Alles begann mit Pirelli, doch die erfolgreichste Marke bleibt Goodyear - Welcher Hersteller als einziger keinen Sieg feierte
In der Geschichte der Formel 1 engagierten sich neun verschiedene Reifenhersteller: Zwei davon hatten oder haben ihren Ursprung in Großbritannien, zwei in den USA und jeweils einer in Deutschland, Japan, Belgien, Frankreich und Italien. Hochzeiten des später als "Reifenkrieg" bezeichneten Szenarios mit mehreren Zulieferern zum gleichen Zeitpunkt sind die Jahre 1954 und 1958, als sechs verschiedene Firmen ihre Produkte ins Rollen bringen. 1950 beginnt alles mit vier Marken...
Pirelli ist bei Anbruch der Nachkriegsära der bestimmende Hersteller, gewinnt sechs Grands Prix und stellte mit Nino Farina den ersten Weltmeister der Moderne, doch schon acht Jahre später ist das Formel-1-Abenteuer wieder beendet. In der Folge wagen die Italiener mit Hauptsitz in Mailand insgesamt drei Comebacks, darunter ein Zusammengehen mit Lotus im Jahre 1983 - alles sportlich wenig erfolgreich.
Nach 20 Jahren Abstinenz kehrt Pirelli erst 2011 als Einheitsausrüster zurück und sorgt für heftige Diskussionen um die Aggressivität der Reifenmischungen, die es zuvor so nicht gegeben hat.
Hauptkonkurrent Pirellis in den Fünfzigerjahren ist Firestone: Das Unternehmen aus Akron im US-Bundesstaat Ohio ist von 1920 bis 1966 bei den 500 Meilen von Indianapolis ungeschlagen und engagiert sich bis 1974 mit Unterbrechungen auch in der Königsklasse. Erster Weltmeister wird 1952 Alberto Ascari, der auch Pirelli nutzt. Später folgen Graham Hill, Jochen Rindt und Emerson Fittipaldi.
Schluss ist erst, als Mitte der Siebzigerjahre schwere Unfälle den Motorsport erschüttern und sich die US-Amerikaner zu einem kompletten Rückzug entschließen. Firestones Bilanz: 121 Starts, 49 Siege, vier WM-Titel bei den Fahrern und drei bei den Konstrukteuren.
Drittes Formel-1-Gründungsmitglied ist ein Name, der Insidern noch geläufig sein dürfte: Englebert. Die 1877 im belgischen Lüttich gegründete Firma ist lange Ferraris Lieblingspartner und holt unter anderem 1956 dank Juan Manuel Fangio sogar WM-Titel. Englebert wird jedoch in einen handfesten Skandal verwickelt, als bei der 1957er Ausgabe der Mille Miglia einem Scuderia-Piloten ein Reifen platzt und bei dem anschließenden Unfall neun Menschen getötet werden.
Die italienische Staatsanwaltschaft ermittelt jahrelang gegen Englebert und Enzo Ferrari persönlich, ehe die Sache 1961 fallen gelassen wird. Trotzdem ist für die Belgier Schluss, sie gehen in ihrem einstigen Partner Uniroyal auf und sind seit der Übernahme durch Continental Geschichte. Engleberts Bilanz: 61 Starts, acht Siege, zwei WM-Titel bei den Fahrern, aber keiner bei den Konstrukteuren.
Als damals noch rein britische Firma komplettiert Dunlop das Quartett der Formel-1-Pioniere. Die Firma aus Birmingham beherrscht jahrelang den Reifenmarkt auf der Insel und versteht es auch, Formel-1-Pneus zu bauen. Ab 1961 ist Dunlop der erste Einheitsausrüster der Formel 1 und prägt dank Rennfahrern wie Graham Hill und Jim Clark die britisch dominierte Szene.
Doch die Zeiten ändern sich: Der sportliche Erfolg bleibt aus, als es in der Königsklasse mit Goodyear und Firestone wieder Konkurrenten aus Nordamerika gibt. Anfang der Siebziger geht Dunlop ein Joint Venture mit Pirelli ein, das scheitert, die Ölkrise besorgt den Rest. Japanische Investoren übernehmen, ehe aus Dunlop später eine Goodyear-Marke wird. Dunlops Bilanz: 175 Starts, 83 Siege, acht WM-Titel bei den Fahrer und neun bei den Konstrukteuren.
Erster deutscher Reifenhersteller in der Formel 1 ist 1954 Continental. Als Mercedes-Partner stattet das Unternehmen aus Hannover Rennlegenden wie Juan Manuel Fangio, Hans Hermann und Karl Kling in ihren Silberpfeilen aus und wird in den ersten zwei Jahren des Engagements zweimal Weltmeister.
