Von Schlange bis Hornisse, von Ralf Schumacher bis Katie Price: Die Geschichte des Jordan-Teams ist verrückt, kurios - und teilweise auch ziemlich erfolgreich
Sexy Frauen, verrückte Lackierungen, irre Geschichten: Jordan ist anders! 15 Jahre begeistert der kleine Rennstall die große Formel-1-Welt - und sorgt auch sportlich immer wieder für das ein oder andere Ausrufezeichen. Wir blicken zurück auf das Lebenswerk von Eddie Jordan, der in der Königsklasse mehr war als nur ein einfacher Teamchef. Dabei fängt alles zunächst einmal ganz klein und sittsam an ...
1991 steigt Jordan mit seinem 1980 gegründeten Rennstall von der Formel 3000 in die Formel 1 auf. Die ersten Punkte im Jordan 191 - damals noch im schicken Grün - fahren Andrea de Cesaris und Bertrand Gachot in Kanada mit den Plätzen vier und fünf ein. In seiner Debütsaison belegt der Rennstall am Ende des Jahres einen starken fünften Platz. Heimlicher Star der ersten Jordan-Saison ist ein Deutscher ...
In Belgien startet 1991 nämlich ein gewisser Michael Schumacher im Jordan-Cockpit in seine Formel-1-Karriere. Obwohl der Deutsche im Rennen mit einem Kupplungsdefekt bereits wenige Meter nach dem Start ausrollt, beginnt hier die einmalige Karriere des Rekordchampions. Michael Schumacher ist das größte Talent, dass das Team in 15 Jahren Formel 1 hervorbringt.
Die Jahre 1992 und 1993 verlaufen deutlich weniger erfolgreich. In beiden Saisons reicht es insgesamt lediglich zu vier mageren WM-Zählern. Wie so oft in der Formel 1 spielen vor allen finanzielle Gründe eine Rolle für den Leistungsabfall. So setzt das Team 1992 auf Yamaha-Motoren, da diese kostenlos zu haben sind. 1993 setzt das Team, nun mit Hart-Aggregaten ausgestattet, überwiegend Pay-Driver ein, die häufig für Kleinholz sorgen. Trotzdem gibt es auch in diesen schwierigen Jahren positive Aspekte: Mit Rubens Barrichello und Eddie Irvine fahren zwei spätere Vize-Weltmeister für Eddie Jordan.
1994 folgt der Aufschwung: Die Ergebnisse des Teams, bei dem Barrichello und Irvine nun Stammpiloten sind, stabilisieren sich deutlich und gleich beim zweiten Saisonrennen in Aida gelingt dem Brasilianer der erste Podiumsplatz in der Geschichte des Teams. In Belgien holt der spätere Ferrari-Pilot und mehrfache Grand-Prix-Sieger im gleichen Jahr auch noch die erste Pole-Position für Jordan. Mit 28 Punkten beendet man die Saison erneut auf Platz fünf der Konstrukteurs-Wertung.
Immer wieder Kanada: Vier Jahre nachdem das Team in Montreal seine ersten Punkte holte, sorgen Barrichello und Irvine 1995 an gleicher Stelle für den damals größten Erfolg des Teams. Hinter Jean Alesi holen die beiden die Plätze zwei und drei. Damit stehen erstmals zwei Jordan-Piloten auf dem Podest. Die Saison beendet das Team auf dem sechsten WM-Platz. In diesen Jahren sind die beiden Piloten das Prunkstück des Teams. Die logische Konsequenz: Irvine wird 1996 von Ferrari abgeworben, Barrichello zieht es 1997 zum neuen Stewart-Team. Doch Eddie Jordan hat für die neue Saison bereits einen Plan ...
Der clevere Ire lockt erneut einen Schumacher in sein Team: Sechs Jahre nach Michael feiert 1997 Bruder Ralf sein Debüt in der Königsklasse - ebenfalls für Jordan. An seiner Seite: Der Italiener Giancarlo Fisichella, der 1996 bereits einige Rennen für Minardi absolvierte. Eddie Jordan hat auch dieses Mal wieder den richtigen Riecher: Beide Piloten werden im Verlauf ihrer Karrieren mehrere Grands Prix gewinnen.
1997 verhelfen sie Jordan erst einmal zu Rang fünf in der Weltmeisterschaft. Ralf Schumacher steht gleich bei seinem dritten Formel-1-Rennen in Argentinien erstmals auf dem Podium, Fisichella schafft es in Kanada und Italien auf das Treppchen. Erstmals holt Jordan damit drei Podestplätze in einer Saison. Der Aufwärtstrend ist nun klar erkennbar und für 1998 lässt sich Eddie Jordan etwas ganz besonderes einfallen ...
Der Teamchef fädelt nicht nur einen Motorendeal mit Honda ein, mit Damon Hill verpflichtet er auch einen ehemaligen Weltmeister für seinen Rennstall. Außerdem tritt das Team in dieser Saison erneut in der legendären Farbkombination Schwarz und Gelb an, welche das Aussehen der Boliden bis zum Aus des Rennstalls im Jahr 2005 prägen wird. Ebenfalls legendär sind die "tierischen" Lackierungen dieser Zeit: Während der 197 noch als Schlange unterwegs war, sticht der 198 als Hornisse zu.
Sportlich gelingt 1998 in Spa der erste ganz große Erfolg: Beim chaotischen Großen Preis von Belgien sehen lediglich sechs Autos die Zielflagge, was Jordan gnadenlos ausnutzt. Hill und Schumacher gelingt der erste und einzige Doppelerfolg in der Geschichte des Teams. Einen faden Beigeschmack hat der Triumph allerdings für den Deutschen: Weil Teamchef Jordan den Sieg nicht in Gefahr bringen möchte, untersagt er Schumacher per Funk, den führenden Hill zu attackieren. Der gehorcht und verpasst so die Chance auf seinen ersten Grand-Prix-Sieg.
