Losverfahren, Vorqualifikation, Einzelzeitfahren und ständige Modifikationen: Wie die Formel 1 im Laufe der Jahrzehnte die Startplätze ermittelte
In den Formel-1-Saisons 2021 und 2022 finden bei ausgewählten Grands Prix am Samstag Sprintrennen statt, um die Startaufstellung für den Sonntag zu ermitteln. Es ist nicht der erste Versuch, das Qualifying in der Königsklasse zu reformieren, wie unsere Fotostrecke beweist. Eine Zeitreise, ...
... die in der Vorkriegsära beginnt, als die Formel 1 noch nicht Formel 1 heißt: Die Pioniere beginnen ihre Rennen zeitversetzt und ohne Startaufstellung. Nach Einführung des Massenstarts gibt es dann ein Losverfahren. Erst 1933 in Monaco kommen die Regelhüter auf die Idee, den so genannten "Grid" in einem Zeittraining auszufahren.
Von 1950 bis 1996 bleibt das grundlegende Format unangetastet und simpel: am Freitag und am Samstag eines Rennwochenendes jeweils eine Stunde freies Fahren ohne Beschränkung der Rundenzahl. Am Ende zählt die schnellste Zeit für die Startaufstellung.
Als die Formel 1 aus allen Nähten platzt, schaffen die Regelhüter aus Sicherheitsgründen eine zusätzliche Hürde, um die Starter schon vor der ersten Session am Freitag auszusieben: das Prinzip der Vorqualifikation. Schon 1965 wird es erstmals angewandt, damals allerdings nur bei einem einzigen Grand Prix.
1977 kehrt es zurück, um (nach Unterbrechungen) Ende der Achtzigerjahre zum Fallbeil für die kleinen Teams zu werden. In der Saison 1989 bei allen 16 WM-Stationen in Gebrauch, müssen insgesamt 142-mal Piloten die Segel streichen, ohne um die Startplätze gekämpft zu haben.
Der Modus: Die Teams mit den schlechtesten Bilanzen der vorausgegangen sechs Monate plus alle neuen Teilnehmer bestreiten ein Zeittraining um vier Plätze im Qualifying zusätzlich zu 26 gesetzten Autos. Aus diesem Kreis "überleben" wiederum nur 26 das Qualifying und ziehen in die Startaufstellung ein.
1996 wird der Modus erstmals grundlegend verändert, weil mehr Spannung erzeugt werden soll: Die FIA beschneidet das Qualifying auf eine einstündige Session am Samstag, in der nur noch maximal zwölf Runden pro Fahrer und Auto erlaubt sind.
Zusätzlich wird die 107-Prozent-Regel eingeführt, um die Langsamsten zu eliminieren und rollende Schikanen von der Strecke zu verbannen: Für das Rennen teilnahmeberechtigt sind nur Piloten, denen eine Runde gelingt, die maximal der Poleposition-Zeit plus sieben Prozent entspricht.
Die Bestimmung besteht bis 2002 und ist seit 2011 wieder Teil des Reglements, allerdings häufig der Gegenstand von Ausnahmen, beispielsweise bei Wetterkapriolen oder bei technischen Problemen und ausreichender Leistungen im Freien Training.
Quali-Pechvogel Nummer eins ist historisch Gabriele Tarquini, der für Osella, Coloni, First, AGS, Fondmetal und Tyrrell fährt. Er muss an 25 Freitagen und 15 Samstagen die Koffer packen, weil er die Vorqualifikation nicht meistert oder an den 107 Prozent scheitert - gefolgt von Bertrand Gachot (37) und Roberto Moreno (32).
2003 wird erneut gewerkelt: Die FIA hat genug von Wartespielchen der Topteams, die von den Hinterbänklern die Ideallinie säubern lassen wollen und die erste Hälfte des Qualifyings zur Farce verkommen lassen. Das Einzelzeitfahren wird eingeführt - auch, um mehr TV-Präsenz für die "Kleinen" zu schaffen.
Am Freitag absolviert jeder Pilot eine Runde (erst nach umgekehrter Reihenfolge des WM-Standes, dann nach dem vorausgegangen Rennen), um die Startreihenfolge für das Qualifying am Samstag zu ermitteln. Dann entscheidet erneut ein einzelner Umlauf mit einem für den Rennstart vollgetankten Auto.
Als 2004 beide Teile auf den Samstag gelegt werden, liefern sich die Teams teilweise kuriose Schneckenrennen. Um bei angekündigtem Regen möglichst früh auf die Bahn zu gehen, wollen sie am Vormittag der Langsamste sein, um noch eine trockene Bahn zu erwischen - inklusive absichtlicher Dreher.
Es wird wieder Hand angelegt. Motiviert durch eine wetterbedingte Verschiebung des Qualifyings wird das Einzelzeitfahren 2005 zweigeteilt: Eine Runde am Samstagnachmittag mit leerem Tank, die andere wenige Stunden vor dem Rennen mit Sprit. Die Addition der Zeiten entscheidet ...
... jedoch nur sechs Rennen lang. Die Fans haben keine Lust auf das Formel-1-Frühstück und bis zum Saisonende wird wieder auf eine Einzelzeitfahr-Session am Samstag in der umgekehrten Reihenfolge des vorausgegangen Rennens umgestellt.
2006 wird der Knock-Out-Modus mit drei Abschnitten verankert: Ausscheiden der langsamsten Piloten in Segment eins und zwei, dann ein Kampf der Top 10 um die Poleposition. Geschraubt wird bis 2016 nur an Details wie den Sprit- und Reifenregeln, ehe die "Reise nach Jerusalem" kommt. Die ist aber schnell wieder Geschichte.
2021 probiert die Formel 1 bei drei Rennen erstmals Sprintrennen zur Ermittlung der Startaufstellung für den Grand Prix aus. Für die ersten drei Piloten gibt es zudem Punkte nach dem Schlüssel 3-2-1. Für 2022 wird das Format leicht angepasst, Zähler bekommen nun die Top 8.
2023 wird die Anzahl der Sprints auf insgesamt sechs verdoppelt - und das Format vom Grand Prix entkoppelt. Der Sprint bekommt ein eigenes Qualifying und das reguläre Qualifying entscheidet ab sofort wieder ganz klassisch über die Startaufstellung am Sonntag.
Losverfahren, Vorqualifikation, Einzelzeitfahren und ständige Modifikationen: Wie die Formel 1 im Laufe der Jahrzehnte die Startplätze ermittelte