Trotz eines Comebacks mit Sterling Moss 1958 bedeuten die Tragödien der Fünfzigerjahre auch für Continental das Formel-1-Aus, was rückblickend für eine fantastische Erfolgsquote sorgt. Continentals Bilanz: 13 Starts, zehn Siege, zwei WM-Titel bei den Fahrern, aber keiner bei den Konstrukteuren.
Deutlich magerer fällt die Erfolgsstatistik bei Avon aus: Zwischen 1954 und 1959 sowie 1981 und 1982 immer wieder bei kleineren Teams im Boot schafft es das kleine Unternehmen aus dem englischen Melksham nicht, einen Grand Prix zu gewinnen, überlebt als Zulieferer der Automobilindustrie aber bis heute. Avons Bilanz: 29 Starts, keine Siege, keine WM-Titel bei Fahrern der Konstrukteuren.
Ganz anders die erfolgreichste Reifenmarke der Formel-1-Geschichte: Goodyear. 1964 zum ersten Mal dabei bleiben die US-Amerikaner zunächst sieglos, kaufen Dunlop jedoch nach und nach den Schneid ab und liefern sich über Jahre ein Duell mit Firestone. Erster Goodyear-Weltmeister wird 1966 Jack Brabham.
Erst Mitte der Siebzigerjahre beginnt die Alleinherrschaft: 1973 gelingt die damalige Rekordmarke von 15 Siegen in einer Saison. Obwohl diverse Konkurrenten versuchen, die Dominanz zu brechen, behaupten sich die Gummis mit dem später gelben Aufdruck immer wieder und werden erst 1981 von Michelin entthront.
Es ist ein Intermezzo, denn ab 1985 fährt Goodyear den einzigen Konkurrenten Pirelli in Grund und Boden und wird zweimal zum Einheitsausrüster. Erst 1997 gibt es wieder einen Gegner, doch der hat es in sich: Bridgestone. Als die Rillenreifen die Slicks verdrängen, wechseln mit McLaren sowie Benetton zwei Schwergewichte das Lager und Goodyear sagt "Goodbye". Goodyears Bilanz: 494 Starts und 368 Siege, 24 WM-Titel bei den Fahrern und 26 bei den Konstrukteuren.
Zurück in die Siebzigerjahre: Michelin gelingt es 1978, mit Ferrari und Renault zwei der Big Player der Szene für sich zu gewinnen. Das Manöver trägt schnell Früchte, als Jody Scheckter nur ein Jahr später zum ersten Formel-1-Weltmeister mit Pneus aus Clermont-Ferrand wird. Schnell gewinnen die Franzosen mehr Kunden für sich und setzen dazu an, das Geschehen bis 1984 zu bestimmen - doch die Konzernbosse brechen das Projekt ab.
Die Rückkehr wagt Michelin erst 2001 und beginnt den Reifenkrieg mit Bridgestone. Gerade als die Marke es schafft, den japanischen Konkurrenten zu dominieren, erschüttert der Indy-Skandal von 2005 die Formel-1-Aktivitäten. Obwohl Fernando Alonso im Rahmen der französischen Traumehe mit Renault auch noch 2006 den WM-Titel holt, wirkt die Blamage des Nicht-Starts in den USA nach. Es kommt zu Verstimmungen mit der FIA und zum Jahresende ist Schluss. Michelins Bilanz: 215 Starts und 102 Siege, sechs WM-Titel bei den Fahrern und vier bei den Konstrukteuren.
Untrennbar mit der Erfolgsära Michael Schumachers bei Ferrari und dem Konkurrenzkampf mit Michelin verbunden: Bridgestone. Die Japaner versuchen sich schon 1976 und 1977 erfolglos an der Seite ihrer Landsleute, doch 20 Jahre später gelingt nach einem eigentlich ungeplanten Lernjahr gegen Goodyear (die Entwicklung erfolgte deutlich schneller als erwartet) dank der neuen Rillenreifen der Durchbruch. Goodyear knickt ein und Bridgestone wird zum dritten Reifen-Monopolisten in der Formel-1-Geschichte.
Nach sieben WM-Titeln in Serie übernimmt Michelin kurz das Zepter, schießt sich mit dem Indy-Skandal aber selbst ins Abseits und eröffnet Bridgestone die Chance auf eine zweite Alleinherrschaft. Für den Ausstieg Ende 2010 macht der Vorstand eine neue Geschäftsstrategie verantwortlich und konzentriert sich seitdem auf auf andere Motorsport-Klassen. Bridgestones Bilanz: 244 Starts und 175 Siege, elf WM-Titel bei den Fahrern und elf bei den Konstrukteuren.
Alles begann mit Pirelli, doch die erfolgreichste Marke bleibt Goodyear - Welcher Hersteller als einziger keinen Sieg feierte