Seit den 1960er-Jahren spielt die Formel 1 in der Alpenrepublik eine große Rolle - Von den Anfängen auf einem Militärflughafen bis zum Saisonauftakt 2020 in Spielberg
Der Grand Prix von Österreich hat schon lange Tradition in der Formel 1. 2020 findet erstmals der Saisonauftakt in der Alpenrepublik statt, exakt 50 Jahre nach dem ersten Rennen auf dem Österreichring. Wir werfen einen Blick zurück auf die reiche Geschichte der Königsklasse in Österreich.
1961 wird als Geburtsjahr der Formel 1 in Österreich angesehen. Der "Preis von Wien" auf dem Flugplatz Wien-Aspern geht als erstes Rennen in die Geschichte ein, allerdings zählt der Grand Prix nicht zur Weltmeisterschaft. Stirling Moss gewinnt auf Lotus am 16. April überlegen vor 40.000 Zuschauern - sein letzter Formel-1-Sieg.
Aber nicht nur in Wien wird 1961 bereits Formel 1 gefahren, auch in Zeltweg. Auf dem Militärflughafen Hinterstoisser wird das zweite Rennen ohne WM-Status ausgetragen. Bis auf Ferrari sind alle Marken mit ein bis zwei Werkswagen vertreten. Innes Ireland gewinnt auf Lotus. Als Preis darf er einen prächtigen Hirsch schießen.
Zwar wird 1963 bereits der "I. Große Preis von Österreich" in Zeltweg ausgetragen, jedoch erhält das Rennen erst 1964 auch WM-Status. Ein Quantensprung für den Motorsport in dem kleinen Land. Die Organisation sprengt alle Grenzen. Besonders auf die akkurate Zeitnahme legen die Verantwortlichen wert ...
... dafür wird ein alter, ausrangierter Doppeldecker-Bus von London Transport um 550 Pfund gekauft. Im ersten Stock sitzen die Zeitnehmer, während im unteren Stock das "Büro" der Rennleitung untergebracht ist. Die Strecke kann erst am Mittwoch vor dem Rennen aufgebaut werden, da der Flughafen in Zeltweg voll in Betrieb ist.
Auf dem holprigen Kurs, der die Autos durch teilweise unebene Betonplatten stark fordert, absolviert ein gewisser Jochen Rindt sein Formel-1-Debüt. Im Rennen hat der eingebürgerte Deutsche allerdings Pech: Ein Lenkungsdefekt sorgt für sein vorzeitiges Aus. Er lag davor auf aussichtsreicher zehnter Position.
Für Aufregung im Rennen sorgen nicht nur zahlreiche Ausfälle der Toppiloten, sondern auch der Unfall von Phil Hill. Er gerät in der 59. Rennrunde im Cooper von der Ideallinie ab und kracht in die Strohballen, die als Streckenbegrenzung dienen. Hill kann sich aus dem Wagen retten, bevor dieser Feuer fängt.
Der Sieg im ersten Grand Prix von Österreich geht an Lorenzo Bandini auf Ferrari. Der Italiener holt in Zeltweg seinen einzigen Triumph in der Königsklasse, vor Richie Ginther und Bob Anderson. Nur neun von 20 Startern werden am Ende ins Klassement aufgenommen. Das bittere Fazit: Zeltweg verfügt nicht über die nötige Anlage!
Die Formel 1 kehrt Österreich nach dem Flugplatz-Rennen für sechs Jahre den Rücken. Es kommt zu einem Wettkampf um die erste permanente Rennstrecke - die Steiermark gegen Salzburg, mit dem besseren Ende für die Steirer. Im Mai 1968 erfolgt der Spatenstich, im Juli 1969 die Eröffnung des "Österreichrings".
Für 1970 sichert sich die neue, 5,911 Kilometer lange Strecke unweit von Zeltweg den WM-Status für das Formel-1-Rennen. Die Rückkehr steht unter einem guten Stern, da zuvor Lokalmatador Rindt fünf Siege einfahren konnte. Die Euphorie im Land scheint grenzenlos zu sein, am 16. August wird das Rennen vor 83.000 Fans gestartet ...
... und Rindt fährt von der Pole-Position los. Aber wieder hat er auf heimischen Boden kein Glück: Nach 20 Runden fällt der Liebling der Zuschauer mit Motorschaden auf Platz vier liegend aus. Den Sieg auf dem neuen Kurs sichert sich der junge Jacky Ickx im Ferrari vor Teamkollegen Clay Regazzoni. Die zahlreichen Tifosi jubeln und feiern.
