• 11.03.2011 14:23

  • von Stefan Ziegler & Dieter Rencken

Mercedes: "Wenn alles passt, bist du der Held"

Ross Brawn und Norbert Haug analysieren die Situation des Mercedes-Teams und sprechen über die Ausgangslage vor dem Saisonstart der Formel 1

(Motorsport-Total.com) - Im spanischen Barcelona findet derzeit der vierte und letzte Gruppentest vor dem Saisonbeginn der Formel 1 statt. Auch das Mercedes-Werksteam ist mit von der Partie und versucht, die letzten Tests für Verbesserungen am W02 zu nutzen. Entsprechend viele Neuerungen probierten Nico Rosberg und Michael Schumacher auf dem Circuit de Catalunya aus. Aber wo steht Mercedes damit eigentlich?

Titel-Bild zur News: Michael Schumacher

Michael Schumacher und Mercedes arbeiten an der Leistung des W02-Autos

Mit dieser Frage setzten sich Teamchef Ross Brawn und Mercedes-Sportchef Norbert Haug im Rahmen einer Medienrunde am Donnerstagabend auseinander. Der Tenor: Abwarten, denn das erste wirkliche Kräftemessen erfolgt im Albert Park von Melbourne, wo die Formel-1-Saison 2011 ihren Auftakt nimmt. Rein von den Testergebnissen her könne man derzeit kaum Vorhersagen anstellen.

Haug hat allerdings "ein Dutzend Autos" auf der Rechnung, wenn es in wenigen Wochen darum geht, einen Rennsieger zu finden. "Es ist möglicherweise ziemlich klar, wer am schnellsten ist und die konstantesten Rundenzeiten hinlegt. Danach gibt es wahrscheinlich eine Lücke von rund einer Sekunde, dann folgt das zweite Team. An dritter Stelle liegen eine handvoll Rennställe", meint Haug.

Diese Gruppe werde wohl beim Großen Preis von Australien um den dritten Rang kämpfen. "Wir haben aber schon in der Vergangenheit gesehen, dass sich all das nach den Tests noch verändern kann - von einem Tag auf den anderen", sagt Haug und merkt an: "Wenn unser Paket so passt, wie wir uns das ausgemalt haben, dann können wir vielleicht einen guten Schritt nach vorne machen."

Mercedes möchte sich von Rang drei aus verbessern

"Gelingt dies nicht, müssen wir unsere Möglichkeiten weiter sondieren. Es ist schwierig, Vorhersagen zu treffen. Das macht es unterm Strich aber auch so interessant", findet der Mercedes-Sportchef und zeigt sich zuversichtlich: "Ich denke, wir bewegen uns in eine gute Richtung. Es ist sicherlich nicht einfach, vom vierten auf den ersten Platz nach vorne zu gelangen." Die Marschroute stimme aber.

"Das Ziel muss sein, von Rang vier aus auf Position drei, auf Position zwei vorzufahren." Norbert Haug

"Das Ziel muss sein, von Rang vier aus auf Position drei, auf Position zwei vorzufahren. Gleichwohl muss man festhalten: Der Kampf an der Spitze ist überaus hart. Vielleicht können einige Teams auch überraschen. Manche Rennställe konnten sehr gute Rundenzeiten hinlegen, doch Testfahrten sind Testfahrten. Ich nehme diese Rundenzeiten jedenfalls ernst und unterschätze solche Zeiten nicht."


Fotos: Mercedes, Testfahrten in Barcelona


"Wir haben noch ein paar gute Entwicklungen in der Pipeline. Wenn diese mit dem aktuellen Auto harmonieren, dann war es die richtige Entscheidung, die zur Verfügung stehende Zeit zum Evaluieren des Limits zu verwenden. Seit dem ersten Test sind mehr als fünf Wochen vergangen. Das ist etwa zehn Prozent der gesamten Entwicklungszeit. Wenn alles passt, bist du der Held", erklärt Haug.

Bei der Entwicklung ist immer ein Risiko an Bord

"Funktioniert es nicht, wirst du von allen Seiten kritisiert. Man muss aber die Grenzen ausloten, wenn man Fortschritte machen will", stellt der Deutsche heraus. "Man nehme ein Team wie McLaren als Beispiel. Ich bin mir sicher, sie kommen wieder auf die Beine. Wer einen Schritt nach vorne machen will, der stolpert manchmal. Später kann man sich wieder berappeln", gibt Haug zu Protokoll.

