Unfälle pflastern seinen Weg: Robert Kubica erlebt eine aufregende Motorsport-Karriere
Super talentiert, als kommender Weltmeister gehandelt, tief gefallen und wieder zurückgekämpft: Robert Jozef Kubica erlebt eine wahrhaft belebte Karriere, die je nach Betrachtungsweise Märchen, Tragödie oder Drama sein kann.
Der gebürtige Krakauer lernt seine ersten Sporen mit vier Jahren, als er in einem Auto mit vier PS um Plastikflaschen fährt. Das hilft ihm später beim Kartfahren, wo er in Polen und Italien Titel um Titel gewinnt. 2001 folgt der Aufstieg in den professionellen Formelsport.
Nach der Vizemeisterschaft in der Italienischen Formel-Renault 2000 wechselt Kubica in die Formel-3-Euroserie. Doch ein Unfall im Straßenverkehr, bei dem er sich einen Arm bricht, verhindert ein schnelles Debüt. Erst beim siebten Saisonlauf auf dem Norisring ist Kubica wieder dabei. Trotz 18 Titanschrauben im Arm gewinnt er!
2004 wird der Krakauer schließlich Zweiter beim Prestigerennen in Macau, ein Jahr später gewinnt er sogar die Meisterschaft in der Formel-Renault 3.5. Das bringt ihm sogar für 2005 Formel-1-Testfahrten mit dem Renault-Team ein, die in jener Saison mit Fernando Alonso die Weltmeisterschaft gewinnen können.
Doch Renault lässt sich die Chance auf Kubica entgehen: Das neu gegründete BMW-Sauber-Team schlägt zu und verpflichtet den damals 21-Jährigen hinter Nick Heidfeld und Jacques Villeneuve als Ersatzfahrer. Doch die Einsatzchance sollte schneller kommen, als Kubica wohl selbst gedacht hätte ...
Ausgerechnet ein Unfall verhilft ihm 2006 zu seinem Formel-1-Debüt. Jacques Villeneuve schmeißt das Auto beim Deutschland-Grand-Prix weg und klagt danach (angeblich) über Kopfschmerzen, sodass Kubica in Ungarn einspringt. Was da keiner weiß: Villeneuve wird nie wieder in die Formel 1 zurückkehren.
Kubica bleibt im Auto und dankt es auf Anhieb: Zwar wird er beim Debütrennen wegen Untergewicht disqualifiziert, doch schon beim dritten Einsatz in Monza fährt er mit dem BMW-Sauber auf das Podest. Natürlich ist er damit der erste Pole, dem das gelungen war. So bleibt er auch für 2007 an Bord.
In den ersten Rennen fährt er konstant in die Punkte, bis der verhängnisvolle Kanada-Grand-Prix ansteht. In Runde 27 kommt er im Kampf mit Jarno Trullis Toyota von der Strecke ab und schlägt mit rund 300 km/h in die Streckenbegrenzung. Kubicas Bolide überschlägt sich mehrfach und bleibt schließlich in der Spitzkehre liegen.
Viele befürchten das Schlimmste, als Kubica von den Streckenposten geborgen und ins Medical-Center gebracht wird. Doch Entwarnung: Der Zustand des Polen ist stabil. Trotz des Horrorcrashs kommt er mit einer Gehirnerschütterung und einem verstauchten Knöchel davon. Nur ein Rennen verpasst er: Es ist das Debüt von Sebastian Vettel!
Kubica kehrt mit zwei vierten Plätzen zurück und bringt das Jahr anständig zu Ende. Im Jahr darauf macht der Krakauer allerdings noch einmal einen richtigen Schritt. Schnell mausern sich Kubica und BMW-Sauber 2008 zum Geheimfavoriten auf den WM-Titel. Zwischenzeitlich führt man sogar die WM an.
Und dafür hätte es keinen passenderen Ort geben können: Ein Jahr nach seinem Horrorcrash gewinnt er in Kanada vor Teamkollege Nick Heidfeld, nachdem Lewis Hamilton Kimi Räikkönen in der Boxengasse eliminiert hatte. Es ist sein erster und bislang einziger Sieg. Weil das Team danach schwächelt, wird es mit dem Titel nichts.
