten Drei lagen sehr eng beisammen. Ich war Dritter und nur rund zwei Sekunden hinter Platz zwei. Am ersten Abend gab es eine kurze Showprüfung in Lissabon. Wir sind auf Asphalt mit Schotter-Reifen gefahren. Ich wollte den Rückstand aufholen und bin dabei in die Betonabsperrung geknallt, dabei ging ein Rad zu Bruch und die Aufhängung war krumm. Das wird mir in Zukunft nicht mehr passieren, denn ich habe dabei gelernt, dass man auf einer kurzen Showprüfung keine zwei Sekunden aufholen kann. Die Rallyes sind lange genug."
"Man muss nicht auf Biegen und Brechen zwei Sekunden auf einem kurzen Showrun gutmachen. Man kann dabei nur verlieren. Ich hatte Glück, denn bei diesem Unfall hätte die Rallye auch schon vorbei sein können. Wir haben uns anschließend noch auf den dritten Platz nach vorne gekämpft."
Interesse an seiner Person steigt
Frage: "Hast du bei der Rallye Deutschland gemerkt, dass das Interesse an deiner Person immer größer wird?"
Wiegand: "Ja, man merkt es schon. Ich muss aber dazusagen, dass es bei mir in der Region bereits schon im Vorjahr der Fall war. Es sind viele Fans zur Rallye Deutschland gereist und haben mich am Streckenrand unterstützt. In diesem Jahr ist es noch etwas größer geworden. Dadurch steigt natürlich auch der Druck. Vor allem in Deutschland wollen die Leute sehen, dass ich vorne dabei bin. Mit der Konkurrenz der R5-Fahrzeuge wird es sicherlich schwieriger, aber ich habe mein Bestes gegeben. Man merkt natürlich schon den Support. Das beflügelt auch, um das Bestmögliche zu erreichen."
Frage: "Du hast angesprochen, dass du technisches Pech hattest. Auf der anderen Seite durftest du für Skoda in Tschechien starten."
Wiegand: "Die Barum-Rallye war für mich eine ganz besondere Ehre, weil ich mit dem Skoda Werksteam starten durfte. Diese Rallye kannte ich schon aus dem Vorjahr. Es ist für mich eine der anspruchsvollsten Asphalt-Rallyes, die ich bisher gefahren bin. Die Straßen in Tschechien sind eine Herausforderung an Mensch und Material. Deswegen hat es sehr viel Spaß gemacht. Dazu war es eine tolle Erfahrung, in so einem professionellen Team zu arbeiten. Für mich war es zu einem Stück auch eine Belohnung für den guten Job bei den vorangegangenen Rallyes. Es war schon eine sehr gute Erfahrung. Wir haben auch als bestes nicht-tschechisches Team ein gutes Ergebnis geholt."
Steile Lernkurve
Frage: "Du bist deine dritte volle Rallye-Saison gefahren und der Lernprozess hält weiterhin an. In welchen Bereichen hast du in diesem Jahr Fortschritte erzielt?"
Wiegand: "Für mich war es grundsätzlich meine zweite Rallye-Saison auf einem so hohen Level, denn das erste Jahr bin ich nur mit einem 120 PS-Auto in Deutschland gefahren. Das Auto und die Strecken kann man nicht mit dem Weltmeisterschafts-Standard vergleichen. Deswegen habe ich wirklich erst 2012 angefangen zu lernen, als ich erstmals international mit dem Skoda Fabia S2000 angetreten bin."

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Sepp Wiegand und Frank Christian sind ein eingespieltes Team Zoom
"Mein Aufschrieb hat sich dementsprechend weiterentwickelt. Ich habe andere Feinheiten entwickelt, die ich für mich brauche. Dazu habe ich gelernt, was dieses Fahrzeug vom Fahrstil her verlangt. Unser Motor hat keinen Turbo und verlangt hohe Drehzahlen. Das muss man natürlich lernen. Wir konnten auch den Abstand auf die Spitze von Rallye zu Rallye verkürzen. Das ist eine sehr positive Entwicklung."
Frage: "Und wie läuft die Zusammenarbeit mit deinem Co-Piloten Frank Christian? Es war euer erstes gemeinsames Jahr."
