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Ryan Briscoe im großen Exklusivinterview
Ryan Briscoe sprach in Detroit mit 'Motorsport-Total.com' ausführlich über die IndyCar-Serie, sein Penske-Team und warum es in der Formel 1 nicht geklappt hat
(Motorsport-Total.com) - Penske-Pilot Ryan Briscoe ist auch in Europa bei weitem kein Unbekannter. Der Australier gewann 2003 die Formel-3-Euroserie - unter anderem vor den Herren Christian Klien, Markus Winkelhock, Timo Glock, Nico Rosberg, Robert Doornbos, Bruno Spengler und Robert Kubica.
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Ryan Briscoe zählt zu den heißesten Zukunftsaktien der IndyCar-Serie
Ein Jahr später befand sich der Australier bei Toyota auf direktem Weg in die Formel 1. Ende der Saison 2004 wurde er zum dritten Fahrer befördert, der jeweils an den Freitagen das Auto bewegte, doch als er 2005 bei Eddie Jordan geparkt werden sollte, entschied sich Briscoe stattdessen in den USA für Chip Ganassi zu fahren.#w1#
Am 11. September 2005 überlebte der damals 23-Jährige einen furchterregenden Unfall auf dem Chicagoland Speedway, und es dauerte über ein Jahr, bis Briscoe über ein ALMS-Engagement bei Roger Penske und Porsche, sowie einem gelungenen Auftritt beim Indy 500 im Luczo-Dragon-Team von Jay Penske - Rogers jüngstem Sohn - wieder zu einem IndyCar-Kandidaten wurde.
Nun ist seine erste IndyCar-Saison in Diensten der Rot-Weißen fast vorbei. Zwei Siege in Milwaukee und Mid-Ohio hat Briscoe geholt, und 'Motorsport-Total.com' hatte am Detroit-Wochenende die Gelegenheit, sich ausführlich mit dem sympathischen Australier zu unterhalten.
Frage: "Ryan, du fährst hier in Detroit nicht nur bei den IndyCars, sondern auch in der ALMS. Was ist der Hintergrund?"
Ryan Briscoe: "Ich fahre Anfang Oktober auch das Petit-Le-Mans-Rennen in der ALMS, und da ist dies natürlich eine perfekte Gelegenheit, um ein wenig Streckenzeit im Porsche Spyder zu bekommen. Das macht natürlich ein wenig Arbeit, denn so fahre ich ja zwei Rennen an einem Wochenende. Die IndyCars benötigen schon eine Menge Zeit, aber es macht Spaß, denn so kann ich ja in beiden Serien mit den besten Teams antreten. Das ist schon eine ideale Situation."
Ereignisreiches Sonoma-Rennen
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Die IndyCar-Karriere von Ryan Briscoe zeigt einen klaren Aufwärtstrend Zoom
Frage: "Wie siehst du im Nachhinein die Ereignisse von Sonoma? Erst brennt der LKW mit zwei Rennwägen ab, ein paar Tage später fahren Helio Castroneves und du auf die Plätze eins und zwei. Ein bemerkenswerter Erfolg, oder?"
Briscoe: "Oh ja. Und vor allem war der LKW ja sehr weit weg vom Hauptquartier. Das machte natürlich jede Menge Zusatzarbeit, aber alle haben an einem Strang gezogen und alles wieder rechtzeitig vorbereiten können. Wir haben keine einzige Trainingssession versäumt, alles ging glatt. Wenn wir keinem erzählt hätten, dass wir Probleme haben, hätte es keiner bemerkt."
Frage: "Gab es da überhaupt Unterschiede zwischen deinem Backup-Auto und dem eigentlich geplanten Einsatzwagen?"
Briscoe: "Nein, denn in dem speziellen Auto, mit dem ich in Sonoma gefahren bin, bin ich auch schon vor einigen Wochen unterwegs gewesen. Es war in großen Teilen einsatzfähig. Nur eine etwas ältere Aufhängung war eingebaut, und noch einige andere Teile mussten ersetzt werden. Aber sobald das erledigt war, war die Qualität genauso gut wie üblich."
Frage: "In den letzten Runden von Sonoma machtest du nicht den Eindruck, als wolltest du Helio auf Biegen und Brechen angreifen. Täuscht dieser Eindruck oder war Helio einfach schneller?"