Doch schon wenige Wochen nach dem ersten Österreich-Grand-Prix auf der neuen Strecke der große Schock: Jochen Rindt stirbt im Training in Monza. Die Begeisterung für den Motorsport im Land reißt dennoch nicht ab, der Wettlauf um die Nachfolge des Idols entfacht: Helmut Marko und Niki Lauda gelten als talentiert.
1971 stehen sowohl Marko (BRM) als auch Lauda (March) in der Startaufstellung des Grand Prix von Österreich. Jedoch haben beide nichts mit dem Sieg zu tun. Der Schweizer Jo Siffert triumphiert vor Emerson Fittipaldi und Tim Schenken. Das Rennen ist auch ein Jahr nach der Rindt-Tragödie gut besucht und wird zum Fixstern im Rennkalender.
Mit 214,55 km/h Durchschnittsgeschwindigkeit siegt Emerson Fittipaldi 1972 im Lotus 72 in Österreich. Die Strecke zählt mit ihren langen Geraden zu den schnellsten im gesamten Rennkalender. Es folgt 1973 der Sieg von Ronnie Peterson ebenfalls auf Lotus und 1974 jener von Carlos Reutemann im Brabham.
1975 folgt ein Schockmoment: Mark Donohue verunfallt in der schnellen Hella-Licht-Rechtskurve im Freien Training aufgrund eines Reifenschadens schwer. Obwohl er zunächst bei Bewusstsein ist, stirbt der US-Amerikaner wenige Tage später im Krankenhaus an einer Gehirnblutung. Auch ein Streckenposten wird bei dem Unfall getötet.
Am Rennsonntag regnet es aus Kübeln. Niki Lauda (Pole-Position) wird gleich am Start durchgereicht. Vittorio Brambilla kann sich im March an der Spitze behaupten. In Runde 29 (von 54) wird aufgrund des starken Regens abgebrochen. Auf Start-Ziel reißt der Italiener die Hände in die Höhe, und kracht mit dem Boliden in die Leitplanken.
Nur ein Jahr später der nächste Dämpfer: Nach seinem Feuerunfall auf dem Nürburgring kann Lokalheld Lauda an seinem Heimrennen nicht teilnehmen, Ferrari fährt nicht mit. Dadurch bleiben Zuschauer aus, die Veranstalter kämpfen mit finanziellen Verlusten. John Watson gewinnt das Rennen für Penske-Ford.
1977 versucht Lauda sein Glück erneut. Er geht von der Pole ins Rennen, kann sich im Ferrari aber nicht lange an der Spitze halten. Zuerst führt Mario Andretti im Lotus, dann James Hunt im McLaren. Doch schließlich setzt sich der weitgehend unbekannte Alan Jones im Shadow völlig überraschend durch.
Nach weiteren Siegen von Peterson und Jones ist Österreich zu Beginn der 1980er-Jahre fest in französischer Hand. Rene Arnoux fährt im Turbo-Renault 1980 im Training einen Schnitt von 236,9 km/h. Damit zählt der Österreichring endgültig zu den schnellsten Strecken der Welt, gewinnen kann Teamkollege Jean-Pierre Jabouille.
Die Strecke ist immer für Überraschungen gut, auch 1982. Zeltweg erlebt einen neuen Spitzenwert: 244,2 km/h Schnitt gefahren von Nelson Piquet im Training. Im Rennen führt Alain Prost bis vier Runden vor Schluss mit 30 Sekunden Vorsprung. Das Zielfinish entscheidet Premierensieger Elio de Angelis um 0,125 Sekunden gegen Keke Rosberg!
1984 schreibt Niki Lauda auf dem Österreichring Geschichte. Er liegt im WM-Kampf gegen Teamkollegen Prost nur 5,5 Punkte zurück. Nachdem der erste Start abgebrochen wird, kann sich der Wiener beim zweiten Versuch durchsetzen - und das mit argen Getriebeproblemen. Neuer WM-Führender!
Nur ein Jahr nach seinem bejubelten Heimsieg kündigt Lauda ausgerechnet in Österreich sein endgültiges Karriereende an. Von der "Droge" Formel 1 sei er nun geheilt. Im Rennen kann der dreifache Weltmeister mit Prost mithalten, bis er mit Turboschaden ausfällt. Der Franzose gewinnt.
Immer wieder kommt es auf der Hochgeschwindigkeitsstrecke auch zu schweren Unfällen: 1985 sorgt Andrea de Cesaris für ein kleines Wunder. Er kommt mit 250 km/h von der Strecke ab, rutscht in eine Böschung und überschlägt sich mehrfach. Er bleibt dabei zum Glück völlig unverletzt.