"Wer einen Schritt nach vorne machen will, der stolpert manchmal." Norbert Haug

"Versucht man aber gar nicht erst, einen Schritt zu machen, dann hat das unweigerlich Stillstand zur Folge - und das ist keine Option", stellt der Mercedes-Sportchef klar. Brawn sieht die Situation ähnlich und zeigt sich zufrieden mit den bisherigen Leistungen des W02: "Das Fahrzeug macht, was wir von ihm erwartet hatten. Die Zeiten und die Aero-Leistung entsprechen unserer Erwartungshaltung."

"Wir wissen nur nicht, was die anderen geleistet haben. Wir halten uns aus diesem Grund ganz an die aerodynamischen Daten und die Informationen aus dem Windkanal, die gemäß unserer Erwartungen ausfallen", erläutert Brawn und merkt an: "Beim Entwurf eines Autos tendiert man dazu, isoliert zu arbeiten. Bei den ersten Ausfahrten weißt du deswegen nicht, wo du dich einsortieren musst."

Ist Red Bull in diesem Jahr die Formel-1-Referenz?

"Man kann sich natürlich ein gewisses Bild machen. Wir befinden uns in der glücklichen Position, die vergangenen Jahre als Referenzpunkte für die Teams heranziehen zu können. Es gab schon einige Teams, die aufholen mussten. Wenn du aber der Referenzpunkt bist, dann musst du ein bisschen vorsichtiger zu Werke gehen. Man will ja nicht das aufs Spiel setzen, was man sich erarbeitet hat."

"Man wird automatisch ein bisschen konservativer." Ross Brawn

"Wenn man nicht die Referenz darstellt, arbeitet man vielleicht etwas härter und geht eventuell etwas abenteuerlicher und aggressiver zu Werke", meint Brawn. "Aus diesem Grund belegt ein Team, das dominiert, nicht ständig die Spitzenposition. Man wird automatisch ein bisschen konservativer. Wenn du hingegen aufholen musst, kommt es manchmal vor, dass man die anderen dabei auch überholt."

"Das ist ein Teil der Faszination an diesem Business", erklärt der Mercedes-Teamchef und fügt hinzu: "Red Bull ist offensichtlich sehr stark in dieses Jahr gegangen und ich rechne damit, dass sie in der ersten Phase der Saison den Referenzpunkt darstellen werden. Sie gilt es zu schlagen, um Rennen zu gewinnen. Das ist meine Einschätzung. Es ist nicht unmöglich, genau das zu schaffen."

Brawn will Schumachers Andeutung widerlegen

"In der Formel 1 können sich die Dinge sehr rasch verändern. Angesichts der neuen Reifen und all der anderen neuen Faktoren sollte der Sport ohnehin sehr aufregend sein. In den ersten Rennen kann es auch passieren, dass nicht das schnellste Auto als Sieger durchs Ziel fährt", sagt Brawn. Stammpilot Schumacher hatte vor Kurzem angedeutet, dass Mercedes nicht ganz vorne mit dabei sei.

"Wir hatten das Gefühl, ein bisschen zurück zu liegen." Ross Brawn

Brawn winkt ab: "Ich denke, im Augenblick ist es noch immer sehr schwierig, einzuschätzen, wer wo steht. Wir hatten das Gefühl, ein bisschen zurück zu liegen. Unsere Verbesserungen sollten uns in eine konkurrenzfähige Position bringen. Du weißt aber halt nie, was die anderen Teams tun oder welche Fortschritte sie machen. In Melbourne sollten wir allerdings ziemlich gut aussehen."

"Ich kann nur nicht sagen, wie das Kräfteverhältnis um Augenblick aussieht. Es ist einfach schwer zu sagen", hält der Teamchef fest. "Am Donnerstagnachmittag hatten wir beispielsweise recht wenig, aber nicht sehr wenig Benzin im Tank. Wir schienen jedenfalls die einzigen zu sein, die bei wärmeren Temperaturen relativ leicht fuhren. Hoffentlich können wir die Aussagen von Michael widerlegen."