Grand Prix von Italien
"Bella Italia" hat in 67 Jahren Formel-1-Geschichte kein einziges Mal gefehlt. Der erste Italien-Grand-Prix überhaupt wird aber nicht im königlichen Park ausgetragen, sondern am 4. September 1921 im unweit gelegen Brescia. Schon ein Jahr später findet der Motorsport seine neue Heimat im Autodromo Nazionale, wo Pietro Bordino (im Bild) mit einem FIAT für den von den Tifosi umjubelten Premierenerfolg sorgt. Damals trauriger Motorsport-Alltag: Am Vortag verunglückt der Deutsche Gregor Kuhn tödlich.
1950 ist der Italien-Grand-Prix das Finale der Formel-1-Premierensaison und schreibt aus weiteren Gründen Geschichte. Mit seinem Sieg macht sich Giuseppe "Nino" Farina nicht nur zum ersten Weltmeister, sondern ist bis heute der einzige Pilot, der sich die Krone in seinem Heimatland aufsetzte.
1955 kommt es zur Tragödie: Nur vier Tage, nachdem Alberto Ascari beim Monaco-Grand-Prix ins Hafenbecken stürzt und gerettet wird, verunglückt der zweimalige Weltmeister bei privaten Testfahrten mit einem Ferrari-Sportwagen in Monza tödlich. Die Unglücksursache ist bis heute ein Rätsel. Unter anderem ist von Arbeitern, die waghalsig die Strecke überqueren, und einem missglückten Ausweichmanöver die Rede. Sein Arbeitgeber Lancia zieht sich nach dem Vorfall aus dem Motorsport zurück und übergibt sein Projekt an Ferrari.
1955 wird die Parabolica erstmals befahren, die infolge eines Umbaus einer Doppelrechts vor dem Boxeneingang entsteht. Außerdem verschärfen die Organisatoren die legendären Steilkurven (Bild), die seit 1922 zum Layout gehören, und 1960 zum letzten Mal befahren werden. Ihr Abriss wird in den 1990er-Jahren verhindert, ihr Verfall dauert bis heute an.
Das Jahr 1961 geht als schwarze Stunde in die Formel-1-Geschichte ein. Auf dem Weg, sich mit einem weiteren Sieg zum ersten deutschen Formel-1-Weltmeister zu krönen, verunglückt Wolfgang Graf Berghe von Trips tödlich. Sein Ferrari kollidiert bei der Anfahrt zur Parabolica mit dem Lotus von Jim Clark. Der Kölner wird aus dem Wagen geschleudert, und bricht sich das Genick. Das Auto schlägt in den Fangzaun ein, was auch 15 Zuschauer das Leben kostet.
Neun Jahre später schlägt das Schicksal erneut zu: 1970 kommt Jochen Rindt im Training in der Parabolica wahrscheinlich aufgrund eines Bremsdefektes von der Strecke ab. Der Einschlag in die Leitplanke ist so heftig, dass der Lotus 72 in zwei Teile zerbricht und die Beine des Österreichers freiliegen. Noch im Rettungswagen verstirbt Rindt.
Doch es gibt auch Highlights, wie 1971 den knappsten Zieleinlauf in der Geschichte der Formel 1: Peter Gethin, Ronnie Peterson, Francois Cevert, Mike Hailwood und Howden Ganley trennen auf dem Zielstrich nur 0,610 Sekunden auf den Rängen eins bis fünf. Der Abstand zwischen dem siegreichen Briten und dem Schweden beträgt 0,010 Sekunden, die damals kleinstmöglich messbare Differenz.
Schluss mit dem Geschwindigkeitswahn: 1972 kommen erstmals Schikanen, unter anderem vor der Curva Grande, zum Einsatz, um die Top-Speeds zu drosseln. Zwei Jahre später wird auch die Ascari-Passage entschärft.
Ein Jahr, nachdem er Ferrari in Monza mit seinem Sieg nach einer elfjährigen Durststrecke erlöste, ist Lauda 1976 unter ganz anderen Voraussetzungen der gefeierte Held der Italiener. Nach seinem Feuerunfall auf dem Nürburgring kehrt er entstellt und von starken Schmerzen geplagt in den Grand-Prix-Zirkus zurück, um das legendäre Duell mit James Hunt nicht zu verlieren. Viele Jahre später berichtet Lauda vom Freien Training und dem Losfahren aus der Box: "In dem Moment habe ich beinahe in die Hose geschissen." Die Tapferkeit wird mit Rang vier im Rennen und einem Platz in den Herzen der Tifosi belohnt.
