Vasselon: "Eine sehr spezielle Strecke"
Toyota-Chefkonstrukteur Pascal Vasselon über die speziellen technischen Anforderungen in Montréal - Wer gut bremst, gewinnt
(Motorsport-Total.com) - Wer besser bremst, wird schneller sein - so paradox es auch klingen mag. Die Highspeed-Strecke in Montréal stellt die Formel-1-Techniker vor ganz besondere Herausforderungen. Der Kurs bietet zwar auf der einen Seite lange Geraden, erfordert aber im Gegenzug in den kurvigen Passagen viel Abtrieb. Die harten Randsteine der Strecke sind ebenso ein Thema - das Hauptaugenmerk liegt allerdings auf den Bremsen. Nirgends werden die Bremsscheiben der Formel-1-Boliden so heiß wie in Kanada, die Kühlung der Anlagen wird einer der Schlüsselfaktoren sein, verriet Toyota-Chefkonsturkteur Pascal Vasselon im Teaminterview.

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Pascal Vasselon kündigte eine neue Bremsanlage für den Toyota an
Frage: "Wie würden Sie die Anforderungen beschreiben, die Montreal an das Fahrzeug stellt?"
Vasselon: "Die Strecke stellt in vielen Bereichen sehr spezielle Anforderungen und hat mit einem Durchschnittskurs wenig gemeinsam. Das beginnt schon mit der Aero-Konfiguration. Die meisten Kurven sind langsam oder mittelschnell, was eigentlich nach einem starken Abtrieb verlangt, damit hat man dann aber einen zu großen Luftwiderstand auf den langen Geraden. Wir müssen also Kompromisse machen. Die Reifen haben es schwer, weil der Grip der Strecke sehr niedrig ist, so dass die Querbeanspruchung sehr niedrig ist, eine der niedrigsten in der ganzen Saison, während die Zugkraft-Anforderungen sehr streng sind. Daher haben die Vorderreifen in Montreal normalerweise ein leichtes Leben, während es für die Hinterreifen schwer wird."#w1#
"Hinzu kommen noch die Curbs, denn zum klassischen Profil dieser Strecke gehören sehr aggressive Curbs. Es scheint, dass man sich jetzt stärker an normale Verhältnisse angenähert hat, denn die aggressivsten dieser Curbs, vor allem in Kurve acht, sind für diese Saison überarbeitet worden. Die Curbs sind deshalb noch eine unbekannte Größe und es kann sein, dass sie keine so große Rolle mehr spielen. Für die Bremsen allerdings ist dies schlichtweg der anspruchsvollste Kurs im Rennkalender in Bezug auf Kühlung und Verschleiß."
Bremsen: schnell heiß, langsam kühl

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In Montréal erreichen die Bremsscheiben Temperaturen von bis zu 1.000 Grad Zoom
Frage: "Warum ist die Kühlung der Bremsen ein so großes Thema in Montreal?"
Vasselon: "Was die Kühlung der Bremsen in Montreal zu einem speziellen Thema macht, ist die Durchschnittsgeschwindigkeit, und das kann man sehen, wenn man sie mit Monza vergleicht. In Montreal ist die Bremsenergie hoch, aber nicht so hoch wie in Monza. Trotzdem ist die Bremsenkühlung ein größeres Problem. Man hat eine hohe Spitzengeschwindigkeit und viel hartes Bremsen, aber auch so viele langsame Kurven, dass die Durchschnittsgeschwindigkeit am Ende im mittleren Bereich liegt, wenn man sie mit anderen Strecken vergleicht. Hier besteht ein wesentlicher Unterschied zu Monza, wo man hartes Bremsen hat, aber die höchste Durchschnittsgeschwindigkeit der Saison, so dass die Kühlung kein Problem ist."
Frage: "Wie stark unterscheidet sich ein Auto für Montreal von der Spezifikation für Monaco?"
Vasselon: "Bei der Aufhängung kann man mit einem Setup wie für Monaco beginnen und dieses dann verfeinern. In Bezug auf die Aerodynamik ist dies aber absolut unmöglich, weil man durch die langen Geraden gezwungen ist, auf ein mittleres bis niedriges Abtriebsniveau zu gehen. Aerodynamisch fahren wir also mit weniger Abtrieb als in Monaco."
Frage: "Wird es im Auto für Montreal etwas Neues geben?"
Vasselon: "Zu diesem Rennen treten wir mit einer Weiterentwicklung beim Bremssystem an. Die Bremsen und die Bremsstabilität sind ganz klar Schlüsselfaktoren in Montreal, weshalb wir hierzu etwas haben werden."
Frage: "Ist es ein Problem, dass der Montreal-Test auf dem Testgelände in Paul Ricard verregnet ist?"
Vasselon: "Ja, das war definitiv nicht ideal für uns, aber das gilt ja auch für die anderen; das ist das Schöne an unserer Testing-Vereinbarung. Wir sind darauf bedacht, alle zusammen zu denselben Strecken zu gehen und Wetterprobleme gemeinsam durchzustehen. Auf dem Paul Ricard waren wir früh am Morgen gleich startklar und konnten noch eine Reihe von Runs mit voller Montreal-Ausrüstung fahren, was uns die Gelegenheit gab, die meisten der wichtigen Aero-Daten zu sammeln, die wir für Montreal benötigten."
Monaco bereits abgehakt
Frage: "Was ist in Monaco passiert?"
Vasselon: "Es war ein Rennen, das man einfach vergessen sollte. Wir hatten ein wettbewerbsstarkes Qualifying, einen sehr schnellen Start mit beiden Wagen und beide waren in den Eröffnungsrunden gut platziert, auf den Plätzen sieben und acht. Dann führten unvorhergesehene Umstände dazu, dass unsere Autos auf Extrem-Regenreifen wechselten - Timo brach sich in einem Crash den Frontflügel und Jarno hatte Schwierigkeiten, die Standard-Wets auf Temperatur zu halten. Angesichts der Wetterprognose war die Umrüstung auf Extrem-Wets eine sehr gute Option, wir lagen damit aber schief, weil aus dem erwarteten Schauer nur ein paar Tropfen wurden."
Frage: "Genießen Sie Montreal?"
Vasselon: "Mit Monaco und Montreal liegen zwei der vergnüglichsten Rennen der Saison direkt hintereinander. Das Fantastische an Montreal ist die Nähe einer Stadt, die unsere Formel 1 so warmherzig willkommen heißt. Die Atmosphäre dort ist die ganze Woche hindurch unglaublich und die Fans sind so begeistert für den Grand Prix; so macht es wirklich Spaß, dort zu arbeiten."
Frage: "Was erwarten Sie sich vom Großen Preis von Kanada?"
Vasselon: "Im letzten Jahr war unsere Performance durch ein Upright-Problem auf den Curbs beeinträchtigt und die Umstände des Rennens waren ziemlich chaotisch. Wir erwarten dieses Mal ein problemloser verlaufendes Wochenende und sehen eine gute Chance, mit beiden Autos in die Punkte zu fahren."

