Abt am Scheideweg: GP2, IndyCars oder DTM?
Daniel Abt steht nach zwei Jahren GP2 an einem entscheidenden Wegpunkt seiner Karriere, weiß aber noch nicht, welchen Weg er einschlagen wird
(Motorsport-Total.com) - Vor zwei Jahren galt Daniel Abt noch als die große deutsche Formel-Hoffnung mit klarer Perspektive in Richtung Formel 1. In einem dramatischen Finale in Monza hatte der Kemptener den Meistertitel der GP3 nur um Haaresbreite verpasst. Es folgte der Aufstieg in die GP2, wo Abt mit ART für eines der Spitzenteams der GP2 fuhr. Doch ausgerechnet 2013 erlebten der französische Rennstall und Abt eine Katastrophen-Saison.
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Daniel Abt muss sich entscheiden, in welcher Serie er 2015 fahren will Zoom
Technische Probleme und Rennunfälle warfen Abt immer wieder zurück, am Ende seiner ersten GP2-Saison belegte der Deutsche mit elf Punkten nur Rang 22 der Gesamtwertung. 2014 sollte dann bei Hilmer, dem Überraschungsteam der Vorsaison, alles besser werden, doch erneut verlief die Saison des Teams und von Abt mehr als unglücklich. 27 Punkte und Rang 15 sind vor den Finalrennen in Abu Dhabi deutlich weniger als das, was sich Abt und Hilmer erwartet hatten.
So stellt sich für den 21-Jährigen nun die Frage, wie es weiter gehen soll. Ein möglicher Karriereschritt könnte ihn in die USA führen, wo Abt Ende des Monats für Andretti ein IndyCar testet. Doch ob aus diesem Test mehr wird, weiß er noch nicht. "Ich möchte jetzt erst einmal den Test fahren. Das wird mit Sicherheit eine geile Erfahrung, egal ob da etwas draus wird oder nicht", sagt Abt im Interview mit 'Motorsport-Total.com. "Alles andere wird man dann sehen."
Formel 1 nicht um jeden Preis
Doch was wären die Alternativen? Nahe liegend wäre ein weiteres Jahr in der GP2. Die letzten beiden Meister Jolyon Palmer (2014) und Fabio Leimer (2013) hatten immerhin auch erst im vierten Jahr in der Serie den ganz großen Durchbruch geschafft. "GP2 ist sicher eine Option", sagt Abt, "aber keine, wo ich jetzt glücklichen Herzens sagen könnte, dass das bei mir ganz oben in der Gunst stehen würde. Denn ganz unabhängig von den Ergebnissen, mit denen ich ganz sicher nicht zufrieden bin, sollte man nach der GP2 ein Ziel sehen."
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Und das sieht Abt derzeit nicht: "Momentan habe ich sodass Gefühl, dass in der GP2, egal ob man vorne oder hinten fährt, keiner irgendein Ziel hat, was das Thema Formel 1 angeht", meint er, und liegt mit dieser Einstellung nicht ganz falsch. Denn weder Leimer noch Davide Valsecchi als Champion des Jahres 2012, gelang trotz ihres Meistertitels in der GP2 der Aufstieg in die Formel 1. Und auch bei Palmer stehen die Teamchefs nicht gerade Schlange.
Den Aufstieg von der GP2 in die Formel 1 schafften in den vergangenen Jahren vielmehr Piloten wie Max Chilton oder Esteban Gutierrez, die neben durchaus vorhandenem Fahrtalent vor allem üppige Sponsorengelder mitbrachten. "Den Sprung in die Formel 1 kann man theoretisch auch von einer anderen Serie aus schaffen, man muss halt genug Sponsorengelder mitbringen", weiß auch Abt.
"DTM ist immer ein Thema"
Abgeschrieben hat er den Traum von der Formel 1 noch nicht. "Klar würde ich liebend gerne Formel 1 fahren, aber man kann dem ja nicht jahrelang stur hinterher rennen, fünf Jahre GP2 fahren, irgendwann Meister werden und dann immer noch nicht in die Formel 1 einsteigen", schätzt der Deutsche die Situation nüchtern ein. "Man muss die Sache realistisch sehen, es gibt ja noch andere Serien, die Spaß machen können."
So zum Beispiel die DTM, wo Abt bereits regelmäßig als Fahrer des Audi-Renntaxis im Einsatz war. "DTM ist natürlich auch immer ein Thema", bestätigt Abt, der hier über beste Beziehungen verfügt. Immerhin ist sein Vater Hans-Jürgen Teamchef des größten Audi-Teams in der DTM. Doch dieses "Vitamin B" will Abt junior nicht ausnutzen. "Es ist nicht so, dass ich meinen Vater bitten würde, mit Audi zu sprechen", erklärt er. "Wenn Audi kommen würde und sagen würde, dass sie einen deutschen Fahrer brauchen, dann würde ich mir das auf jeden Fall einmal ansehen. Die DTM ist sicher eine tolle Serie."
Egal ob DTM, GP2 oder IndyCar: Auf eine bestimmte Richtung festlegen möchte sich Abt zu diesem Zeitpunkt noch nicht. "Ich möchte mir im Winter die ganzen Optionen ansehen, mal etwas ausprobieren und dann hoffentlich eine richtige Entscheidung treffen."
Nur die Formel E wäre Abt zu wenig
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In der Formel E fährt Daniel Abt für das Team seines Vaters Zoom
Keine Alternative wäre für Abt, seine Motorsport-Aktivitäten nur auf die Formel E zu beschränken, wo er für das Team seines Vaters fährt. "Nur Formel E zu fahren, dazu wäre es viel zu früh. Das wäre mir schon noch zu wenig, dazu müsste das Auto noch schneller werden", sagt Abt. Dennoch hat ihm das erste Rennen der Serie im September in Peking eine Menge Spaß gemacht. "Ich war sehr angetan vom ersten Rennen. Das läuft schon in die richtige Richtung und kann sich durchaus zu etwas entwickeln", sagt er.
Die Ziellinie hatte Abt in Peking als Dritter überquert. Weil er aber zu viel Energie verbraucht hatte, wurde er auf Rang zehn zurückgestuft. "Das Ende war natürlich scheisse, aber trotzdem hat das sehr viel Spaß gemacht", sagt Abt. Ungewohnt war für den 21-Jährigen die Erfahrung, nicht im Rahmenprogramm zu fahren, sondern selber im Mittelpunkt zu stehen. "Dass man auch als Fahrer mal wieder so richtig von A-Z durchgetaktet ist und es ein Interesse gibt. Denn hier in der GP2 ist man halt ein wenig weg vom Schuss, quasi so etwas wie ein unerwünschter Begleiter. Da hat die Formel E schon echt Spaß gemacht."
Sein Engagement in der Formel E zwingt Abt in Kürze jedoch dazu, eine schwierige Entscheidung zu treffen. Denn am vorletzten November-Wochenende finden zeitgleich das Saisonfinale der GP2 in Abu Dhabi sowie das zweite Formel-E-Rennen im malaysischen Putrajaya statt. Einem seiner Teams muss Abt an diesem Wochenende einen Korb geben. Doch welchem, das hat er noch nicht entschieden. "Es ist eine schwere Entscheidung, denn egal was ich mache, ich kann mit dieser Entscheidung ja nichts gewinnen, aber ich muss sie leider treffen."