Die wechselvolle Monza-Geschichte schreibt wieder ein dunkles Kapitel, als 1978 Ronnie Peterson ums Leben kommt. Der Schwede fällt einer Massenkarambolage unmittelbar nach dem Start zum Opfer. Sein Lotus fängt Feuer, aus dem ihn die Fahrerkollegen James Hunt, Clay Regazzoni und Patrick Depailler befreien. Erst nach 20 Minuten ist das medizinische Personal zur Stelle, um die schweren Beinverletzungen Petersons zu versorgen. Er stirbt einen Tag später in einer Mailänder Klinik an einer Embolie, was Mario Andrettis gewonnen WM-Titel zur Nebensache degradiert.
Der 1987er Sieger Nelson Piquet stellt im Qualifying den Geschwindigkeitsrekord der ersten Turbo-Generation auf. Er wird mit 352,1 km/h geblitzt.
Der Ferrari-Doppelerfolg von 1988 mutet an wie ein italienisches Wunder. Gerhard Bergers und Michele Alboretos Coup ist der einzige Sieg der Saison, den die komplett dominanten McLaren-Stars Alain Prost und Ayrton Senna nicht einheimsen. Der "Professor" hat einen Motorschaden zu beklagen, der führende Brasilianer wird von Jean-Louis Schlesser abgeräumt. Angeblich soll die spätere Dakar-Legende nach dem Rennen von Tifosi mit Danksagungen bedacht worden sein.
Alain Prosts Sieg 1989 hat "Geschmäckle": In McLaren-Diensten und dem Wissen, in der kommenden Saison bei Ferrari unter Vertrag zu stehen, lässt er den Siegerpokal vom Podium in die Zuschauermassen fallen. Ron Dennis, der seit Menschengedenken alle Trophäen einkassiert, soll getobt und seinen Star nur wegen Sponsorengeldern sowie Siegprämien nicht direkt gefeuert haben - obwohl Erzrivale Senna in dieser Frage entschieden Politik gemacht haben soll.
Das Rennen 1994 findet beinahe nicht statt: Die lokalen Behörden weigern sich, aus Sicherheitsgründen 123 Bäume in den Lesmo-Kurven abzureißen. Im August wird offiziell abgesagt. Dank des Verhandlungsgeschicks Max Mosleys und Gerhard Bergers wird vereinbart, das Tempo im betroffenen Abschnitt zu reduzieren - die Motoren heulen doch und Damon Hill siegt.
1996 beginnt die Ära von Michael Schumacher und Ferrari. Der Deutsche kann gleich sein erstes Ferrari-Rennen in Monza gewinnen. Ein Traumstart! Doch Triumph und Tragödie liegen in Monza stets eng beisammen: 2000 wird der Streckenposten Paolo Gislimberti von einem umherfliegenden Rad erschlagen, das sich von Heinz-Harald-Frentzens Jordan in einer Massenkollision löst.
Die schnellste Formel-1-Runde aller Zeiten gelingt Juan Pablo Montoya 2002 im Qualifying. Im Williams-BMW absolvierte er den Umlauf in 1:20.264 Minuten und fliegt mit einem Durchschnittstempo von 259,827 km/h zur Pole-Position. Drei-Liter-V10-Motoren machen es möglich.
2005 stellt Kimi Räikkönen den bis heute bestehenden Geschwindigkeitsrekord von 370,1 km/h auf. Genützt hatte es ihm nicht viel - er landet auf Platz vier, Sieger wird Teamkollege Juan Pablo Montoya im McLaren-Mercedes.
Nach seinem Sieg 2006 verkündet Michael Schumacher seinen Rückzug aus der Formel 1...
...doch Monza ist auch die Geburtsstätte eines neuen deutschen Stars: Im lombardischen Regen verteidigt der erst 21-jährige Sebastian Vettel 2008 im Toro Rosso sensationell seine Pole-Position und gewinnt als jüngster Fahrer aller Zeiten ein Formel-1-Rennen. Sein Rekord hält, bis ihn Max Verstappen in Barcelona 2016 ablöst. Er ist erst 18 Jahre alt.
2010 die bislang letzte Ferrari-Sternstunde: Fernando Alonso kämpft Jenson Button nieder und sichert sich nach der Pole-Position auch den Sieg. Durch die Schnellste Runde gelingt ihm sogar das Triple. Danach beginnt eine Durststrecke für die leidenschaftlichen Tifosi.
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