In Memoriam: Jeff Krosnoff
20 Jahre ist es her, dass Jeff Krosnoff beim IndyCar-Rennen in Toronto sein Leben ließ - Weggefährten erinnern sich an ein Talent, das nie im richtigen Auto saß
(Motorsport-Total.com) - Vor gut 20 Jahren kostete ein Horrorunfall in den letzten Runden des IndyCar-Rennens in Toronto die Leben von Rookie Jeff Krosnoff und Streckenposten Gary Arvin. Diejenigen, die Krosnoff nahestanden, sahen am 14. Juli 1996 Parallelen zum tragischen Tod von Roland Ratzenberger in Imola zwei Jahre zuvor. Beide waren zuvor in Japan unterwegs in der Hoffnung, es mit ihrem Talent wieder in den Mainstream zu schaffen. Beiden gelang es, den nächsten Schritt zu gehen - Ratzenberger in die Formel 1, Krosnoff zu den damals äußerst populären IndyCars. Kaum hatten sie ihren Traum erfüllt, wurden sie ihrer Chance beraubt, zu zeigen, wie gut sie wirklich waren.
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Jeff Krosnoff konnte nie zeigen, wie gut er wirklich war Zoom
"Das war ziemlich traurig", sagt Eddie Irvine, der Teamkollege von beiden gewesen ist. "Es war dasselbe wie bei Ratzy. Jeff hat es gerade dorthin geschafft, wo er hin wollte, und kam dann ums Leben. Sie gehörten beide wohl zu den Fahrern mit den größten Ambitionen, dorthin zu kommen, wo sie wirklich sein wollten."
Krosnoff war ein Rookie bei den IndyCars, hatte aber zuvor sieben Jahre lang in der japanischen Formel 3000 (später: Formel Nippon; heute: Super Formula) mit mehreren Fahrern gekämpft, die später lange und erfolgreiche Formel-1-Karrieren hinlegen sollten. Außerdem hätte er beinahe die 24 Stunden von Le Mans gewonnen. Er war absolute Spitze.
"Er hatte einen sehr guten Instinkt in Zweikämpfen", sagt Johnny Herbert. "Ihm konnte man immer vertrauen, wenn man Seite an Seite fuhr; er benutzte sein Gehirn. Aber am besten war es mit ihm, außerhalb der Strecke Spaß zu haben. Man konnte mit ihm über alles reden, nicht nur Über- und Untersteuern."
Mika Salo, der vor seiner Formel-1-Karriere gegen Krosnoff gefahren ist, erinnert sich an seinen Arbeitseifer: "Er hat wirklich hart am Rennsport gearbeitet. Er war nicht wie der Rest von uns, der auch mal Party gemacht hat. Er hat sich nur auf seinen Job konzentriert. Vielleicht war er für unsere Clique in Japan einfach zu intelligent! Schwer zu sagen, wie gut er war, denn er war in keinem guten Team und hatte nie die Chance, zu zeigen, was er wirklich drauf hatte."
Schneller Aufstieg in Amerika
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Bei den 24 Stunden von Le Mans 1991 machte er richtig auf sich aufmerksam Zoom
Jeffrey John Krosnoff wurde 1964 in Oklahoma geboren, wuchs aber in Kalifornien auf. Er wurde mit dem Formel-1-Virus infiziert, als er mit seinem Vater, einem plastischen Chirurgen, den Long Beach Grand Prix besuchte. Er nahm 1983 an der School Series von Jim Russell teil und gewann neben sieben Rennen auch einen Rookie-Award, der nach Gilles Villeneuve benannt war. Über die nächsten Jahre fuhr er in der Formel Mazda und fand noch Zeit, einen Abschluss in Psychologie an der University of California in Los Angeles zu machen.
1987 war er in der Formel Atlantic angekommen und trat dann der äußerst kompetitiven RaceTruck Challenge des Sports Car Club of America (SCCA) bei. Durch seine Siege auf einem Werks-Nissan Pick Up bekam er eine außerordentliche Chance. Ein japanischer Sponsor war auf der Suche nach einem jungen Amerikaner für ein Engagement in Japan und Krosnoff wurde zu einem Test eingeladen. Er dachte, dass er die Einladung zu einem Formel-3-Test erhalten hätte, doch zu seiner Überraschung wartete stattdessen ein Lola aus der Formel 3000 auf ihn.
