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Pirelli: "Maximal 15 Runden" auf den weicheren Reifen
Beim Großen Preis von Indien erwartet Formel-1-Lieferant Pirelli mindestens zwei Reifenwechsel pro Fahrer - Welche Reifenstrategie ist erfolgsversprechender?
(Motorsport-Total.com) - Zuerst auf Soft? Oder doch besser auf Hard? Das ist die große Frage in Indien. Denn die Formel-1-Reifen von Pirelli lassen in Indien zwei unterschiedliche Strategien zu. Der Clou dabei ist: Niemand weiß genau, welche Taktik erfolgsversprechender ist. Einig sind sich die Beteiligten aber darin, dass der Große Preis auf dem Buddh International Circuit jede Menge Spielraum für taktische Fehler bietet.
© xpbimages.com
Nicht mehr ganz taufrisch: Ein Pirelli-Reifen, der in Indien einige Runden hinter sich hat Zoom
Das hat sich schon in der Qualifikation gezeigt, als sich Romain Grosjean (Lotus) mit der härteren Mischung verzockte und bereits in Q1 ausschied. Sein Lotus-Team hatte die Situation unterschätzt und bezahlte einen hohen Preis dafür. Sebastian Vettel (Red Bull) machte es besser - und steht mit einer neuen absoluten Bestzeit in Indien zum dritten Mal in drei Jahren auf der Pole-Position.
So weit, so gut. Denn richtig knifflig wird es erst jetzt, wie Paul Hembery, Motorsport-Direktor bei Formel-1-Lieferant Pirelli erklärt: "Wenn es darum geht, die Strategie für das Rennen zu entwickeln, müssen die Fahrer die optimale Balance zwischen dem höheren Speed der weichen Slicks und der längeren Haltbarkeit der Mediums finden." Und dieser Kompromiss sieht sehr unterschiedlich aus.
Wer weich bereift ist, muss früh stoppen
Aus den Top 10 haben sich nämlich "nur" sechs Piloten für die herkömmliche Taktik entschieden und sind mit den weicheren Pneus gefahren. Die restlichen vier Fahrer wählten die andere Variante, womit sich vor allem Mark Webber (Red Bull) in eine gute Ausgangsposition gefahren hat: Er startet von Platz vier, aber mit der härteren Reifenmischung. Das könnte sich im Rennen als Goldgriff erweisen.
Die Haltbarkeit der weicheren Reifen ist nämlich begrenzt. "Sie werden maximal 15 Runden halten", meint Hembery. Die Fahrer sind da aber ganz anderer Meinung. Adrian Sutil (Force India) schätzt zum Beispiel, dass die Soft-Mischung an seinem Auto höchstens "fünf bis zehn Runden" mitmacht. Jenson Button (McLaren) rechnet sogar damit, dass bereits "nach fünf, sechs Runden" Schluss sein wird.
Und dann müssen diese Pneus unbedingt runter vom Auto, weil sie den Anforderungen des Buddh International Circuit nicht mehr gewachsen sind. Der Grund: Speziell in den schnellen Kurven der Strecke werfen die Reifen schon nach wenigen Runden Blasen, auch Graining tritt auf. "Das ist ein richtiges Problem", sagt Formel-1-Experte Marc Surer. Der weichere Reifen könnte zur Stolperfalle werden.
Ein "typisch enges Rennen" in Indien?
Weisen die Reifen erst einmal eines dieser Phänomene auf, ist es meist schon zu spät, wie Red-Bull-Konsulent Helmut Marko erklärt. "Wenn man spät wechselt, kann man hier bis zu fünf Sekunden pro Runde verlieren, weil der Reifen drastisch und ohne Vorwarnung abbaut. Entscheidend ist also, wann man wechselt", meint der frühere Formel-1-Pilot. Doch dafür gibt es in Indien kein klares "Schema F".