Nach einer enttäuschenden Saison 2009 wechselt Kubica schließlich zu Renault, wo er an der Seite von Witali Petrow zum Teamleader wird. Kubica fährt dreimal auf das Podest und gilt für die Saison 2011 als Geheimfavorit, doch der Beweis erübrigt sich schnell ...
Nach den ersten Testfahrten, die er als Schnellster abschließt, kommt es am 6. Februar zu dem Tag, der sein Leben verändern sollte. Bei der ersten Etappe der Ronde di Andora verunfallt er mit seinem Skoda Fabia schwer. Eine Leitplanke bohrt sich durch sein Auto und verletzt Kubica lebensgefährlich.
Der rechte Arm des Polen wird nahezu zertrümmert. In einer Notoperation retten die Ärzte Kubicas Leben, doch an eine Fortsetzung der Formel-1-Karriere ist überhaupt nicht zu denken. Zwar hofft Renault auf positive Zeichen für 2012, doch es wird schnell klar, dass Kubica nicht fit werden würde.
Auch 2012 verbringt er die meiste Zeit abseits des Motorsports, doch im September kehrt er in einem Rallye-Auto zurück auf die Bühne - und gewinnt. Fortan widmet er sich dem Rallye-Sport, dem er drei Jahre in Vollzeit treu bleibt. Er gewinnt 2013 die WRC2 und feiert mit seinem eigenen Team Achtungserfolge in der WRC.
Doch Kubicas Leidenschaft bleibt die Formel 1. Immer wieder testet er mit Renault oder Mercedes im Simulator, auch wenn die Königsklasse aufgrund seiner körperlichen Einschränkungen noch weit entfernt scheint. Im Juni 2017 darf er jedoch erstmals ein echtes Formel-1-Auto testen: einen Lotus E20 in Valencia.
Der Test verläuft erfolgreich. Kubica erklärt hinterher, dass es sich so angefühlt habe, als sei er nie weg gewesen. Auch die Einschränkungen seien kaum ein Problem gewesen. Bei den Formel-1-Tests in Budapest folgt daher ein Einsatz in einem aktuellen 2017er-Auto.
Weil er bei Renault keine Zukunft sieht, wechselt er zu Williams, wo er im Kampf um das Stammcockpit 2018 gegen Sergei Sirotkin den Kürzeren zieht. Doch nach einigen Testeinsätzen gibt er nicht auf und verfolgt seinen Traum ...
... bis er schließlich 2019 als Stammpilot des Williams-Teams neben George Russell bestätigt wird. Der Pole hat es tatsächlich geschafft. Acht Jahre nach seinem Rallye-Unfall ist er zurück in der Formel 1. Allerdings erwischt er mit dem FW42 keinen guten Saisonstart.
Der Pole sitzt im langsamsten Auto 2019 und fährt dem Feld hoffnungslos hinterher. Die ersten fünf Saisonrennen beendet er allesamt als Letzter. In Baku verunfallt er im Qualifying - ein Sinnbild für die gesamte Saison. Beim chaotischen Rennen in Hockenheim gelingt ihm jedoch die Sensation: Platz zehn und damit ein WM-Punkt.
Doch er wird bei Williams von Nicholas Latifi ausgebootet und sucht sein Heil in der DTM. Mit dem privaten ART-BMW tut er sich schwer und holt nur einen Punkt aus 15 Rennen. Doch in Zolder gelingt der Durchbruch: Ein sensationeller dritter Platz! Das sollte jedoch der einzige Erfolg bleiben; er wird in der Tabelle Drittletzter.
Daneben fährt Kubica einige Freitagseinsätze für das Alfa-Romeo-Team. Kurios: Auch am "Young-Driver-Test" nimmt er im Alter von 36 Jahren teil. Viel zu holen ist nicht: Der Alfa Romeo C39 ist kaum konkurrenzfähig. Ein Fingerzeig ist damit nicht möglich.
2021 kommt er in Zandvoort und Monza zu einem überraschenden Comeback: Als Ersatz für den an Corona erkrankten Kimi Räikkönen fährt er im Alfa Romeo auf die unspektakulären Plätze 15 und 14. Es dürften seine beiden letzten Rennen in der Königsklasse gewesen sein, denn Ende 2022 endet nach drei Jahren Kubicas Zeit bei Alfa Romeo.
Unfälle pflastern seinen Weg: Robert Kubica erlebt eine aufregende Motorsport-Karriere