Die Höhepunkte aus Montreal 2014: Strauchelnde Silberpfeile, ein heftiger Crash und ein strahlender Premierensieger Daniel Ricciardo
Pole-Position auf Lewis Hamiltons Lieblingsstrecke: Nico Rosberg nimmt das Momentum von Monaco mit und zwingt seinen Mercedes-Teamkollegen auch im Qualifying in Kanada in die Knie. Und Hamilton, diesmal sportlicher Verlierer, redet sich auch nicht auf seine kleinen Fahrfehler raus: "Nico ist einfach gut gefahren."
Dass es im "Krieg der Sterne" weiterhin knistert, ist unübersehbar: Rosberg kommt am Start schlechter von der Linie weg als Hamilton, bremst aber später, ...
... wird dadurch nach außen getragen und zwingt seinen Teamkollegen dazu, kurz vom Gas zu gehen, um eine Kollision zu vermeiden. Hamilton, diesmal der Klügere, gibt nach, ...
... muss dafür aber in Kauf nehmen, dass Sebastian Vettel beim Start durchschlüpft und den Silberpfeil-Express zunächst splittet.
Der obligatorische Kanada-Startcrash passiert diesmal erst in Kurve 4: Max Chilton (plus drei Startpositionen für Österreich) kommt ins Rutschen und räumt ausgerechnet seinen Teamkollegen Jules Bianchi, den Helden von Monaco, aus dem Rennen. Dessen Marussia zerschellt brutal an der Betonmauer, der Franzose selbst bleibt zum Glück unverletzt.
Bis zum Restart in der achten Runde geht Bernd Mayländer mit dem Safety-Car auf die Strecke. Eine wichtige Rennsituation, denn: Durch die lange Gelbphase sparen die Formel-1-Turbos jede Menge Benzin. Ohne Safety-Car-Phase wäre es für manche mit den maximal 100 Kilogramm womöglich eng geworden.
Kurz nach dem Restart geht Hamilton dank Mercedes-Power und DRS relativ mühelos an Vettel vorbei und macht sich auf die Jagd nach Rosberg. Der hat zu diesem Zeitpunkt immerhin schon zwei Sekunden Vorsprung. Aber kaum hat er freie Fahrt, dreht Hamilton gleich mal eine schnellste Runde.
Trotzdem: Beide Red Bull laufen in der Anfangsphase überraschend gut. Hinter den beiden Williams macht auch Daniel Ricciardo Druck. Der Australier sollte in der 13. Runde der erste Topfahrer sein, der zum regulären Boxenstopp kommt und von Supersoft auf Soft wechselt.
Großer Pechvogel der ersten Boxenstopp-Serie ist Felipe Massa: Beim Brasilianer klemmt das Rad links vorne. Das kostet nur ein paar Sekunden, wirft ihn aber auf der Strecke vom fünften auf den neunten Platz zurück.
Heißes deutsch-deutsches Duell um Platz vier: Nico Hülkenberg (Soft), genau wie Force-India-Teamkollege Sergio Perez (Supersoft) auf eine Einstoppstrategie gepolt, hält sich Vettel dank des besseren Topspeeds erfolgreich vom Leib. Einmal ist Vettel in der Spitzkehre schon fast durch, doch der Weltmeister muss dafür zu spät bremsen und rutscht nach außen.
Vorne spitzt sich das Mercedes-Duell zu: Erst überlebt Rosberg nach seinem Boxenstopp eine riesige Schrecksekunde an der Bianchi-Mauer, dann fährt er unter Druck von Hamilton in der letzten Schikane geradeaus. Die Rennleitung untersucht den grenzwertigen Zwischenfall - und belässt es bei einer Verwarnung. Wenig später brechen bei beiden Silberpfeilen die Rundenzeiten dramatisch ein. Die defekte MGU-K-Einheit kostet schlappe 160 PS Leistung.
Weiter hinten fällt Kimi Räikkönen nur auf, wenn er sich dreht. Dass er seinen peinlich anmutenden Trainings-Dreher in der Spitzkehre am Rennsonntag detailgetreu wiederholt, spricht Bände über die derzeitige Form des ehemaligen Weltmeisters. Der "Iceman" fällt auf P15 zurück.
Massa führt vor Rosberg, plant kurzzeitig ohne weiteren Boxenstopp durchzufahren, muss dann aber doch noch einmal die Reifen wechseln. In der für Mercedes schwierigen Phase zu Beginn des dritten Stints schiebt sich auch Hamilton knapp an Rosberg vorbei, als er aus der Box zurück auf die Strecke kommt.
Aber dann das Aus für den Kanada-Spezialisten: Die Bremse rechts hinten hält den hohen Belastungen (und den hohen Temperaturen) nicht mehr stand und zwingt ihn zur Aufgabe. Ein herber Rückschlag im Hinblick auf die Weltmeisterschaft, denn weil Massa an die Box kommt, führt Rosberg den Grand Prix nun wieder an. Hamilton hatte der WM-Leader übrigens schon zuvor auf der Strecke überholt.
Hochdramatisches Finish: In der 63. von 70 Runden liegen nicht weniger als fünf Autos (Rosberg, Perez, Ricciardo, Vettel, Massa) innerhalb von 1,8 Sekunden!
Die Minuten des Daniel Ricciardo: Zu Beginn der 65. Runde schnappt er sich im Senna-S mit einem mehr als beherzten Manöver endlich Perez, der mit Bremsproblemen kämpft. Perez war für Rosberg als Puffer höchst hilfreich, weil der Force India im ersten Sektor stets jene halbe Sekunde verlor, die dem Mercedes im letzten Sektor an Power fehlte.
Wenig später ist dann auch Rosberg Geschichte: Ricciardo muss trotz schwachbrüstiger Renault-Power nur den DRS-Knopf drücken, um die Führung zu übernehmen. Rosberg konzentriert sich jetzt darauf, die 18 Punkte für den zweiten Platz ins Ziel zu retten.
Vorletzte und letzte Runde, der große Knall: Erst geht Vettel an Perez vorbei und sichert sich damit das Podium. Ein paar Meter weiter, nach Start und Ziel, möchte Massa mitziehen - aber während der Brasilianer ein bisschen nach rechts zieht, zuckt Perez leicht nach links. Es kommt unweigerlich zum (spektakulären) Crash!
Vettel hat dabei noch unglaubliches Glück: Links schießt Massa wie eine Rakete an ihm vorbei, rechts Perez - nur Zentimeter verhindern, dass der Deutsche auch in die Kollision verwickelt wird.
Aber das Allerwichtigste: Massa übersteht den Einschlag mit 27 g ebenso unverletzt wie Perez seinen mit 32 g. Letzterer nimmt allerdings eine Rückversetzungs-Strafe um fünf Positionen nach
Riesenjubel bei Red Bull über den ersten Saisonsieg - und Vettel zeigt, dass er nicht nur sportlich, sondern auch als Sportsmann ein großer Champion ist: Der Deutsche stellt sich als erster Gratulant beim Teamkollegen an und hebt diesen herzlich in die Höhe. Emotionen, die man nicht spielen kann. Ob das bei einem Mercedes-Doppelsieg auch so fröhlich vonstatten gegangen wäre?