Regen-Schlachten, Disqualifikationen und missachtete Teamordern: Der Malaysia-Grand-Prix sorgte regelmäßig für Drama
Konstruiert von Hermann Tilke (übrigens mit Hilfe unseres Formel-1-Experten Marc Surer), feiert der Sepang International Circuit im Jahr 1999 seine Premiere in der Weltmeisterschaft. Es ist die erste einer ganzen Reihe neuer Rennstrecken im asiatischen und arabischen Raum, die in den Folgejahren in den Kalender aufgenommen werden. Malaysia markiert somit den ernsthaften Beginn der globalen Expansion der Königsklasse des Motorsports.
Gefeierter Held des ersten Malaysia-Grand-Prix ist Michael Schumacher: Sechs Rennen oder 98 Tage nach seinem Beinbruch in Silverstone fährt er die Konkurrenz im Qualifying in Grund und Boden, lässt sich im Rennen aber gleich zweimal freiwillig hinter seinen Teamkollegen Eddie Irvine zurückfallen, der den Sieg holt und damit seine WM-Chancen wahrt. Mika Häkkinen (McLaren) wird hinter den beiden Ferrari-Stars nur Dritter. Zunächst.
Denn unmittelbar nach dem Rennen erklärt die FIA die seitlichen Windabweiser am Ferrari F399 für illegal, Häkkinen damit zum Sieger - und vorzeitig auch zum Weltmeister. Erst bei der Berufungsverhandlung in Paris argumentiert Ferrari-Mastermind Ross Brawn so geschickt mit Messtoleranzen, dass das ursprüngliche Ergebnis wiederhergestellt wird.
Im Jahr 2000 findet erstmals das Saisonfinale in Sepang statt. Michael Schumacher (Ferrari) steht bereits als Fahrer-Weltmeister fest, doch vom Start weg dominieren zunächst die McLaren-Piloten. Bis Mika Häkkinen wegen Frühstarts eine Stop-&-Go-Strafe aufgebrummt bekommt und David Coulthard nach einem Ausritt vorzeitig an die Box kommen muss.
Schumacher staubt den Sieg ab und sichert Ferrari damit zum zweiten Mal hintereinander den Triumph in der Konstrukteurs-WM. Gefeiert wird das erste Ferrari-WM-Double seit 1979 völlig ausgelassen mit roten Perücken.
Wenige Monate später macht die Formel 1 erneut Halt in Malaysia - seitdem findet der Grand Prix im ersten Teil der Saison statt. Und das Rennen beginnt schon turbulent, als Giancarlo Fisichella seinen Benetton vor der Aufwärmrunde quer zum Grid parkt, weil er seinen richtigen Startplatz nicht findet. Aber auch Heinz-Harald Frentzen (Jordan), Juan Pablo Montoya (Williams) und Kimi Räikkönen (Sauber) haben schon vor dem Start ihre ersten Probleme.
Das Rennen artet dann im totalen Chaos aus, als es in der dritten Runde monsunartig zu regnen beginnt. Die beiden führenden Ferraris kreiseln gleichzeitig von der Strecke, Jarno Trulli (Jordan) übernimmt kurzzeitig die Spitze. Jacques Villeneuve kann seinen BAR selbst hinter Safety-Car-Fahrer Bernd Mayländer nicht auf dem Asphalt halten. Nachdem wieder Ruhe einkehrt, dominieren die Ferraris auf Intermediate-Reifen die Konkurrenz: Michael Schumacher gewinnt fast eine halbe Minute vor seinem Teamkollegen Rubens Barrichello.
Im Jahr 2002 rutscht Michael Schumachers untersteuernder Ferrari in den Williams von Juan Pablo Montoya. Letzterer kassiert dafür eine umstrittene Stop-&-Go-Strafe. Also spitzt sich der Kampf um den Sieg auf ein Duell zwischen Ralf Schumacher (Williams) und Rubens Barrichello (Ferrari) zu - mit unterschiedlichen Strategien: Schumacher setzt auf einen Stopp, Barrichello auf zwei.
Doch als der Ferrari-Pilot mit Motorschaden an zweiter Stelle liegend ausscheidet, ist der Weg frei für den "kleinen" Schumacher: Ralf feiert den vierten seiner insgesamt sechs Grand-Prix-Siege. Montoya wird am Ende nach McLaren-Doppelausfall noch Zweiter, der ältere Schumacher Dritter.
2003 gehen in Malaysia gleich zwei Sterne auf: Fernando Alonso (Renault) macht sich zum bis dato jüngsten Formel-1-Fahrer, der je eine Pole-Position geholt und ein Rennen angeführt hat, und Kimi Räikkönen feiert nach seinem Wechsel von Sauber zu McLaren seinen ersten Grand-Prix-Sieg. Der kühle Finne bewahrt in der tropischen Hitze einen kühlen Kopf. Die Legende des "Iceman" ist geboren.
2005 beenden ein von der Hitzeschlacht völlig geschlauchter Fernando Alonso (Renault), Jarno Trulli (Toyota) und Nick Heidfeld (Williams) eine Serie von 22 Ferrari-Podestplätzen hintereinander, noch dazu im 200. Grand Prix von Ferrari-Routinier Rubens Barrichello.
