Es ist wie die unednlliche Geschichte: Um den Nürburgring dreht sich eine jahrelange juristische Hängepartie - Eine Übersicht vom Projekt Nürburgring 2009 bis heute
Der Nürburgring steht seit 2012 im Zentrum einer juristischen Auseinandersetzung. Bis heute ist nicht endgültig geklärt, wem die Strecke gehören darf. Es ist ein wirtschaftliches und politisches Desaster. Eine Übersicht, was passiert ist.
Die dunklen Wolken ziehen in den 2000er-Jahren auf. Der Nürburgring, nur zwischen April und Oktober durch Rennen und Touristenfahrten ertragreich, soll zu einem ganzjährigen Freizeitzentrum mit Hotelkomplex, Achterbahn, Diskothek und Restaurants ausgebaut werden, damit die Region zwölf Monate lang profitieren kann.
Kritische Stimmen gibt es von Beginn an: Es werde mit völlig unrealistischen Zahlen gerechnet. Wer kommt schon in die Eifel, um Achterbahn zu fahren oder zu feiern, wenn er das auch in Köln oder Koblenz kann? Trotzdem wird das Projekt von der Politik durchgeboxt, 2008 ist Spatenstich.
Das erste Desaster noch vor der Fertigstellung: Die Finanzierung platzt. Finanzminister Ingolf Deubel (3. von rechts) hantiert monatelang mit Geldern, die er gar nicht hat. In seiner Verzweiflung fällt er reihenweise auf Betrüger rein. Am Ende muss der Steuerzahler mit über 300 Millionen Euro einspringen.
Als Pächter für die Strecke wird zunächst Kai Richter mit seiner Firma mediinvest eingesetzt, für den Betrieb der Anlagen drumherum Jörg Lindner. Das geht gut bis 2012, als sich bewahrheitet, was viele schon gesehen hatten. Der Betrieb ist nicht rentabel, weil die Anlagen um die Strecke herum nicht ansatzweise ausgelastet werden können.
Ein Sinnbild für das Desaster ist die Achterbahn, die wegen technischer Probleme und Sicherheitsmängel nicht eröffnet werden konnte und lediglich an vier Tagen für den öffentlichen Betrieb zur Verfügung stand. Bis heute steht sie wie ein Mahnmal am Rande des Grand-Prix-Kurses.
Weil die Pächter nicht zahlen können, geht die Nürburgring GmbH insolvent. Ein Insolvenzverwalter wird eingesetzt, der den Ring nun verkaufen will. Fans und Motorsportler sind entsetzt und protestieren. Es bringt nichts, der Verkauf startet.
Völlig überraschend erhält der angesehene Automobilzulieferer Capricorn den Zuschlag, der aber im Betrieb von Rennstrecken überhaupt keine Erfahrung hat. Der Verein Ja zum Nürburgring, der ADAC, HIG und Nexovation blitzen ab. Der Kaufpreis von 77 Millionen Euro wird von vielen als zu niedrig kritisiert.
Schon bei der zweiten Rate scheitert Capricorn. Jetzt springen plötzlich russische Investoren ein, die den Nürburgring kaufen. Wieder protestieren Motorsportler vehement und ziehen sogar mit einem Autocorso durch Mainz. Es bringt nichts. Der Ring gehört nun Investoren mit Verbindungen in den Kreml.
Ob das rechtens ist, ist aber nicht klar. Denn Ja zum Nürburgring, unter anderem mit dem Vorsitzenden Otto Flimm (3. von links), und Nexovation legen Beschwerde bei der EU-Kommission ein. Diese kritisiert Beihilfen des Landes Rheinland-Pfalz, hält den Verkauf aber für rechtens. Damit muss der Rechtsweg beschritten werden.
Der "Ring" verliert wichtige Veranstaltungen wie Rock am Ring und die Formel 1. Sie sind zwar für die Region wichtig, aber nicht für die Ring-Besitzer profitabel. Man bemüht sich, mit der WEC wieder ein Premium-Event anzubieten. Die Tribünen sind voll, doch es wird kein fixes Event. Auch, weil deutsche Hersteller bald wieder aussteigen.
2016 wird Mirko Markfort Geschäftsführer der Betreibergesellschaft Nürburgring 1927 GmbH. Es gelingt ihm, endlich wieder Ruhe in die lange Zeit angespannte Situation zu bringen. Der Nürburgring kommt endlich in ruhige Gewässer, aber nur an der Oberfläche.
Denn darunter brodelt es weiter. 2019 weist das Europäische Gericht die Klage von Ja zum Nürburgring und Nexovation ab. Beide Parteien kündigen an, vor den Europäischen Gerichtshof zu ziehen.
2021 überschlagen sich die Ereignisse. Zunächst wird Ingolf Deubel nach einem jahrelangen juristischen Hin und Her letztinstanzlich zu einer Haftstrafe von zwei Jahren und drei Monaten verurteilt. Er ist der einzige Politiker, der jemals für die Affäre "Nürburgring 2009" zur Rechenschaft gezogen worden ist.
Völlig überraschend verlässt Mirko Markfort im August 2021 den Nürburgring. Er wechselt in die Arena Oberhausen. Die Nachfolge tritt eine Doppelspitze aus dem vorigen Nürburgring-Eventmanagers Ingo Böder und Christian Stephani an, dem bisherigen Chef der Vermarktungsgesellschaft der Nürburgring-Langstrecken-Serie VLN VV.
Im September explodiert dann die Bombe: Der Europäische Gerichtshof hebt das Urteil von 2019 und damit auch den Beschluss der Kommission, dass der Verkauf rechtens gewesen ist, teilweise auf. Die EU-Kommission muss ein neues Prüfverfahren zum Verkauf 2012 beginnen. Die juristische Hängepartie dauert an...
Im Zuge der russischen Invasion in der Ukraine von 2022 gerät der russische Nürburgring-Besitzer ins Visier der Behörden. Ein Innenausschuss befasst sich mit dem Thema, Konsequenzen gibt es nicht, weil der russische Investor Wiktor Charitonin nicht auf EU-Sanktionslisten steht.
Es ist wie die unednlliche Geschichte: Um den Nürburgring dreht sich eine jahrelange juristische Hängepartie - Eine Übersicht vom Projekt Nürburgring 2009 bis heute