Ein millionenteurer Schrottplatz, "Schumacher" im McLaren und ein Rennen mit nur vier Autos im Ziel, das den Führenden kein Glück brachte
Olivier Panis erlebt am 19. Mai 1996 sein blaues Wunder in seinem blauen Auto. Wir erinnern am 20. Jahrestag des verrückten Monaco-Rennens an einen Grand Prix, bei dem nur drei Autos den Zielstrich überfuhren, kein Mensch mit dem letztendlichen Sieger rechnete und gleich zwei "Michael Schumachers" in der Startaufstellung standen.
Im Qualifying packt Ferrari alles aus, was aus Maranello an speziellen Teilen für Monaco zu bekommen ist: Michael Schumacher fährt die Pole-Position mit einer sensationellen Bestzeit, die an Ayrton Sennas Runde von 1980 erinnert. Die Formel 1 huldigt ihm an diesem noch trockenen Tag.
Ligier bleibt hinter den Erwartungen zurück. Der Mugen-Honda-Motor streikt einmal mehr und Panis kommt über Rang 14 nicht hinaus. Da Überholen in Monaco fast unmöglich ist, muss sich der Franzose mit dem Gedanken anfreunden, ohne (damals nur bis zum sechsten Platz verteilte) WM-Punkte zu bleiben.
Doch am Sonntagvormittag kommt der große Regen: Beim Start im Nassen düpiert WM-Leader Damon Hill seinen Erzrivalen Schumacher und übernimmt die Führung, die er schon auf der ersten Runde ausbaut. Der Brite scheint fortan zu fliegen.
Bei dem Versuch, die Lücke nicht zu groß werden zu lassen, übertreibt es Schumacher. Er kommt auf einen nassen Randstein, verliert die Kontrolle über sein Auto und kracht in die Leitplanke.
Zu Fuß geht es für den Deutschen zurück zur Box, auf dem Motorrad zurück nach Hause - und ist bis dato keine zwei Kilometer gefahren. Erst zwei Wochen später reicht es in Barcelona zu einem Sensationssieg im Regen.
Im Mittelfeld beginnen die Teile zu fliegen: Nach zehn Runden sind zehn Autos nicht mehr im Rennen, acht davon nach Unfällen.
Im Mittelfeld beginnen die Teile zu fliegen: Nach zehn Runden sind zehn Autos nicht mehr im Rennen, acht davon nach Unfällen.
Während Hill sowie die Benetton-Piloten Jean Alesi und Gerhard Berger vorne wegziehen, hält der viertplatzierte Eddie Irvine im zweiten Ferrari das restliche Feld auf. Es gibt einen Stau und Heinz-Harald Frentzen (Sauber) verliert die Geduld. Sein Frontflügel geht zu Bruch.
Panis macht alles richtig: Er überholt Martin Brundle (Jordan), Mika Häkkinen (McLaren) und Johnny Herbert (Sauber), ehe er als erster Pilot auch Irvine mit einem beherzten Manöver in der Loews-Kurve kassiert. Dazu brandschnelle Runden, ein perfekter Boxenstopp, um auf Slickreifen zu wechseln und etwas Sprit nachzuschütten.
Hill, dessen Vater in Monaco fünfmal gewonnen hat, bringt das Fürstentum kein Glück. Als er 25 Sekunden Vorsprung auf die Verfolger hat, flackert eine Warnleuchte im Cockpit auf. Kurz darauf verabschiedet sich der Renault-Motor mit Flammen und Hill muss abstellen.
Der nächste Pechvogel auf Platz eins heißt Alesi. Bei ihm macht die Hinterradaufhängung Probleme, weshalb er seinen Benetton mit einem sicheren Sieg vor Augen abstellen muss. Der Traum von dem zweiten Sieg seiner Formel-1-Karriere platz wie eine Seifenblase, er ist völlig frustriert.
Einer der Profiteure: Michael Schumacher. Pardon! Das ist natürlich McLaren-Pilot David Coulthard, der sich bei seinem Kollegen einen Helm geliehen hat, weil das Visier seines eigenen ständig beschlug. Der Schotte wird trotz katastrophaler Boxenstrategie auf Platz zwei vorgespült...
...und beglückwünscht Sauber-Fahrer Johnny Herbert, der das Podium als Dritter komplettiert.
Heinz-Harald Frentzen wird als Vierter gewertet, hat aber sein Auto bereits eine Runde vor Schluss als Sicherheitsmaßnahme abgestellt - als er fälschlicherweise schon abgewunken ist. Der Grand Prix wird auch gar nicht über die Distanz, sondern über das Zwei-Stunden-Zeitlimit beendet.
Bei Panis kennt der Jubel über seinen ersten Formel-1-Sieg keine Grenzen. Er schafft es als erster Franzose in einem französischen Auto in Monaco zu gewinnen und krönt seine Karriere, ohne es zu wissen. Auch wenn er es vielleicht schon geahnt haben dürfte.
Der Monaco-Grand-Prix 1996 geht als das Rennen in die Geschichte ein, bei dem die wenigsten Autos das Ziel erreichen - neben der 1966er Ausgabe. In zwei Stunden Rennzeit fallen 18 von 22 Autos aus, 14 davon infolge von Unfällen und Kollisionen.
Ein millionenteurer Schrottplatz, "Schumacher" im McLaren und ein Rennen mit nur vier Autos im Ziel, das den Führenden kein Glück brachte