• 10.08.2024 11:38

  • von Jason Vogel

Steyr-Puch Haflinger: Jeep auf österreichisch

Der fast vergessene Geländewagen wurde von Erich Ledwinka entworfen und hat gemeinsame Wurzeln mit dem VW Käfer: Wir zeigen seine Geschichte

(Motorsport-Total.com/Motor1) - Auf unserer Suche nach Autos mit Pferdenamen stießen wir auf ein recht seltenes Exemplar aus Österreich: den Steyr-Puch Haflinger. Ein kleiner Geländewagen und Militärfahrzeug mit sehr originellen technischen Lösungen. Doch zu seiner Geschichte ist nicht viel bekannt, zumal die Marke Steyr-Puch nicht mehr existiert.

Titel-Bild zur News: Steyr-Puch Haflinger

Steyr-Puch Haflinger, der österreichische Allrounder Zoom

Aber wir haben unseren geschätzten brasilianischen Kollegen Jason, der dem Haflinger auf den Grund gegangen ist, nachdem er im chinesischen Shenzhen (!) ein verrottetes Exemplar sah. Öffnen wir also den Vorhang und reisen in die Vergangenheit!

In den 1950er Jahren produzierte das österreichische Werk Steyr-Daimler-Puch (SDP) Diesel-Lkw, Busse und Traktoren und baute in Lizenz Fiat-Pkw zusammen. Das Unternehmen plante auch den Bau eines beliebten Kombiwagens, dessen Zweizylinder-Viertakt-Heckboxermotor von Erich Ledwinka (1904-1992) entworfen werden sollte.

Die Wurzeln lagen im Tatra V570

Erich war der Sohn des legendären Hans Ledwinka (1878-1967). Gemeinsam hatten Vater und Sohn 1933 den Tatra V570 entworfen - einen Prototyp eines aerodynamischen Volkswagens, der bereits fast alle technischen Lösungen vereinte, die später im Volkswagen von Ferdinand Porsche zum Einsatz kamen. Die Tatra-Führung zog es damals jedoch vor, das Projekt des kompakten V570 abzubrechen und seine mechanischen Konzepte in den größeren und teureren Modellen T77, T87 und T97 zu verwenden, die ebenfalls von Ledwinka entworfen wurden.

Später verklagte die Familie Ringhoffer, die Tatra bis 1945 besaß, Volkswagen jahrelang wegen der Verletzung von Patenten bei der Konstruktion des VW-Käfer-Fahrgestells und schloss 1964 einen Vergleich. Hans Ledwinka beschuldigte Ferdinand Porsche jedoch nie des Plagiats, wenn er als Zeuge geladen wurde. Tatsache ist, dass die beiden autodidaktischen Genies des Automobilbaus den gleichen Zeitgeist lebten, den Zeitgeist der Zeit. Wie Ledwinka selbst einräumte, "schaute Porsche manchmal über meine Schulter und ich manchmal über seine".

Der Käfer-Urahn Tatra V570

Der Käfer-Urahn Tatra V570 Zoom

Ferdinand Porsche und Hans Ledwinka (übrigens Freund von Felix Wankel) waren Freunde der gleichen Generation, beide in Österreich-Ungarn geboren. Sie teilten technische Konzepte, die von den Richtlinien des Meisters Edmund Rumpler inspiriert waren: Heckmotor, aerodynamische Karosserien und Pendelachsaufhängung. Paul Jaray, ein Pionier der Automobil-Aerodynamik, war ebenfalls Teil des Teams.

Österreichisches Pendat zum Willys Jeep

Es ist an der Zeit, in die 1950er Jahre zurückzukehren, als Steyr-Daimler-Puch den Bau des Volkswagens plante. Erich Ledwinka, der das Projekt leitete, entschied sich erneut für die Zweizylinder-Boxerlösung wie beim Tatra V570. Allerdings hatte der kleine Motor nun halbkugelförmige Kammern, eine geschmiedete Kurbelwelle und andere hochwertige Innenteile. Er war ein mechanisches Schmuckstück - optisch sah er aus wie ein halbierter Porsche 356 Carrera-Motor oder ein BMW-Motorradmotor mit Käfer-Luftrad.


Fotostrecke: Steyr-Puch Haflinger

Schließlich gab Steyr-Daimler-Puch jedoch auf, ein komplettes Auto neu zu bauen. Stattdessen entschied man sich, in Österreich in Lizenz den kurz zuvor auf den Markt gekommenen Fiat Nuova 500 (1957) zu produzieren - allerdings ausgestattet mit dem von Ledwinka konstruierten kleinen Boxermotor und einem Getriebe aus eigener Produktion. So entstand der Puch 500, der den originalen italienischen Nuova 500 an Leistung und Laufruhe übertraf.

