• 27.08.2013 14:40

  • von Christian Nimmervoll & Roman Wittemeier

Racing Engineering plant WEC-Einstieg

Racing Engineering wird in die LMP2-Klasse der WEC einsteigen: Lotus im Visier, andere Autos als Alternative - Spätestens 2015 am Start

(Motorsport-Total.com) - Die WEC ist im Aufschwung. Zwar haben sich auch in diesem Jahr einige Teilnehmer nach dem Höhepunkt in Le Mans von weiteren Starts in der Serie distanziert, dennoch ist die Szene im Aufwind. Vor allem vom Porsche-LMP1-Einstieg 2014 wird die Langstrecken-Weltmeisterschaft profitieren. Man gewinnt mehr Aufmerksamkeit, hat ein Reglement, das viele Möglichkeiten offen lässt. Insgesamt wird die Bühne WEC für Fans und Teams noch interessanter.

Titel-Bild zur News: Alfonso de Orleáns-Borbón

Alfonso de Orleans-Borbon platz den Einstieg in der LMP2-Klasse der WEC

Diesen Trend hat Alfonso de Orleans schon längst erkannt. Der Spanier, der mit seinem Team Racing Engineering zahlreiche Erfolge unter anderem in der GP2-Serie eingefahren hat, möchte bereits zum kommenden Jahr mit einem LMP2 in der WEC antreten. "Die GP2 ist im Moment unser Tagesgeschäft, aber unsere Wurzeln liegen in Le Mans, also auf der Langstrecke", sagt der Racing-Engineering-Boss im Gespräch mit 'Motorsport-Total.com'.

Der Adlige - verwandt mit der spanischen Königsfamilie - ist ein leidenschaftlicher Racer. Sein Herz gehört den Sportwagen. "Ich bin selbst Gruppe-C gefahren, ich war in Le Mans und als Team waren wir in Le Mans am Start", sagt er. Als Pilot stand Alfono de Orleans viermal in den Starterlisten von Le Mans (unter anderem mit Kremer-Porsche), sein Team Racing Engineering war in den Jahren 2000 und 2001 jeweils mit einem Porsche zum Langstreckenklassiker gemeldet.

Lotus-Chassis in engster Wahl

Racing Engineering will nun wieder zurück zu den Wurzeln. "Wir wollen in die LMP2-Klasse, wollen zurück nach Le Mans. Die LMP1 ist verrückt, die Klasse kommt für uns nicht in Betracht. Die GTE halte ich auch nicht für kosteneffizient. Nicht, dass die LMP2 besonders günstig wäre, aber diese Klasse halte ich für machbar", meint de Orleans. "LMP1 ist aus meiner Sicht eine Kategorie für Werksteams oder für Leute, die viel Geld ausgeben möchten."

Lotus Praga T128

Der Lotus T128 soll in Brasilien endlich das gesamte Potenzial aufzeigen Zoom

"Ich bin lieber in der LMP2 im Titelkampf als Siebter in der LMP1 zu werden. So etwas wie Rebellion würde mir nicht gefallen. Alle sprechen doch nur von Audi und Toyota, Rebellion wird kaum wahrgenommen. Mit dem gleichen Geld würden sie in der LMP2 ganz vorne sein und alle verblasen", schildert der erfahrene Spanier. Die Vorbereitungen bei Racing Engineering laufen seit vielen Wochen. Der Plan zum Einstieg ist fix, an der Umsetzung wird noch gearbeitet.

"Zwei Möglichkeiten halte ich in Bezug auf 2014 für realistisch: Lotus und Dome. Außerdem gibt es noch Adess in München. Bei denen hängt aber alles davon ab, ob sie genug Kunden finden, um das Auto überhaupt bauen zu können", sagt der 45-jährige "Duke of Galliera". Racing Engineering war kurz davor, bei Lotus zu kaufen. Man schickte einen Ingenieur zum Kodewa-Team, der den Einsatz in Le Mans genau beobachtete. Die Erkenntnis: Das Auto hat Potenzial, aber es rennt noch nicht ordentlich genug.