"Auf dem Hungaroring, da weißt du, es kann nichts passieren, wenn du wo rausfliegst. Hier dagegen bist du tot", sagt Gerhard Berger vor dem Qualifying 1986. Er prophezeit damit das Ende des Österreichrings. Und sollte Recht behalten. Im Rennen fällt er in Führung liegend zurück (Batterie), Prost gewinnt zum dritten Mal.
Der Österreich-Grand-Prix 1987 steht unter keinem guten Stern: Im Training verunfallt Stefan Johansson im McLaren, nachdem er bei 250 km/h mit einem Reh kollidiert, das von Fotografen im Feld unabsichtlich aufgescheucht wurde. Der Schwede erleidet ein Peitschenschlag-Syndrom. Doch es soll noch schlimmer kommen ...
... denn der Start zum Grand Prix muss zweimal wiederholt werden. Zunächst hebt Martin Brundles Zakspeed im Mittelfeld auf einer Bodenwelle ab und wird zur Straßensperre. Beim zweiten Start kommt Nigel Mansell im Williams nicht weg (Kupplungsschaden). Beim dritten Anlauf starten immerhin noch 26 Autos.
Am Ende gewinnt dann ausgerechnet Mansell vor Erzfeind Piquet und Benetton-Fahrer Teo Fabi. Zur Sicherheit dreht der Brite noch eine 52. Runde, da er die Zielflagge nicht sieht. Auf dem Weg zur Siegerehrung dann der Schock: Mansell stoßt sich an einer Eisentraverse den Kopf und wird kurz bewusstlos, Fabi weckt ihn mit Mineralwasser.
Nach 1987 nimmt die Formel 1 erneut Abschied aus Österreich. Die FISA veranlasst umfassende und kostspielige Umbauarbeiten, doch die Österreicher nehmen die Auflagen nicht ernst. Bernie Ecclestone spielt das in die Karten, denn an seiner Tür klopfen schon viele neue Länder, die an einer Austragung eines Rennens interessiert sind.
Die Strecke in der Steiermark liegt brach. Aber schon bald keimt der Wunsch nach einer Formel-1-Rückkehr auf. 1994 gibt es ein erstes Treffen zwischen Landesvertretern und Ecclestone. Und es wird klar: Die Strecke muss umgebaut und modernisiert werden. Eine Prüfung der Wirtschaftlichkeit ergibt eine positive Bilanz: Es wird umgebaut!
Im Oktober 1995 wird der neue Formel-1-Vertrag zwischen der Steiermark und Ecclestone in London für die Dauer von sechs Jahren fixiert. Die Umbauarbeiten beginnen kurz danach: Die Strecke wird auf 4,323 Kilometer verkürzt, die Westschleife eliminiert. Alex Wurz dreht 1996 im Sauber die ersten Runden.
Das Comeback 1997 wird sehnsüchtig erwartet, insgesamt 230.000 Fans pilgern an den neuen "A1-Ring". Williams-Pilot Jaques Villeneuve fährt auf die Pole (1:10.304 Minuten - 13 Sekunden schneller als Piquet 1987). Im Rennen setzt er sich gegen David Coulthard im McLaren durch. Jean Alesi übersteht diesen Crash unverletzt.
In den Folgejahren ist der A1-Ring oftmals ein guter Boden für McLaren-Mercedes. Mika Häkkinen gewinnt 1998 und 2000 vor seinem Teamkollegen David Coulthard. Nur 1999 kann Eddie Irvine siegen, nachdem der Finne vom Schotten bereits in der ersten Kurve gerammt wird. Michael Schumacher muss noch auf einen Sieg warten ...
... zunächst wird ihm 2001 von Rubens Barrichello der zweite Platz geschenkt. Nicht ganz freiwillig. Der Brasilianer befolgt den Funkspruch von Jean Todt: "Let Michael pass for the championship!" David Coulthard kann die Ehre von McLaren-Mercedes zunächst mit seinem Sieg noch hochhalten. Doch nicht mehr lange.
2002 folgt der große Skandal: Wieder pfeift Ferrari Barrichello zurück, diesmal führt der Brasilianer das Rennen bis zur letzten Runde an. Vor Start-Ziel verlangsamt er, Schumacher gewinnt. Auf dem Siegerpodest lässt der Deutsche seinen Teamkollegen oben stehen. Die Fans fühlen sich betrogen.