"Die Teams werden uns zahlreiche Taktiken präsentieren, die ihnen die Reifenstrategie ermöglicht", sagt Hembery. Er und seine Pirelli-Mannschaft gehen aber von relativ normalen "zwei bis drei Stopps" pro Fahrer aus. "Wir erwarten wieder ein für diese Saison typisches enges Rennen", so der Brite. Es könnte also auf einen echten Strategiekrimi hinauslaufen. Dem haben einige Teams schon vorgegriffen.
"Etliche Rennställe haben ihre Strategien aufgesplittet, um sämtliche Möglichkeiten berücksichtigen zu können", erklärt Hembery. So zum Beispiel Red Bull mit Vettel (Soft) und Webber (Hard), die sich beide gute Siegchancen ausrechnen dürfen. Auch Ferrari setzt mit Felipe Massa (Soft) und Fernando Alonso (Hard) auf eine Mischtaktik. McLaren schickt indes sowohl Jenson Button als auch Sergio Perez auf Hard los.
Wer Hard nutzt, hofft auf viel Straßenverkehr...
Letztere haben natürlich nur eine große Hoffnung: Dass den Führenden auf weichen Reifen alsbald die Puste ausgeht. "Schauen wir mal, wie lange die Soft-Pneus halten. Hoffentlich nicht allzu lange, damit sie früh an die Box fahren müssen", meint Perez. Damit wäre der Weg frei für die Hard-Fraktion, die deshalb aber noch lange keinen Garantieschein auf einen Erfolg beim Indien-Grand-Prix hat.
Selbst Webber, als Vierter bester Hard-Vertreter, hat seine Zweifel: "Man sollte eigentlich denken, dass die Piloten auf der härteren Mischung in den ersten 20 Runden einen Vorteil haben. Doch wenn die Jungs mit den weicheren Reifen nach dem Boxenstopp gut durch den Straßenverkehr kommen, ist diese Strategievariante ebenfalls ziemlich gut." Und das ist genau der Knackpunkt: Straßenverkehr.
Button zweifelt ebenfalls - aber daran, dass ein Vorbeifahren im Rennen möglich sein wird. "Das Feld liegt hier ungeheuer eng beisammen. Überholen wird da nicht einfach", sagt der Ex-Champion. Es sei jedoch schwierig, abzusehen, wie sich das Rennen gestalten werde. "Das Gute daran", so Button weiter, "ist, dass für Spannung gesorgt ist. Es dürfte in jedem Fall interessant werden", meint er.
Nur ein Reifenwechsel ist unrealistisch
Kategorisch ausgeschlossen wird nur eine mögliche Taktik: die Einstopp-Strategie. "Keine Chance", sagt McLaren-Sportdirektor Sam Michael. "Das ist hier einfach nicht drin. Das lassen Reifenabbau und Verschleiß nicht zu. Mit nur einem Stopp kommst du nicht durch." Selbst wenn der harte Reifen laut Hembery "30 bis 35 Runden" mitmacht. Insgesamt sind am Sonntag schließlich 60 Runden zu fahren.
Doch was, wenn sich die Strecke noch einmal so verbessert, dass alles durcheinander gerät? "Das hatten wir ja schon mal am Nürburgring", meint Grosjean. Und auch Hembery sagt: "Im Vergleich zum Vortag hat sich die Strecke weiter entwickelt. Die Teams müssen die zunehmende Gummierung der Fahrbahn bei der Planung berücksichtigen." Und das bedeutet: Klare Tendenzen sind Mangelware.
Kimi Räikkönen (Lotus) nimmt es daher, wie es kommt. "Wir müssen einfach abwarten", sagt der finnische Rennfahrer. "Es gibt viele Möglichkeiten, wie man sich das Rennen zerstören kann. Was bei der Strategie unterm Strich das Beste ist, wird sich zeigen. Diesen Grand Prix kannst du nicht vorab durchplanen. Es gilt einfach, die richtigen Entscheidungen zu treffen, wenn sie getroffen werden müssen."