Warteschleife in Japan
Er erhielt den Job und sein Japan-Abenteuer begann 1989. Er musste sich gegen legendäre einheimische Fahrer behaupten, die dort schon seit zwei Dekaden dort fuhren, und Besucher aus Europa, die schon mehrjährige Formel-3000-Karrieren hinter sich hatten und bereits Formel-1-Autos getestet hatten. Nachdem er gezeigt hatte, dass er schnell lernt, errang er den Respekt seiner Kollegen auf und neben der Strecke, obwohl er niemals ein Formel-3000-Rennen gewinnen sollte. "Als ich nach Japan kam, war er der Erste, der zu mir kam und sich vorstellte", sagt Irvine. "Er war super-freundlich und kontaktfreudig."
Jacques Villeneuve, der 1992 in der japanischen Formel 3 fuhr, die viele gemeinsame Rennen mit der Formel 3000 hatte, bezeichnet die damalige Zeit als "eine Universität für uns, wie ein Campus. Es war eine besondere Zeit mit Ratzenberger, Tom Kristensen, Irvine und so weiter.. Wir bildeten eine Gruppe und ich war der Jüngste von ihnen. Sie waren wie große Brüder, die für mich sorgten. Und Jeff war einer von ihnen. Er war ein toller Kerl, es hat immer Spaß mit ihm gemacht. Er war sehr offen."
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In der japanischen Formel 3000 verbrachte Krosnoff mehr Zeit als erwünscht Zoom
1991 unterzeichnete ein Sponsor einen Deal mit Tom Walkinshaw, um einen Jaguar XJR-11 in der japanischen Sportwagenmeisterschaft für Krosnoff und Mauro Martini einzusetzen. Der Turbo-Bolide war nicht konkurrenzfähig, doch das Engagement beinhaltete einen Start bei den 24 Stunden von Le Mans mit einem V12-Boliden mit David Leslie als drittem Fahrer. Jeff markierte die schnellste Zeit aller zwölf TWR-Werksfahrer, bevor der Bolide ausschied. Später beeindruckte er nochmal, als er Ross Brawns ikonischen XJR-14 beim japanischen Saisonfinale im Sportsland Sugo bewegte.
Ein zweiter Anlauf in Le Mans im Jahr 1994 endete beinahe mit einem Sieg. Krosnoff sollte den SARD-Toyota 94C-V mit Martini und dem regulären Fahrer Ratzenberger fahren, doch nach der Tragödie beim Großen Preis von San Marino übernahm Irvine Ratzenbergers Platz. Das Trio war auf dem Weg zum ersten Toyota-Sieg, als 90 Minuten vor Schluss das Schaltgestänge brach. Irgendwie gelang es Krosnoff, den Wagen wieder in Gang zu bringen, doch es wurde nur ein bitterer zweiter Platz. "Er war schnell und machte keine Fehler", sagt Irvine. "Das braucht man in Le Mans. Er war ein echter Teamplayer."
Endlich eine neue Perspektive
Bis 1995 trat Krosnoff in der Formel 3000 auf der Stelle, während seine vorigen Rivalen Irvine, Salo und Heinz-Harald Frentzen es alle in die Formel 1 geschafft haben. Er hatte es akzeptiert, dass er kaum eine Chance haben würde, ihnen zu folgen, nachdem er vergeblich versucht hatte, Teamchefs bei den japanischen Grand Prix zu besuchen.
IndyCar, damals im goldenen CART-Zeitalter, schien ebenfalls außerhalb seiner Reichweite zu liegen. Doch dann trugen seine Bemühungen Früchte. Im Winter testete er für Ganassi und Arciero-Wells, wobei er Letztere beeindruckte, sodass er ein Cockpit für die Saison 1996 erhielt. Mit 31 Jahren kam er endlich nach Hause zu einem Team, das in Kalifornien beheimatet war.
Der Knackpunkt war, dass Cal Wells einen Deal vereinbart hatte, die brandneuen Toyota-Motoren in Krosnoffs Reynard einzusetzen. Der einzige Vergleich war der werksunterstützte All American Racers Eagle-Toyota von Juan Fangio II. Es war klar, dass es eine schwere Saison werden würde, da der Motor noch am Anfang seines Entwicklungszyklus stand.
"Jeff schlug sich sehr gut", erinnert sich Arciero-Wells-Ingenieur und Ex-McLaren-Designer Gordon Coppuck. "Wir waren übezeugt, dass er sich schneller entwickeln würde als der Motor! Sein Feedback war sehr gut. Alles, was wir tun konnten, war, seine Performance mit der von Fangio zu vergleichen." Es ließ sich nicht vermeiden, dass Krosnoff sich stets im hinteren Feld qualifizierte. Vier Motorschäden in den ersten sechs Rennen bewiesen zudem, welch Herausforderung vor ihm lag.