Das Wochenende der Entscheidung

"Im Moment bin ich vom Lotus noch nicht ganz überzeugt. Das Auto ist sicherlich gut, aber wir haben nun bald Halbzeit der Saison und noch keine guten Ergebnisse von denen gesehen. Wie schnell und zuverlässig ist dieses Fahrzeug tatsächlich? Ich bin mir nicht sicher", so der Spanier. "Der Wagen hat bestimmt großes Potenzial, aber wenn ich mir allein mal anschaue, wie schnell das Auto auf den Geraden von Le Mans und Spa war, dann habe ich bisher noch Zweifel. Dort war der Lotus oft fünf km/h langsamer als die Orecas, die schon ein paar Jahre alt sind. Irgendwas passt an dem Auto noch nicht."

Christophe Bouchut

Enger Freund der Familie de Orleans: Lotus-Pilot Christophe Bouchut Zoom

"Wir schauen uns das WEC-Wochenende in Brasilien genau an. Dann wissen wir vielleicht mehr. Brasilien wird für uns der Punkt sein, wo wir entscheiden müssen. Entweder machen wir es dann sofort, oder wir verschieben es auf 2015", sagt der Teamchef. Lotus steht also am kommenden Wochenende unter genauer Beobachtung. "Viel länger kann man nicht warten, denn man muss die Autos bestellen - die Lieferzeit beträgt zwei bis drei Monate - und vorbereiten. Anschließend kommen die Tests."

"Die Testarbeit machen wir mit unserer GP2-Mannschaft. Alle von unseren Jungs haben Le-Mans-Erfahrung. Es sind Leute von Pescarolo, von Loeb und von Oreca zu uns gekommen. Im operativen Bereich wären wir innerhalb eines Tages bereit", schildert de Orleans. "Für die WEC-Einsätze würden wir eine eigene Mannschaft aufstellen. Nur in Le Mans würde die GP2-Truppe dazukommen, damit sich die beiden Teams abwechseln können - Schichtbetrieb also." Racing Engineering beschäftigt im Moment rund 30 Mitarbeiter.

Notfalls Einstieg erst 2015

"Oreca und Oak bauen für 2015 neue geschlossene Autos. Vielleicht warten wir auch bis 2015", meint der Boss von Racing Engineering. "Wenn wir erst 2015 mit dem Projekt starten, dann wird direkt nach der Le-Mans-Auflage im kommenden Jahr feststehen, welches Paket wir wählen. Unser Sponsor hätte sicherlich Verständnis dafür, wenn wir unseren Start auf 2015 verschieben. Ich will auf jeden Fall ein konkurrenzfähiges Paket. Ich habe keine Lust, nur Tritte in den Hintern zu bekommen - und das vielleicht von Leuten mit Autos, die schon viele Jahre alt sind."

"Der Dome könnte eine Option sein. Dome hat immer gute und schnelle Autos gebaut. Deren Problem war immer die Zuverlässigkeit. So etwas könnte man mit Tests und Entwicklungen aber kurieren", meint der Le-Mans-Liebhaber. "Vielleicht lohnt es sich, bis 2015 zu warten und zu schauen, was Oreca und Oak bauen. Dann hätte ich noch mehr Auswahlmöglichkeiten. Das Ziel ist es allerdings, dass wir schon 2014 dabei sind."

"Der Lotus muss jetzt mal das Potenzial wirklich zeigen. Wenn das Fahrzeug noch etwas Entwicklung braucht, dann ist das kein Problem. Wir können im Winter eine Million Testkilometer abspulen, wenn es sein muss - kein Problem. Aber ist dieses Auto in Zukunft wirklich das Maß der Dinge? Das muss ich wissen", stellt de Orleans klar. Sein Team ist direkt neben der Strecke von Jerez beheimatet. Dort könne man jederzeit testen, heißt es. Racing Engineering plant den Start in der gesamten WEC-Saison. Als Motorenpartner steht Nissan auf der Pole-Position.