Wie mit Benetton und Renault: Flavio Briatores Masterplan für Alpine

In einem seltenen exklusiven Interview mit einer der schillerndsten Persönlichkeiten der Formel 1 legt Flavio Briatore seine Pläne dar, Alpine zum Titel zu führen

(Motorsport-Total.com) - Es stellt sich heraus, dass nicht nur die Formel-1-Organisation (FOM) einen neuen Film plant. Wenn es nach Flavio Briatore geht, arbeitet auch Alpine an einem Blockbuster, der die Geschichte des Gewinns der Formel-1-Weltmeisterschaft 2027 erzählen soll.

Titel-Bild zur News: Flavio Briatore

Flavio Briatore will "seinem" Formel-1-Team zu altem Glanz verhelfen Zoom

Briatore ist mit großen Ambitionen für das Alpine-Team zurückgekerht und träumt erneut davon, um Titel zu kämpfen. Der 74-Jährige mag heute eine schlankere und etwas gebrechlichere Version seiner selbst aus den Benetton-Tagen der 1990er Jahre sein, doch sein Hunger nach Erfolg ist ungebrochen.

Acht Monate sind vergangen, seit der umstrittene italienische Geschäftsmann als Manager eines Formel-1-Teams zurückkehrte - diesmal mit Alpine. Er kam während des Rennwochenendes in Spanien zurück, als Alpine verkündete, Renaults Formel-1-Motorenabteilung auf Eis legen zu wollen.

Einige im Fahrerlager sind der Meinung, dass er nie hätte zurückkehren dürfen, da er eine zentrale Rolle im "Crashgate"-Skandal spielte. Damals wurde Nelson Piquet jun. angeblich angewiesen, beim Grand Prix von Singapur 2008 absichtlich zu verunfallen, um das Rennergebnis zu beeinflussen - ein Rennen, das schließlich von Renaults anderem Fahrer, Fernando Alonso, gewonnen wurde.

Briatore, dessen lebenslange Formel-1-Sperre 2010 aufgehoben wurde, arbeitete in den letzten Jahren eng mit Formel-1-CEO Stefano Domenicali zusammen. In seiner aktuellen Rolle berichtet er jedoch direkt an Renault-CEO Luca de Meo.

Briatore: "Ich habe diese Team aufgebaut"

Im Gespräch mit Motorsport.com, einer Schwesterplattform von Motorsport-Total.com, hat er seine Vision für die Zukunft sowie seinen Weg zurück in die Formel 1 erläutert.

"Dieses Team, wenn wir über Alpine sprechen", sagt er, "ist dasselbe Team. Es ist das Benetton-Team, das Renault-Team, jetzt Alpine. Man ändert die Farbe der Anzüge, man verändert ein wenig die Leistung, aber es bleibt dasselbe Team."


Fotostrecke: Alle Formel-1-Autos von Renault/Alpine

"Nach 15 Jahren außerhalb der Formel 1 habe ich einige Rennen im Fernsehen verfolgt. Eines Tages rief ich Luca an. Ich sagte ihm, es tue mir leid, das Team in diesem Zustand zu sehen, weil es mein Team war. Ich habe dieses Team aufgebaut. Ich habe die Fabrik errichtet, und in diesem Gebäude wurden Weltmeisterschaften gewonnen."

"Ich wollte etwas tun. Also begannen wir zu sprechen. Wir trafen uns eines Tages in Paris. Damals war ich mit meinem Restaurant-Business beschäftigt - ich hatte 1.200 Angestellte, dann 600, weil ich 50 Prozent des Unternehmens verkauft hatte."

"Ich sagte zu Luca: 'Lass mich sehen, ob es möglich ist. Ob ich noch das gleiche Gespür habe wie früher, um dieses Team wieder zusammenzubringen.' Wir begannen zu sprechen, aber es gab eine Bedingung: Ich wollte die volle Kontrolle."

Warum die Wahl auf Oliver Oakes fiel

Briatore mag jetzt das Sagen haben, doch er wird tatkräftig von Oliver Oakes als Teamchef unterstützt. Die Veränderung der Stimmung im Team ist spürbar, seit das Duo in der vergangenen Saison Bruno Famin abgelöst hat.

"Man muss fair und transparent mit seinen Leuten sein", erklärt Briatore. "Das ist der Prozess, den wir gestartet haben. Bruno hat großartige Arbeit geleistet, um David Sanchez zu Alpine zu holen. Aber ich brauchte einen Teamchef - jemanden, der vor Ort ist."