Schon vor der Stallorder schocken Nick Heidfeld und Takuma Sato die Fans. Der Sauber kracht mit 270 km/h ungebremst in der dritten Kurve in den Jordan des Japaners. "Ich habe gedacht, ein Meteor würde mich treffen", erzählt Sato Jahre später. Er bleibt bei der Kollision wie auch der Deutsche unverletzt.
Nach der Ferrari-Stallorder zeichnet sich der erneute Abschied der Formel 1 aus der Steiermark ab. Ecclestone verfolgt andere Pläne als die Steirer, es kommt zu keiner Vertragsverlängerung. Nach dem Rennen 2003 verabschiedet sich die Königsklasse. Schumacher siegt erneut, diesmal auch fair.
Die steirische Landesregierung will die Rennstrecke nach dem Formel-1-Weggang loswerden und findet in Red-Bull-Boss Dietrich Mateschitz einen Interessenten. Er plant ein großes Zentrum des Motorsports in Spielberg, gemeinsam mit Volkswagen, EADS, Magna und KTM. Doch daraus wird nichts.
Eine Bürgerinitiative formiert sich gegen die Mateschitz-Pläne, der Umweltsenat entzieht die Genehmigung für das Projekt. Dennoch werden einige Gebäude an der Strecke bereits abgerissen, der Ring gleicht einer Ruine. Nur Plakate erinnern noch an die glorreichen Formel-1-Zeiten im Murtal.
Nach zähen Verhandlungen erringt Mateschitz doch einen Erfolg, sein Projekt wird in abgespeckter Form genehmigt. Der Durchbruch: 2008 tritt der Steirer persönlich als Investor in den Vordergrund. Im April kommt das Grüne Licht, drei Jahre später wird der "Red-Bull-Ring" am 15. Mai 2011 mit Sebastian Vettel eröffnet.
Schnell machen Gerüchte die Runde, die Formel 1 könnte mit Mateschitz in die Steiermark zurückkehren. Und tatsächlich bereitet sich die Strecke auf die Königsklasse vor. Auf Start-Ziel wird der markante Wing gebaut, der zukünftig als Pressezentrum dienen soll. Ein weiteres Indiz für ein Comeback der Königsklasse.
2014 ist es dann so weit: 50 Jahre nach dem ersten Formel-1-Grand-Prix in Österreich ist die Serie wieder zurück! Auf dem modernen Red-Bull-Ring dominiert Mercedes die Konkurrenz nach Belieben. Nico Rosberg gewinnt die Premiere vor seinem Teamkollegen Lewis Hamilton. Vettel rollt im Red Bull in der ersten Runde aus.
2015 sorgen die Weltmeister Fernando Alonso und Kimi Räikkönen für einen Schockmoment. Die Champions kollidieren, der McLaren steigt über dem Ferrari auf. Beide bleiben dabei unverletzt. An der Spitze kann Rosberg die Mercedes-Dominanz auf der Strecke erneut ausspielen und zum zweiten Spielberg-Sieg fahren.
2016 sieht es nach dem Hattrick für den Deutschen aus, doch in der letzten Runde kracht es zwischen den WM-Kontrahenten! Hamilton kann sich die Führung und den Sieg schnappen, während Rosberg seinen beschädigten Mercedes als Vierter ins Ziel rettet. Die Kollision sorgt für weiteren Stunk im Duell der Sterne.
Nach einem weiteren Mercedes-Sieg durch Bottas 2017 setzt Max Verstappen dem Formel-1-Projekt von Dietrich Mateschitz mit seinem Sieg auf der Heimstrecke 2018 die Krone auf. Der Holländer gewinnt überraschend vor zahlreichen niederländischen Fans, Spielberg tobt und feiert die neue Bullen-Hoffnung.
2019 wiederholt Verstappen das Kunststück, allerdings nicht ohne Kontroverse. Denn in den letzten Runden greift er Ferrari-Fahrer Charles Leclerc an. In Kurve 3 geraten die Jungstars aneinander, die Kommissare untersuchen den Vorfall. Nach stundenlanger Beratung darf der Red-Bull-Pilot den Sieg behalten.
Aufgrund der Corona-Pandemie erlebt Österreich 2020 gleich zwei Premieren: Der Saisonauftakt der Formel 1 findet am 5. Juli erstmals in der Alpenrepublik statt. Außerdem wird eine Woche später gleich noch ein Rennen auf dem Red-Bull-Ring gefahren, der "Grand Prix der Steiermark" - allerdings als Geisterrennen.
Seit den 1960er-Jahren spielt die Formel 1 in der Alpenrepublik eine große Rolle - Von den Anfängen auf einem Militärflughafen bis zum Saisonauftakt 2020 in Spielberg