1999 wird zur mit Abstand erfolgreichsten Saison in der Geschichte des Teams. Zu Beginn des Jahres tauschen Heinz-Harald Frentzen und Ralf Schumacher die Cockpits: Schumacher wechselt zu Williams und sein Landsmann übernimmt bei Jordan. Eddie Jordan kann mit diesem Wechsel mehr als gut leben, denn gleich in den ersten beiden Rennen des Jahres in Australien und Brasilien schafft Frentzen es auf das Podium.
Im Laufe der Saison schafft der Deutsche es insgesamt sechsmal auf das Podest, die Rennen in Magny-Cours und Monza kann er sogar gewinnen. Nach seinem Sieg in Italien scheint sogar der ganz große Wurf möglich: Frentzen liegt in der WM auf Position drei und nur zehn Punkte hinter Spitzenreiter Mika Häkkinen. Am Ende des Jahres reicht es aber nicht ganz, Frentzen und Jordan beenden die WM jeweils auf Rang drei. An diese Erfolge wird das Team nie wieder anknüpfen können.
Bereits im Jahr 2000 befindet sich Jordan im Sinkflug. Zwar holt Frentzen im neuen EJ10 in Brasilien und Indianapolis noch einmal zwei dritte Plätze, am Ende des Jahres reicht es aber nur zu mageren 17 Punkten und WM-Platz sechs für das Team. Weniger Zähler hatte man zuletzt 1993 geholt. Die schlechten Ergebnisse sorgen auch hinter den Kulissen für schlechte Stimmung ...
2001 kommt es zum großen Knall: Jordan entlässt Frentzen mitten in der Saison. Ausgerechnet vor dessen Heimspiel auf dem Hockenheimring zieht der Ire den Stecker. Offiziell wirft er Frentzen fehlende Motivation vor, doch Gerüchte besagen, dass der Deutsche für den strauchelnden Rennstall schlicht und ergreifend zu teuer geworden ist. Auf Rosen gebettet ist das kleine Team nie, wirklich gravierend werden die finanziellen Probleme allerdings erst später.
Die Saison 2001 kann das Team noch einmal auf WM-Rang fünf beenden, danach rutscht man endgültig ins hintere Mittelfeld ab. 2002 setzt man mit Takumo Sato einen von Motorenpartner Honda unterstützen Piloten in den EJ12. Finanziell ist das eine Erleichterung, sportlich ist der Japaner allerdings keine große Hilfe. Am Ende des Jahres belegt Jordan mit mageren neun Punkten den sechsten Platz in der WM.
2003 folgt der nächste Rückschlag: Mit Honda springt der Motorenpartner der erfolgreichen Jahre ab, um sich auf sein Engagement bei BAR zu konzentrieren. Das Team muss fortan mit Kundenmotoren von Ford an den Start gehen. Es folgt eine katastrophale Saison, in der man lediglich Platz neun in der Weltmeisterschaft belegt - das schlechteste Endergebnis seit 1993. Trotzdem gibt es auch in diesem Jahr eine Sternstunde ...
Giancarlo Fisichella gewinnt sensationell und unter chaotischen Umständen das Abbruchrennen in Interlagos. Bei der Siegerehrung steht der Italiener lediglich auf dem zweiten Platz, erst einige Tage später wird das Endergebnis offiziell korrigiert. Somit kommt Jordan am Grünen Tisch zum vierten und letzten Grand-Prix-Sieg seiner Geschichte. Irgendwie passt dieses Kuriosum ganz gut in die Historie des Rennstalls.
Doch vor allem die finanziellen Schwierigkeiten machen dem Team in diesen Jahren zu schaffen. 2003 verklagt Eddie Jordan in seiner Verzweiflung sogar die Telekommunikationsfirma Vodafone auf 150 Millionen Pfund. Der Vorwurf: Man habe einen mündlichen Vertrag geschlossen, den Vodafone gebrochen habe. Die Briten steigen stattdessen groß bei Ferrari ein. Zwei Monate später zieht Jordan seine Anschuldigungen zurück, womit das Schicksal des Teams quasi besiegelt ist.
Die Saison 2004 bringt man noch über die Bühne (fünf Punkte, WM-Platz neun), doch als sich dann auch noch Motorenpartner Ford zurückzieht, folgt der endgültige Kollaps. Anfang 2005 muss Eddie Jordan seinen Rennstall an die Midland-Gruppe verkaufen. Der Name Jordan bleibt der Formel 1 noch eine Saison erhalten, ab 2006 heißt der Rennstall Midland, später dann Spyker, ab 2008 Force India, dann Racing Point und seit 2021 Aston Martin.
Für das letzte kleine Highlight in der Geschichte des Teams sorgt 2005 Tiago Monteiro. Beim Skandalrennen in Indianapolis, an dem lediglich sechs Autos teilnehmen, holt der Portugiese Rang drei und damit den letzten Podestplatz in der Jordan-Geschichte. Am 16. Oktober 2005 ist dann endgültig Feierabend: Nach exakt 250 Grands Prix verabschiedet sich der Name Jordan nach dem Großen Preis von China aus der Formel 1.
Von Schlange bis Hornisse, von Ralf Schumacher bis Katie Price: Die Geschichte des Jordan-Teams ist verrückt, kurios - und teilweise auch ziemlich erfolgreich