Briscoe: "Nein, er war das gesamte Wochenende über sehr schnell. Als er dann nach seinem letzten Boxenstopp vor mir auf die Strecke zurückkam, war es für ihn sehr wichtig, diesen Sieg zu landen. Denn das war schließlich auch die einzige Möglichkeit, die Meisterschaft offen halten zu können."
"Gleichzeitig hatte Scott Dixon einen schlechten Tag, und daher war das ein perfektes Szenario. Ich wollte daher nun wirklich nichts Dummes anstellen und versuchen den Sieg zu holen. Da gab es im großen Zusammenhang nun wirklich wichtigere Dinge."
Immer noch Lernbedarf auf den Ovalen
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Milwaukee-Sieg: Ryan Briscoe erhält die Gratulation von Roger Penske Zoom
Frage: "2008 ist es deine erste IndyCar-Saison im Team von Roger Penske. Hast du zu Saisonbeginn damit gerechnet, dass du kurz vor dem Ende schon zwei Saisonsiege auf deinem Haben-Konto verbuchen kannst?"
Briscoe: "Sicher habe ich darauf gehofft, aber wenn es dann soweit ist, dann ist das schon etwas Besonderes. Vor allem auch weil ein Oval-Sieg dabei war und das war mein erster Oval-Erfolg überhaupt. Es war ein sehr erfolgreiches Jahr, denn wenn man als Penske-Pilot nicht gewinnt, dann ist das schon hart. Insofern hat vor allem der erste Sieg eine große Last von meinen Schultern genommen."
Frage: "Nun hast du einen Oval-Sieg und einen Sieg auf einer Rundstrecke. Bist du jetzt schon einer der kompletten IndyCar-Allrounder?"
Briscoe: "Na ja, an diesem Wochenende steht ja noch ein Straßenrennen an (lacht; Anm. d. Red.). Nein ernsthaft. Auf den Ovalen muss ich noch viel lernen, aber mit jedem Rennen kommt mehr Erfahrung und auch mehr Selbstvertrauen. Ich habe das Gefühl, dass ich immer mehr aus dem Auto herausholen kann, aber da geht noch einiges. Ich hoffe, dass ich auf den Ovalen bald so gut mithalten kann, wie ich es auf den Rundstrecken gezeigt habe."
Frage: "Wie ist denn dein persönlicher Geschmack? Magst du die kleinen Ovale lieber oder liegen dir die großen Superspeedways besser?"
Briscoe: "Eigentlich mag ich sie alle. Jede Strecke ist völlig unterschiedlich, auch zwischen den Short-Tracks und den Superspeedways. Aber Milwaukee hat schon richtig Spaß gemacht, denn da konnte ich einiges aus meiner Rundkurs-Erfahrung einbringen. Man musste oft vom Gas gehen, das Auto verzögern und den Gang wechseln. Milwaukee ist sehr flach und die Art und Weise, wie du dort fährst, macht einen riesigen Unterschied."
"Aber ich mag die Superspeedways auch, denn sie sind einfach superschnell. Setup und Windschatten sind richtig entscheidend. Bevor ich aus Europa wegging, habe ich gedacht, dass Ovale simpel sind. Tritt aufs Gas und lenke nach links. Aber so ist es nicht. Es ist richtig beeindruckend, wie schwer und wie herausfordernd das alles ist."
Über die Oval-Geheimnisse
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Die IndyCar-Ovale bergen noch einige Geheimnisse für Ryan Briscoe Zoom
Frage: "Guter Punkt. Du hast die Formel-3-Euroserie gewonnen, du bist lange in einem Formel-1-Auto gefahren. Kannst du dem typischen deutschen Formel-1-Fan beschreiben, worin in den Ovalen die große Problematik steckt?"
Briscoe: "Setup. In einem Oval-Auto steckt wesentlich mehr Setuparbeit, als in einem normalen IndyCar-Auto, oder in jedem anderen Rennwagen, den ich jemals gefahren bin. Wir sprechen dabei über winzigste Veränderungen an jeder einzelnen Kurve der Strecke."
"Das Auto ist komplett asymmetrisch eingestellt, und man versucht jedes einzelne Detail an jedem einzelnen Reifen einzustellen. In der Summe addieren sich diese ganzen Kleinigkeiten dann dermaßen auf, dass dein Auto auf einem großen Oval perfekt funktionieren kann."
Frage: "Wenn es also die große Herausforderung für einen Oval-Piloten ist, das perfekte Setup hinzubekommen, ist dann auch der Fahrer mit dem größten Wissen über das jeweilige Setup am Ende an der Spitze?"