Zu dieser Zeit erhielt Steyr-Daimler-Puch eine Anfrage des österreichischen Bundesheeres nach einem leichten Fahrzeug, das den Willys Jeep auf den Alpenpisten ersetzen sollte. Erneut wurde Erich Ledwinka mit der Entwicklung des neuen Geländewagens beauftragt.

Zweizylinder-Motor mit 27 PS

Er entwarf den Haflinger, benannt nach einer für Österreich typischen Rasse von kleinen, muskulösen Pferden. Der kleine Jeep vereinte mehrere Grundkonzepte des Tatra der 1930er-Jahre: den luftgekühlten Heckmotor, das röhrenförmige Mittelfahrwerk und die Vierrad-Einzelradaufhängung mit Pendelachsen.

Königin Elizabeth II. an Bord eines Haflingers in Österreich (1969)

Königin Elizabeth II. an Bord eines Haflingers in Österreich (1969) Zoom

Der Haflinger hat zwei getrennte Differentialsperren und eine Einzelradaufhängung an gegabelten Portal-Pendelhalbachsen mit Schraubenfedern rundum, sodass sich auch bei kleiner Radgröße eine große Bodenfreiheit ergibt. Jede Halbachse hat etwa 25 cm Bewegungsfreiheit, die Endübersetzung erfolgt in den Radnaben.

Der Motor war der Zweizylinder aus dem Steyr 500, allerdings mit einem von 493 cm³ auf 643 cm³ vergrößerten Hubraum. Seine stärksten Versionen leisteten 27 PS und die Höchstgeschwindigkeit betrug bestenfalls 75 km/h - aber was zählte, war die Kraft, Hindernisse zu überwinden.

Leichtigkeit war Trumpf

Der Haflinger hatte Allradantrieb: Das hinten angebrachte Fünfgang-Getriebe lief über eine Kardanwelle auf die Vorderachse. Drei Hebel zwischen den Sitzen aktivierten den Allradantrieb und ermöglichten es, die beiden Differentiale einzeln zu sperren.

An jedem Rad befand sich ein Getriebe, wie bei den VW Kübelwagen des Zweiten Weltkriegs. Dieses Getriebe ermöglichte es auch, dass die Spitze jeder Achse über der Mitte der Radnabe lag, was den Spielraum und den Federweg der mit Schraubenfedern ausgestatteten Aufhängung vergrößerte. Egal wie holprig der Weg war, die vier Reifen hatten fast immer Bodenkontakt.

Segeltuchhaube und Türen sind der einzige Schutz vor Witterungseinflüssen

Segeltuchhaube und Türen sind der einzige Schutz vor Witterungseinflüssen Zoom

Das Hauptaugenmerk lag auf der Leichtigkeit, damit der Haflinger auf den Wegen wendig ist. Die Karosserie wurde sozusagen auf eine Frontplatte reduziert - von dort bis zum Heck gab es nur eine Plattform für die Sitze und alles andere, was transportiert werden musste. Von Ende zu Ende maß das Fahrzeug 3,5 Meter.

Sein Leergewicht betrug nur 700 Kilo (100 kg weniger als ein VW Käfer), aber der kleine Geländewagen konnte zwei oder vier Soldaten und eine halbe Tonne Ladung transportieren. Im Winter bestand der einzige Schutz vor der Witterung aus einer Motorhaube aus Segeltuch und abnehmbaren Seitenteilen. Die An- und Abfahrwinkel waren außergewöhnlich, und der niedrige Schwerpunkt ermöglichte das Befahren steiler Abhänge.

Der ab 1959 produzierte kleine Haflinger wurde nicht nur vom österreichischen Bundesheer, sondern auch von der Schweiz, Australien und dem ehemaligen Zaire (heute Demokratische Republik Kongo) übernommen. In der britischen Royal Navy wurde der Haflinger als Zugmaschine für Flugzeuge auf Flugzeugträgern eingesetzt - einige waren im Falklandkrieg dabei!

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1971 brachte Steyr-Daimler-Puch den Pinzgauer auf den Markt, der ebenfalls von Erich Ledwinka entworfen wurde. Mit einem Frontmotor, viel größeren Abmessungen, besserer Leistung auf dem Rollfeld und der Möglichkeit einer 6x6-Traktion stellte das neue Modell seinen Vorgänger schnell in den Schatten. So endete die Produktion des kleinen Haflingers 1975 nach 16.647 produzierten Einheiten.

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