Surer fordert Punkteabzug für Ferrari

Marc Surer und Nick Heidfeld fordern in der Stallorder-Affäre weitere Konsequenzen, während sich Sebastian Vettel eine Zehn-Sekunden-Strafe wünscht

(Motorsport-Total.com) - Marc Surer findet, dass die 100.000-Dollar-Strafe, die wegen der offensichtlichen Stallorder von Hockenheim gegen Ferrari verhängt wurde, zu mild ist. Daher hofft der 'Motorsport-Total.com'-Experte, dass der Motorsport-Weltrat der FIA weitere Sanktionen gegen den Traditionsrennstall verhängen wird.

Titel-Bild zur News: Marc Surer

Marc Surer hofft, dass das Team bestraft wird, die beiden Fahrer aber nicht

"Ich hoffe, dass das nur der erste Schritt war", sagt er bei 'Servus TV' über die Entscheidung der vier Rennkommissare in Hockenheim, "denn wenn man weiß, dass eine Teamorder 100.000 Dollar kostet, dann nimmt man den Scheck zum nächsten Rennen gleich mit. Das wird bei Red Bull und McLaren auch irgendwann der Fall sein, dass sie es brauchen. So weiß man, dass der Scheck schon ausgestellt ist, und man legt ihn gleich der Rennleitung hin, wenn man eine Stallorder macht."#w1#

"Das kann es nicht sein", hofft Surer daher, dass der Weltrat hart durchgreifen wird. "Wir haben ein klares Reglement. Es muss eine Strafe sein, die wehtut, aber ich bin dagegen, dass ein Fahrer bestraft wird, denn die können am wenigsten dafür. Der eine wurde gezwungen - und dass der andere vorbeifährt, wenn der vom Gas geht, ist auch logisch. Also muss man das Team so bestrafen, dass es wehtut - also eigentlich: Punkte weg für das Team!"

Konstrukteurs-Punkteabzug wäre nicht neu

So eine Bestrafung hat es in der Formel-1-Geschichte schon mehrfach gegeben, unter anderem in Brasilien 1995, als Michael Schumacher und David Coulthard trotz einer Abweichung beim "Benzin-Fingerabdruck" die Fahrerpunkte behalten durften und nur die Konstrukteurszähler gestrichen wurden, oder auch in Österreich 2000, als McLaren für ein fehlendes Elektronik-Prüfsiegel bestraft wurde, Mika Häkkinen aber Sieger blieb.

Eine extrem hohe Geldstrafe, wie sie 2007 in der Spionageaffäre gegen McLaren-Mercedes ausgesprochen wurde, hält Surer nicht für zielführend: "Die 100 Millionen waren glaube ich einmalig in der Sportgeschichte und ich hoffe, dass es das nicht noch einmal gibt, denn das war ein bisschen unsinnig", so der ehemalige Formel-1-Pilot. "Aber Punkte tun weh, weil die Teams ja auch untereinander kämpfen. Dann überlegt man es sich zweimal."

¿pbvin|512|2963||0|1pb¿Sebastian Vettel hätte - augenzwinkernd - "viel lieber, dass beide eine Zehn-Sekunden-Strafe bekommen", denn das würde ihn nachträglich zum Sieger machen und zehn Extrapunkte für die Weltmeisterschaft bedeuten. Grundsätzlich wünscht er sich aber schon, dass Ferrari nicht ungeschoren davonkommt, denn: "Was im Reglement steht, ist eindeutig. Man darf auch nicht unter gelber Flagge überholen. Wenn es doch jemand tut, gibt es eine Strafe."

Nick Heidfeld findet, dass es auf den Blickwinkel ankommt: "Es gab seit 2002 andere Situationen, die ähnlich waren. Da ist es auch schwierig für die Teams, zu wissen, wie streng dieses Reglement gesehen wird, wie weit man sich in den grauen Bereich vorwagen darf", erklärt der Mercedes-Testfahrer. "In Schanghai hat Kimi Räikkönen 2008 nach dem Rennen sogar gesagt, dass er Felipe vorbeigelassen hat. Und was ist passiert? Nichts!"