Briscoe: "Oft. Was aber noch dazu kommt, ist zu lernen, wie das Auto im Windschatten funktioniert. Man muss sich nur vor Augen führen, dass wir auf den großen Ovalen permanent weit über 300 Stundenkilometer schnell fahren. Das hat natürlich extreme Effekte in Bezug auf das Fahrverhalten im Feld."
"Die Balance des Autos verändert sich dann in den Kurven erheblich. Man sollte in der Lage sein, in den Kurven ganz unten zu fahren und man sollte gleichzeitig in der Lage sein, auch eine höhere Linie benutzen zu können. Und im Prinzip musst du ein Setup finden, mit dem du einfach mit Vollgas herumfahren kannst."
Frage: "Also geht es auch um eine mentale Komponente, dass man sich als Fahrer - wenn möglich - mehr als zu 100 Prozent auf sein Auto verlassen kann?"
Briscoe: "Ja. Absolut. Das ist zu 100 Prozent auch ein mentales Spiel."
Frage: "Wie steht es um deine Zukunft? Wie lange willst du bei den IndyCars bleiben? Wie gefällt es dir in Amerika?"
Briscoe: "Ich mag es sehr. Ich merke, dass ich mich bei den IndyCars verbessere, dass ich bei Team Penske auch dazu lerne. Ich habe die feste Absicht, solange es geht bei diesem Team zu bleiben. Es gibt noch richtig große Rennen, die ich gerne gewinnen würde und in der nächsten Saison bin ich hoffentlich auch ein Titelkandidat."
So lange es geht bei Team Penske
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Ende 2004 war der Formel-1-Weg bei Toyota für Ryan Briscoe verbaut Zoom
Frage: "Also weinst du der Formel 1 keine Tränen hinterher? Ist die Formel 1 in deinem Leben überhaupt noch ein Thema?"
Briscoe: "Nein überhaupt nicht. Ein wenig enttäuschend ist die Tatsache, dass die richtige Gelegenheit niemals kam. Aber ich muss mich bei Toyota bedanken, denn sie haben mir geholfen dorthin zu kommen, wo ich nun bin. Aber leider haben sie zu dem Zeitpunkt, an dem ich an die Formel-1-Türe geklopft habe, langfristige Verträge mit Jarno Trulli und Ralf Schumacher unterschrieben."
"Da war für mich das Timing natürlich denkbar schlecht, aber ich bedauere meine Entscheidungen definitiv nicht. Ich mache ja gerade in den USA eine tolle Karriere."
Frage: "Ryan, du kennst Europa, du kennst Deutschland. Du kennst die Formel 3 und die Formel 1. Was kannst du einem jungen deutschen Piloten empfehlen, der sich vielleicht nach der Formel 3 in Richtung IndyCars orientieren will. Was ist da zu tun?"
Briscoe: "Wenn man aus der Formel 3 in die IndyCar-Serie wechselt, dann gab es für mich einen ganz großen Unterschied. Ein Formel-3-Rennen dauert 30 Minuten, es ist ein Sprint und man gibt alles. Bei den IndyCars braucht man vor allem Geduld. Speziell auf den Ovalen darf man nicht überstürzt handeln."
"Und man sollte sich immer noch einen Trumpf in der Hosentasche aufbewahren, den man dann zur richtigen Gelegenheit auspacken kann. Das war die große Sache, die ich lernen musste. Ich musste mich selber etwas einbremsen."
Frage: "Nun bist du in den USA. Hast du dir schon einmal überlegt, auch in der NASCAR zu fahren? Dem Beispiel von Juan Pablo Montoya oder deinem Penske-Vorgänger Sam Hornish Jr. zu fòlgen?"
Briscoe: "Die NASCAR-Jungs machen hier richtig große Karrieren. Die Autos, die sie fahren, sind furchtbar, aber die Fans lieben es. Die Autos sind eine große Herausforderung und ich bin mir sicher, dass es eine große Befriedigung darstellt, wenn man gut abschneidet, denn die Dinger sind wirklich schwer zu fahren."
"Aber ich bin noch jung und fit, und ein IndyCar-Auto zu beherrschen ist ein wenig mehr körperlicher. Man ist in den Kurven einfach schneller und ich will erst einmal bei den IndyCars bestehen. Mein Ziel ist es, Rennen zu gewinnen. Deswegen fahren die Piloten auch so lange bei Penske. Sie gewinnen Rennen und solange sie das tun, bleiben sie hier. Und genau das ist auch mein Plan."