Was vom "American Dream" übrig bleibt
Die erste Kolumne von Pit Lane auf 'Motorsport-Total.com': Über Ken Andersons "Luftschloss" made in America und den Beschiss an Chad Hurley
Liebe Freunde des Motorsports im Internet,
© MST
Daumen runter: Wie mir gesteckt wird, hat Ken Anderson aber richtig Mist gebaut...
ich sage euch ganz ehrlich: Dass ich mir mit 53 noch einmal das Internet antun würde, hätte ich vor ein paar Monaten auch noch nicht geglaubt! Aber Racing im Allgemeinen und die Formel 1 im Besonderen sind eben unberechenbar. Das gilt nicht nur für mich (Wer mich besser kennenlernen möchte, soll doch bitte meine Facebook-Seite besuchen!) und meine neue Kolumne auf 'Motorsport-Total.com'. Denn Hand auf's Herz, hättet ihr vor einem Jahr wirklich vorhersagen können, was die vergangenen Monate alles passiert ist?
Dass sich mit Lotus und Brabham gleich zwei große Namen um eine Rückkehr in die Formel 1 bewerben würden? Dass Jenson Button (Ja, ich bin bekennender Fan!) als amtierender Weltmeister bei McLaren landet? Dass Mercedes die McLaren-Anteile verkauft, ein eigenes Werksteam gründet und Michael Schumacher zurückholt? Zugegeben, ich hatte so meine Troubles mit "Schuey", als er in Adelaide 1994 meinen Hero Damon Hill abgeschossen hat, aber das ist lange her. Sein Comeback finde selbst ich irgendwie cool.#w1#
Denn eines ist nicht von der Hand zu weisen: In Deutschland werden alle Schumacher schauen, um zu sehen, wie er gewinnt, während überall sonst die meisten Fans hoffen werden, ihn verlieren zu sehen. Aber kalt lässt Schumacher bestimmt niemanden!
Reporter, bleib bei deinem Leisten!
Anyway, während in Europa die Vorfreude auf die neue Saison mit jedem Tag steigt, herrscht in Charlotte Katerstimmung. Das US-F1-Projekt, das meine neuen Kollegen bei 'Motorsport-Total.com' am 4. Februar an die Öffentlichkeit gebracht haben, ist sozusagen klinisch tot. Selbst Peter Windsor, ein Reporter, der den Laden gemeinsam mit Ken Anderson hochziehen wollte, ist am vergangenen Freitag abgesprungen. Mir wird gesagt: "Windsor ist draußen. Er wird sich an Chad Hurley anhängen, um dort einen Job zu ergattern, wenn der etwas macht."
© Dieter Rencken
Die beiden Partner Ken Anderson und Peter Windsor haben sich zerstritten Zoom
Hurley wer? Right, das ist der Typ, der 2006 beim Verkauf von YouTube an Google gut 250 Millionen Euro gemacht hat. Großteils allerdings in Google-Anteilen. Hurley war Hauptinvestor bei US F1, sieht aber im Nachhinein ein, dass das ein Himmelfahrtskommando war. "Chad Hurley hat viel Geld investiert und wurde über den Tisch gezogen. Das hat er nicht verdient, denn die Fehlentscheidungen hat Ken Anderson getroffen", steckt mir ein Insider.
Weil Hurley seine Felle davonschwimmen sah, schickte er am 9. Februar Günther Steiner und seinen Vertrauten Parris Mullins zu Dallara nach Parma, um sich das dortige Chassisprojekt einmal anzuschauen. Steiner hatte Hurley geraten, sich nach Alternativen umzusehen, weil in Charlotte so bald kein fertiges Formel-1-Auto entstehen wird. Doch am 15. Februar war die Idee, das Dallara-Chassis zu kaufen, wieder vom Tisch, weil José Ramón Carabante ein paar Millionen Euro auf den Tisch legte und damit das bis zum Hals in Schwierigkeiten steckende Campos-Team in letzter Minute rettete.
Über Hurley wird gesagt: "Der Mann ist intelligent genug, um zu erkennen: 'Ich schaue mir das mal an, ob ich irgendwo einen Deal machen kann, um zumindest einen Teil meiner Investitionen zu retten. Dann mache ich weiter!' Er möchte gerne in der Formel 1 bleiben, aber er muss nicht." So entstand die Idee, dass Hurley bei Campos andocken könnte. Sogar Zoran Stefanovic hat er schon angerufen, aber im Moment sieht es nicht danach aus, als würde sich daraus etwas ergeben. Hurley hat sich in der Formel 1 die Finger verbrannt. Es scheint, dass er doch nicht noch einmal ins Feuer greifen wird.
YouTube-Videos sind eben nicht alles
Zur 'New York Times' sagt US-F1-Teamchef Anderson immer noch: "Nicht in Bahrain zu sein, ist keine Option!" Wie bitte, Ken? Du hast nur ein halb fertiges Monocoque, eine Imitation des (nicht vollständig bezahlten) Cosworth-V8-Motors, ein Getriebe, das noch nicht einmal aus dem Metallblock gefräst ist, und zwei Partner/Investoren (Windsor und Hurley), die stinksauer auf dich sind. Viele deiner Mitarbeiter in Charlotte warten auf ihre Kohle, werden ihre Jobs verlieren - oder haben sich schon aus dem Staub gemacht, wie zum Beispiel Brian Bonner. Sorry, wenn wir dir nicht mehr bedingungslos glauben...
© US F1
Die US-F1-Fabrik in Charlotte steht zum Verkauf, allerdings samt Mietvertrag Zoom
Als "Luftschloss" bezeichnet jemand, der es wissen muss, das, was in Charlotte aufgebaut wurde und nun gerade zerfällt. Mit Falcon hat Anderson so ein Ding in der IRL auch schon mal abgezogen - 2002, wenn ich mich nicht irre. Aber das ist eine andere Geschichte. Und selbst die argentinische Regierung ist not amused, weil die schon Geld überwiesen (830.000 von insgesamt zwei Millionen US-Dollar, wie ich lese) hatten, um ihren "Pechito", José María López, in der Formel 1 zu sehen.
Apropos López: Dessen Manager Felipe McGough kontrolliert "zufällig" die argentinischen TV-Rechte und hat daher ein großes Interesse, seinen Schützling irgendwo in der Formel 1 unterzubringen, wenn es schon bei US F1 nicht klappt. Diese Woche hat sich McGough daher in London mit Bernie Ecclestone getroffen, um die Lage zu sondieren. Denn wenn ich euch sage, dass Bernie immer dabei ist, wenn es wo ein paar Pfund, pardon, Euro, zu verdienen gibt, dann ist das wohl keine große Enthüllung.
Schließlich braucht der arme Bernie nach der Scheidung von Slavica genug Moneten, um auch seine Neue, die rassige Brasilianerin Fabiana Flosi, bei Laune zu halten. Die ist um 48 Jahre jünger als er. Bernie bringt's eben - Respect!
Was soll's, c'est la vie!
PS: Für mich ist der Job hier wie eingangs erwähnt neu, insofern würde ich mich mega über Feedback oder auch Kritik freuen. Was gefällt euch an meiner Kolumne, was weniger? Worüber soll ich beim nächsten Mal schreiben? Wenn euch da was auf der Leber brennt oder ihr einfach ein bisschen über Racing diskutieren wollt, dann kommt doch auf meine Facebook-Seite! Ich freue mich jedenfalls riesig, dass ich in Zukunft hier schreiben werde - und ich hoffe, die Freude ist gegenseitig...