Noch weit und breit kein "Krieg der Sterne": Fernando Alonso feiert im zweiten Rennen auf McLaren seinen ersten Sieg, kommt 2007 zum zweiten Mal vor Teamkollege Lewis Hamilton ins Ziel. Da hängt der Haussegen in Woking noch nicht schief. Im Vorfeld des Rennens sorgen technische Diskussionen über die Verwendung von Kundenautos sowie flexible Unterböden für Diskussionen.
Polesetter Felipe Massa geht 2008 auch im zweiten Saisonrennen leer aus - nach einem Fahrfehler, der ihm jede Menge Kritik einbringt. Sieger wird ausgerechnet sein Ferrari-Teamkollege, der amtierende Weltmeister Kimi Räikkönen. Im späteren WM-Duell zwischen Massa und Lewis Hamilton (McLaren) steht es damit 0:14.
Von der Pole-Position aus gestartet, fällt Jenson Button (Brawn) zunächst auf Platz vier zurück, doch als der große Regen kommt, führt er den Grand Prix von Malaysia 2009 längst wieder an. Wegen unfahrbarer Bedingungen muss das Rennen in Runde 33 vorläufig unterbrochen werden. Es führt Button vor dem richtigerweise mit Intermediates bestückten Timo Glock (Toyota) und Nick Heidfeld (BMW).
Wegen einbrechender Dunkelheit (Rennen erstmals um 17:00 Uhr gestartet) und beständigen Regens muss schlussendlich zum ersten Mal seit Adelaide 1991 vor Erreichen von 75 Prozent der Renndistanz abgebrochen werden. Sieger Button erhält nur halbe Punkte. Weil das Ergebnis nach 31 Runden in die Wertung kommt, holt Heidfeld als Zweiter das erste KERS-Podium der Geschichte, noch vor Landsmann Glock.
Ein Jahr später: Sebastian Vettel (Red Bull) gewinnt vom dritten Platz aus den Start und damit auch den Grand Prix vor Teamkollege und Polesetter Mark Webber. Aus deutscher Sicht ist der 4. April 2010 ein Freudentag: Mit Vettel und Nico Rosberg (erster Top-3-Platz eines Silberpfeils seit Monza 1955) stehen zwei Deutsche auf dem Podium, und Nico Hülkenberg (Williams) holt als Zehnter den ersten WM-Punkt seiner Karriere.
2011 feiert Sebastian Vettel (Red Bull) auf dem Weg zu seinem zweiten WM-Titel einen souveränen Sieg, aber die Geschichte des Rennens schreiben die ehemaligen Teamkollegen Lewis Hamilton (McLaren) und Fernando Alonso (Ferrari) im Kampf um Platz zwei - für den beide mit einer Zeitstrafe belegt werden: Alonso, weil er im Duell mit Hamilton auf dessen Fahrzeug auffährt, Hamilton für zu häufiges Spurwechseln. So ist der Weg auf das Podium frei für Jenson Button (McLaren) und Nick Heidfeld (BMW).
Doppel-Pole für McLaren, Michael Schumacher (Mercedes) auf dem dritten Startplatz im Jahr 2012. Aber im Regenrennen kristallisiert sich Fernando Alonso im vermeintlich hoffnungslos unterlegenen Ferrari als Führender heraus, gefolgt von Überraschungsmann Sergio Perez (Sauber), der dank eines frühen Reifenwechsels nach vorne gespült wird - und bei seiner Aufholjagd auf Alonso dann fast von der Strecke. Am Ende bleibt dem Mexikaner mit Ferrari-Motor nur der zweite Platz.
Im Ferrari-Werksteam ist der Jubel indes grenzenlos: "This is one of the most beautiful", heult Renningenieur Andrea Stella mit gebrochener Stimme am Boxenfunk. "This is one of the most, most beautiful. We are so proud of you, so proud of you and of the team!" Die Legende von "Magic" Alonso ist geboren.
Die "Multi-21-Affäre" von Malaysia 2013: Sebastian Vettel widersetzt sich der Red-Bull-Teamorder, überholt Leader Mark Webber und gewinnt das kontroverse Rennen in Sepang. Selbst Teamchef Christian Horner missfällt das: "Komm schon, Seb, das ist dumm!"
Nach dem Rennen herrscht zwischen den beiden Red-Bull-Fahrern Eiszeit. Webber sagt: "Es hat jeder gesehen, was da draußen passiert ist." Vettel entschuldigt sich zuerst, rudert aber ein paar Tage später zurück: "Ich würde es wieder genauso machen." Viele Beobachter finden: Zum ersten Mal hat der sonst sympathische Deutsche sein zweites Gesicht gezeigt.
Im Schatten der Red-Bull-Kontroverse geht fast unter, dass auch Mercedes eine Stallorder ausspricht, Nico Rosberg nicht an Lewis Hamilton vorbeigehen darf, der Benzin sparen muss. "Das werde ich mir merken", schimpft der Deutsche, der Vierter wird. Und Hamilton schämt sich auf dem Podium: "Eigentlich müsste Nico hier stehen."