Heidfeld fordert harte Präzedenzstrafe

"Da schauen natürlich alle Teams zu und denken sich: 'Dann kann man es ja machen.' Ich denke, es ist ganz wichtig, dass die Bestrafung konstant ist, wenn man ein Reglement hat. Wenn nicht bestraft wird, werden die Teams das natürlich ausnutzen. Ich denke, es ist sehr schwierig, da eine Lösung zu finden, die für alle gut ist. Aber wenn es ein Reglement gibt, dann muss es hart durchgesetzt werden", fordert Heidfeld im Rahmen einer Talkshow am Hangar-7 in Salzburg.

Der Deutsche war in Montréal 2008 übrigens auch selbst schon mal Opfer einer Stallregie, denn beim legendären Doppelsieg von BMW hätte er dank seiner Einstoppstrategie die Chance gehabt, den Grand Prix zu gewinnen. Heidfeld wurde aber vom Kommandostand instruiert, Robert Kubica durchzulassen, damit der Pole seine Zweistoppstrategie entfalten kann. Das war letztendlich die Entscheidung im Rennen.


Fotos: Ferrari, Großer Preis von Deutschland, Sonntag


Aber: "Die Situation war ein bisschen anders", relativiert Heidfeld Vergleiche mit dem Ferrari-Szenario von Hockenheim. "Wenn ich es Robert nicht besonders einfach gemacht hätte, an mir vorbeizukommen, wären wir nicht als Erster und Zweiter ins Ziel gekommen. Ich wäre auf eins ins Ziel gekommen, was mir natürlich sehr lieb gewesen wäre, aber er nur auf fünf oder sechs. Da ist natürlich klar, dass das dem Team nicht so gut gepasst hätte."

Interessant ist, dass Hockenheim das erste Rennwochenende der Formel-1-Geschichte war, an dem die Teams keine Gelegenheit mehr hatten, eine Veröffentlichung ihrer Funksprüche zu verhindern. Daher kam noch am Sonntag im Fahrerlager in Journalistenkreisen die Theorie auf, dass Felipe Massa und sein Renningenieur Rob Smedley einfach darauf vergessen haben könnten, dass die ganze Welt zuhört.

Hat Smedley absichtlich gepatzt?

Daran glaubt Surer nicht: "Ich glaube, Rob Smedley hat es absichtlich ein bisschen offensichtlich gemacht, weil es seinen Fahrer anging und es ihn gestört hat, dass der jetzt zurückstecken muss", vermutet der Experte. "Wir dürfen nicht vergessen: Es ist für Massa genau ein Jahr her, seit er verunglückt ist, und er hätte das Rennen gewinnen können. Dass er genau dieses Rennen nicht gewinnen darf, tut auch dem Ingenieur weh."

"Auf der Strecke macht man sich weniger Gedanken darüber, dass das die Leute vielleicht hören könnten." Sebastian Vettel

"Einzelne Funksprüche wurden ja vorher schon freigegeben", fügt Vettel an. Er kann sich durchaus vorstellen, dass sich Ferrari der neuen Funkspruch-Regelung nicht bewusst war: "Auf der Strecke macht man sich weniger Gedanken darüber, dass das die Leute vielleicht hören könnten. Man flucht ja teilweise auch, wenn es vielleicht nicht so läuft - das ist dann immer mit einem schönen Piep unterlegt -, von daher denkt man da überhaupt nicht dran."

Der 23-Jährige kann auch gut nachvollziehen, was auf das Ferrari-Team nun einbricht, denn Red Bull musste sich nach der Kollision in Istanbul auch einiges gefallen lassen: "Was bei uns passiert ist, ist Rennsport. Sowas kann passieren. Wenn es unter Teamkollegen passiert, sieht es extrem doof aus und man muss danach eine Menge einstecken, aber wie gesagt: That's Racing! Jeder versucht, für sich das Beste herauszuholen. Manchmal ist man sich nicht einer Meinung und dann kracht es halt."

"Ich weiß nicht, was das Bessere ist", sagt er. "Im Endeffekt fährt man für das Team und für die Meisterschaft. Es kommt wirklich drauf an, von welcher Position man es betrachtet. Man kann es so sehen als Zuschauer, Fan, ehrlicher Sportsmann, und sagen, das war nicht richtig. Auf der anderen Seite, wie es Michael treffend formuliert hat: Wenn du am Ende des Jahres dastehst und die Weltmeisterschaft um zwei, drei Punkte verpasst, dann stehst du auch als Idiot da..."