Wiegand: "In Monte Carlo hat es natürlich super funktioniert. In Schweden hatten wir kleine Rhythmus-Schwierigkeiten, weil auch der Aufschrieb neu war. Über die Saison haben wir uns zu einem perfekten Team zusammengeschweißt. Ich fühle mich mit ihm im Auto sehr wohl. Wir haben uns 1:1 gefunden. Wir freuen uns auf die kommende Saison und auf eine sehr gute Zusammenarbeit. Ich mache mir keine Sorgen und bin mir sicher, dass wir einen perfekten Job abliefern werden."
Frage: "Hast du dir für das nächste Jahr bestimmte Bereiche vorgenommen, wo du dich noch verbessern willst?"
Wiegand: "2012 sind wir in Rumänien ausgefallen, weil nach einem Reifenschaden dann auch die Aufhängung kaputt gegangen ist. Ich habe in meiner Karriere aber noch keinen Totalschaden fabriziert. Das heißt, ich habe noch Luft nach oben. Ich kann noch ein kleines Stück mehr ans Limit gehen. Außerdem entwickelt sich der Aufschrieb immer weiter. Das ruht nie. Man erkennt immer wieder Feinheiten. Der Grundaufschrieb funktioniert. Damit kommen mein Co-Pilot und ich sehr gut zurecht. Details kann man aber immer verändern. Der Rest kommt von alleine, wenn man mehr im Auto sitzt und viele Kilometer fährt."
2014 fährt Wiegand in der EM
Frage: "Du wirst im nächsten Jahr in der Europameisterschaft fahren. Du kennst einige Rallyes aus der IRC. Dein Co-Pilot kennt die meisten Rallyes nicht. Was hast du dir vorgenommen?"
Wiegand: "Ich bin sehr gespannt, wie es sich entwickeln wird. Beispielsweise kenne ich die Sibiu-Rallye von 2012. Nun ist sie aber am Saisonbeginn. Sie wird komplett auf Schnee stattfinden. Ich kenne zwar die Rallye, aber auf Eis und Schnee ist sie anders. Damit muss ich mich auf neue Gegebenheiten einstellen. Das wird natürlich auch bei anderen Rallyes der Fall sein. Grundsätzlich weiß ich, was auf mich zukommt und ich kenne die Charakteristiken der Rallyes. Ich glaube aber nicht, dass ich nach zwei Jahren einen Vorteil habe. Ganz besonders freue ich mich auf den Wettstreit mit Esapekka Lappi, mein finnischer Markenkollege ist genauso jung wie ich, sitzt im gleichen Auto und fährt sehr, sehr schnell. Zudem will ich in der Gesamtwertung weit nach vorn kommen. Platzierung kann ich nicht vorhersagen, aber wir wollen so oft wie möglich aufs Podium."

© Skoda
Im nächsten Jahr startet Wiegand mit dem Skoda Fabia in der Rallye-EM Zoom
Frage: "Skoda wird für 2015 eine R5-Version entwickeln. Was denkst du generell über diese neue Autogeneration?"
Wiegand: "Ich bin der Meinung, dass das Projekt Turbomotor die Zukunft des Rallye-Sports ist. Man kann sehen, dass diese Autos extrem gut entwickelt sind. Ich freue mich darauf, wenn Skoda den R5 im Jahr 2015 auf den Markt bringt, weil es ein sehr schnelles Fahrzeug sein wird."
Frage: "Wie schätzt du sportlich gesehen deine Chance mit dem S2000 gegen die R5-Autos ein?"
Wiegand: "Es wird sicher immer schwieriger werden. Das ist kein Geheimnis. Wer im normalen Straßenverkehr einen Turbo gefahren ist, merkt als Laie den Unterschied zu einem Saugmotor. Von daher ist ganz klar, dass es Unterschiede gibt. Grundsätzlich kommt es auf die Streckencharakteristik an. Es wird auch Strecken geben, die unserem S2000 mit Saugmotor gut liegen. Lassen wir uns überraschen wie es sich über die Saison entwickelt."
Frage: "Wie ist dein persönlicher Fahrplan über den Winter?"
Wiegand: "Eine große Winterpause wird es nicht geben. Ich werde etwas Zeit mit meiner Familie verbringen. Dann geht es schon los mit der ersten Rallye. Es wird Ende Januar die Lettland-Rallye sein. Von daher gibt es nicht viel Zeit. Ich arbeite an meiner Fitness und trainiere noch in Norwegen bei John Haugland auf Schnee und Eis. Eine Rallye fahre ich vor unserem Start in Lettland wahrscheinlich nicht mehr."

