Eine physische und mentale Zerreißprobe machen den "Micky-Maus-Kurs" im staubigen Hinterland zum Härtetest
Früher das Mekka für die Motorsport-Fans im Ostblock, ist der Ungarn-Grand-Prix Jahrzehnte nach dem Fall des Eisernen Vorhangs ein Treffpunkt für Formel-1-Anhänger aus aller Welt. Zum 31. Mal steigt 2016 auf dem Hungaroring vor den Toren Budapests die Königsklassen-Party - und wir sagen Ihnen, was Sie wissen müssen.
Wer zum ersten Mal in die 1,7 Millionen Einwohner zählende Donaumetropole kommt, ist von romantischer Verträumtheit und architektonischem Prunk überwältigt. Wenn über der Kettenbrücke sowie zwischen den Stadtteilen Buda und Pest die Sonne untergeht, wird klar, warum die Stadt Europas Nummer sechs bei den Touristenzahlen ist.
Eine Attraktion für sich sind Ungarns kulinarische Spezialitäten: In den Markthallen dominiert der weltberühmte Paprika in allen Varianten. Dazu gibt es zahlreiche Wurstdelikatessen, Süßspeisen mit österreichischem Einschlag und Gerichte, die Einzug in die klassische Hausmannskost gefunden haben. Stichwort: Gulasch.
Deutlich mehr Interesse haben chronisch hungernde Formel-1-Piloten an der Rennbahn, die sich eine halbe Autostunde entfernt in einer staubigen Hügellandschaft befindet - nicht wie häufig fälschlicherweise behauptet in der Puszta. Mit 4.381 Meter Länge zählt sie zu den "Quickies" unter den Strecken.
Max Verstappen (Red Bull) freut sich über das kurzweilige Vergnügen: "Die kleine Strecke mit einem großen Auto zu fahren sorgt für Go-Kart-Feeling." Sieben Links- und sieben Rechtskurven sorgen dafür, dass der Vollgasanteil bei nur 59 Prozent liegt und im Vergleich wenig Sprit verbraucht wird.
Statt Benzin fließt unter Helm und Overall der Schweiß. Romain Grosjean (Haas) weiß: "In Budapest kann es richtig heiß werden." Die Piloten erleben einen Fitnesstest am Volant: "Die Strecke ist körperlich und mental fordernd. Es gibt keine Chance, sich auszuruhen. Man muss immer konzentriert sein", weiß Teamkollege Esteban Gutierrez.
Die Strecke frisst auf besondere Art und Weise auch Reifen. Pirelli bringt mit Supersoft, Soft und Medium zwar eine Auswahl aus dem mittleren Bereich. Besonders knifflig ist jedoch, dass es im Qualifying häufig nur eine Chance gibt, eine schnelle Runde zu setzen. Sonst sind die Pneus über ihren Zenit. Der Druck steigt.
Denn Sergio Perez (Force India) findet, dass der Startplatz nur im Leitplankendschungel Monacos wichtiger sei.
Am Vordermann vorbeizukommen ist knifflig, es droht stets eine Prozession. "Die beste Überholmöglichkeit ist die erste Kurve. Man kommt von der langen Geraden und aktiviert DRS. Es geht auch am Ausgang", erklärt Gutierrez.
Romain Grosjean (Haas), der 2013 in der pfeilschnellen Kurve 4 überholte, weiß, wie speziell und selten ein solches Manöver ist. Und noch nicht einmal legal: "Ich habe dafür eine Strafe kassiert, weil ich mit allen vier Rädern abseits der Strecke war. Spielte aber keine Rolle, weil es eines der schönsten meiner Karriere war."
Mit seinem schnellen Mittelsektor hat der Hungaroring aber Fans: Fernando Alonso (McLaren) spricht von einer "tollen, kleinen Strecken, die sich von vielen anderen abhebt und etwas von einem Straßenkurs hat". Und einfach "old-school", findet Nico Hülkenberg (Force India) die Bahn.
Ein Thema für sich die Randsteine auf dem Hungaroring, die seit einem Umbau kaum noch ein Hindernis darstellen. Ergo überwacht die Rennleitung die Einhaltung der Streckenbegrenzung erstmals elektronisch.
Budapest ist ein guter Ort für Premierensiege: Die späteren Weltmeister Damon Hill (1993), Fernando Alonso (2003) und Jenson Button (2006) jubelten alle zum ersten Mal in Ungarn.
Valtteri Bottas (Williams) und freut sich auf die finnischen Fans. Denn kein Rennen im Kalender findet Luftlinie näher an seinem Heimatland statt, was die Mannen aus dem Norden ausnutzen - genau wie die spottbilligen Bierpreise in Ungarn. "Es gibt den Spitznamen Finnland-Grand-Prix!", jubelt Bottas.
Felipe Massa (Williams) reist mit gemischten Gefühlen an, schließlich hätte ihm ein Unfall im Jahre 2009 fast dauerhaft die Gesundheit gekostet, als ihn eine Stahlfeder am Kopf traf und ihn schwer verletzte: "Mich verbindet eine Menge Geschichte", sagt der Brasilianer. "Aber deswegen habe ich hier tolle Fans, die mich total unterstützen."