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Der Le-Mans-Sieg 1994 blieb ihm nicht vergönnt Zoom
"Er musste zudem noch das Fahren im Oval erlernen - er hatte also eine große Verantwortung für diesen Zeitpunkt seiner Karriere", fügt Coppuck hinzu. "Ich war sehr beeindruckt von seiner Kommunikationsfähigkeit und der Tatsache, dass er auch im Angesicht ständiger Enttäuschungen nicht die Beherrschung verlor. Er hatte ein Team um sich herum - alle standen hinter ihm und verstanden, dass er in einer schwierigen Lage war. Er ermunterte alle, so motiviert wie er selbst zu bleiben und das Projekt ans Laufen zu bringen."
Ein folgenschwerer Kampf mit Johansson
Beim elften Rennen der Saison schien es endlich aufwärts zu gehen. Krosnoff qualifizierte sich auf Platz 20 von 28 Fahrzeugen - sein bestes Resultat bis dahin und ein Platz vor Veteran Stefan Johansson. "Wir saßen bei der Paraderunde vor dem Start im selben Auto", sagt der Schwede. "Wir haben einfach rumgeblödelt und gelacht wie beste Freunde. Er war ein wirklich lustiger Kerl. Und er hat einen guten Job gemacht. Sein Auto war nicht sonderlich toll und sie hatten obendrein den Toyota-Motor, der wirklich nicht konkurrenzfähig war."
Im Rennen lag Krosnoff auf einem starken Mittelfeldplatz und nach dem letzten Restart fand er sich hinter Johansson und Emerson Fittipaldi wieder. Am Ende der langen Geraden wagte Krosnoff einen Überholversuch genau in dem Moment, als Johansson nach rechts zog. "Ich habe versucht, Emerson auszubremsen und bin bei ihm innen rein gefahren", erinnert sich Johansson. "Jeff hat sich bereits auf seinen Versuch festgelegt, aber in so einer Situation ist man auf die Fahrer vor einem konzentriert. Es gab einfach nicht genügend Raum für drei Fahrzeuge, als wir uns der Bremszone näherten."
Es gab eine schwere Kollision und Krosnoffs Auto schraubte sich in den Fangzaun auf der rechten Seite der Strecke. Es schlug erst in einen dahinter befindlichen Baum und dann in eine Straßenlaterne ein, die sich zwischen dem Zaun und der Betonmauer befand. Der schreckliche Doppeleinschlag riss den Motor vom Chassis und das Wrack kreiselte auf die Strecke zurück. Trotz aller Versuche des Rettungsteams hatte Krosnoff keine Chance. Tragischerweise wurde Gary Arvin, ein 44-jähriger Streckenposten aus Calgary, von dem Reynard erfasst und verlor ebenfalls sein Leben.
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Gerade schien es bergauf zu gehen, da ereignete sich die Tragödie Zoom
"Woran ich mich erinnern kann, ist, dass der Motor seines Autos direkt vor mir gelandet ist", sagt Johansson. "Wäre er ein paar Meter weiter hinten eingeschlagen, wäre er direkt auf mir gelandet. Es war einer die schlimmsten Momente meiner Karriere. Es waren einfach unglückliche Umstände, die dazu geführt haben. Es schmerzt - deshalb habe ich versucht, diesen Vorfall so gut es geht aus meinem Kopf zu verbannen. Es war sehr schwer zu diesem Zeitpunkt. Man hat einen Abwehrmechanismus und zieht sich in eine Kugel zurück."
Was Krosnoff wohl erreicht hätte, wenn er mehr Zeit bekommen hätte, sich als IndyCar-Fahrer zu entwickeln? "Das ist schwer zu sagen, weil er nie das Equipment hatte, um sein Potenzial zu zeigen", sagt Coppuck. "Die Resultate werden Jeff wirklich nicht gerecht." Johansson: "Er war ein toller und cooler Mensch, der von jedem sehr respektiert wurde. Und ein harter Gegner, schnell aber fair, wie ein echter Rennfahrer es sein sollte. Er stand gerade an der Schwelle; im nächsten Jahr hätte er den Durchbruch geschafft, denke ich. Er wäre sehr stark gewesen."
Krosnoffs Motto lautete "Bleib hungrig". An jenem Wochenende in Toronto hatte er einen Kommentar in einer Pressemitteilung gemacht, der seine Philosophie zusammenfasste: "Ich habe es viele Male in dieser Saison gesagt, dass man im Rennsport eines dieser beiden Dinge tun sollte: Gewinnen oder sich verbessern. Wenn man eines davon tut, macht man seinen Job."