"Die beste Option für uns war Olly. Er ist jung. Er ist ehrgeizig. Er kennt das Geschäft. Er ist ein Teamplayer. Er geht gut mit den Leuten um. Und er wohnt 20 Minuten von der Fabrik entfernt."

Flavio Briatore, Oliver Oakes

Das neue Duo bei Alpine: Flavio Briatore (links) und Oliver Oakes Zoom

"Wenn man ein Haus baut, braucht man ein solides Fundament. Es hat keinen Sinn, einfach ein verdammtes Dach draufzusetzen, wenn danach alles zusammenbricht. Das Fundament wurde gelegt, und nach und nach haben wir weitergebaut. Wir haben mehr Leute eingestellt, und das Team begann, an Glaubwürdigkeit zu gewinnen."

"Es ist ein Prozess. Wir haben neue Sponsoren gefunden und angefangen, nach Fahrern zu suchen. Letztlich bin ich zurückgekommen, weil ich glaube, dass ich die Möglichkeit habe, das Team zu umzukrempeln", erklärt Briatore.

2026 soll Alpine wieder Rennen gewinnen

Aber wie lange wird es dauern, das Team umzukrempeln? Schließlich hat McLaren den Maßstab gesetzt, wie man sich von einem Mittelfeldteam zum Titelanwärter entwickelt.

"Zwei oder drei Wochen!", sagt Briatore lachend. Doch man merkt, dass er es nur halb im Scherz meint. "Diese Saison ist wichtig, weil wir uns auf 2026 vorbereiten müssen - dann müssen wir anfangen, Rennen zu gewinnen."

"2026 haben wir den Mercedes-Motor, und in der Zwischenzeit müssen wir unser Team mit erfahrenen Leuten verstärken. Es ist dasselbe wie damals bei Benetton. Damals sagten die Leute, wir seien nur ein T-Shirt-Hersteller. Doch als wir anfingen, Rennen zu gewinnen, wollte jeder Teil des Teams sein, und plötzlich nahm man uns ernst. Genau wie später bei Renault."

"Wenn alle zusammenarbeiten, glaube ich, dass es 2026 möglich ist, Rennen zu gewinnen - und 2027 um die Meisterschaft zu kämpfen", skizziert Briatore die Ziele.

Eine der offenen Fragen im Winter war, welche Fahrer das Team in Richtung Titel führen sollen. Pierre Gasly und Jack Doohan werden nächste Woche das Auftaktrennen in Melbourne bestreiten, aber Alpine verfügt über eine Vielzahl an Reservefahrern - darunter Paul Aron, Ryo Hirakawa und Franco Colapinto.


Fotostrecke: Formel-1-Fahrer, die bei Alpine/Renault ihr Debüt gefeiert haben

Briatore geht pragmatisch an die Sache heran: Es ist klar, dass Alpine genügend Alternativen hat, falls ein Fahrer nicht liefert. Er will wieder gewinnen und seinen Erfolg mit Benetton und Renault in einer neuen Ära mit Alpine wiederholen.

Der Italiener erklärt- mit einem Verweis auf den kommenden Formel-1-Film mit Brad Pitt: "Für mich ist die Formel 1 wie das Führen eines Restaurants. Es ist dasselbe. Man führt Menschen. Wir müssen sicherstellen, dass 1.000 Leute in der Fabrik arbeiten - ich trage Verantwortung für ihre Gehälter."

"Ich tue lieber das Beste für das Team. Wenn man zwei Fahrer hat, wählt man zwischen zwei Fahrern. Wenn man fünf hat, wählt man zwischen fünf."

"Von den Leuten in der Fabrik kannte ich, als ich ankam, vielleicht 20 Prozent. Aber diese Leute erinnern sich an die Siege mit Fernando Alonso. Ich sehe immer noch die Qualität des Teams. Das Problem war die Frustration über die Art, wie es geführt wurde. Man muss alle unter einem Dach vereinen."

"Das haben wir mit Benetton gemacht. Das haben wir mit Renault gemacht. Wenn man sich Benetton anschaut - Renault war der gleiche Film, nur mit einem anderen Hauptdarsteller. Bei Benetton war es Michael Schumacher. Bei Renault war es Fernando Alonso. Jetzt müssen wir einen neuen Film drehen. Aber wer der Hauptdarsteller sein wird, wissen wir noch nicht."