Goodbye Newman/Haas!
Acht IndyCar-Titel, 107 Rennsiege und jede Menge prominente Piloten: Newman/Haas Racing muss nach 28 IndyCar-Jahren seine Türen schließen...
(Motorsport-Total.com) - Es war verdächtig ruhig in den vergangenen Wochen. Während ein IndyCar-Team nach dem anderen seinen Motorenhersteller für die Saison 2012 bekannt gab, herrschte bei Newman/Haas absolute Funkstille. Normalerweise wäre dies ein handfestes Indiz für die am Donnerstagabend erhaltene Ausstiegsnachricht gewesen, doch bei Newman/Haas ist es nicht unüblich, dass die Kommunikation nach außen recht sparsam verläuft. Zudem war eigentlich klar, dass die Mannschaft dicht vor einem Honda-Deal stand.
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Sebastien Bourdais ist mit vier Titeln der erfolgreichste Newman/Haas-Pilot
Plötzlich kam alles ganz anders. Carl Haas, der mittlerweile 81-jährige Teambesitzer, ließ verkünden, dass man 2012 nicht mehr IndyCar fahren werde. Keine Sponsoren, daher auch kein Rennbetrieb mehr. Ein großes Traditionsteam der IndyCars nimmt seinen Hut und wird eine gewaltige Lücke hinterlassen. Eine Entwicklung, die sich nach dem Tod von US-Schauspieler Paul Newman im Jahr 2008 abgezeichnet hatte, erreicht damit ihren negativen Höhepunkt.
Haas und Newman waren in den 1970er Jahren Konkurrenten in der CanAm-Series. Der in Chicago geborene Haas hatte sich durch den Handel mit Rennsportgetrieben finanziert und war seit 1967 US-Alleinimporteur der Marke Lola, mit der sein Name auch untrennbar verbunden ist. Newman wiederum war 1972 bereits 47 Jahre alt, als er seinen ersten Einsatz als professioneller Rennfahrer bestritt.
Beide führten ihre eigenen Teams und kein geringerer als Mario Andretti überzeugte das Duo, sich ab 1983 gemeinsam in der IndyCar-Serie zu versuchen. Haas brachte natürlich Lola mit, Newman den damaligen Hauptsponsor Budweiser. Mit dem Engagement Andrettis gelang ihnen natürlich auch ein gewaltiger Promotionscoup, denn die damals bereits 42-jährige US-Rennlegende zeigte sich alles andere als rennmüde.
Newman/Haas und der Andretti-Clan
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Erfolgreiches Trio: Carl Haas, Michael Andretti und Paul Newman Zoom
Andretti holte in der Debütsaison zwei Siege in Elkhart Lake und Las Vegas. Hinter Al Unser und Teo Fabi belegte er am Ende Rang drei in der Gesamtwertung. Ein Jahr später war Mario Andretti dann nicht zu bezwingen und fuhr mit sechs Siegen in 16 Rennen zum ersten IndyCar-Titel für Newman/Haas. Dabei stand er nicht weniger als achtmal auf der Pole-Position und holte dazu noch zwei zweite Plätze.
Bis zur Saison 1988 sollte Newman/Haas ein Einwagenteam bleiben. Mario Andretti gewann zwar keinen Titel mehr, holte sich in jedem Jahr aber mindestens zwei Saisonsiege ab. Ab 1989 kam es dann zum Traumduo Vater und Sohn, als Michael Andretti vom Kraco-Team zu Newman/Haas wechselte. Der Andretti-Spross sollte nicht weniger als 31 seiner insgesamt 42 IndyCar-Siege für Newman/Haas holen. In seinem Titeljahr 1991 dominierte er mit acht Saisonsiegen in 17 Rennen deutlich.
Als Michael Andretti dann in der Saison 1993 sein unglückliches Formel-1-Abenteuer als McLaren-Teamkollege von Ayrton Senna begann, glückte Newman/Haas ein weiterer Transfercoup, der das Team mit einem Schlag weltweit bekannt machen sollte. Paul Newman und Carl Haas überzeugten den damals amtierenden Formel-1-Weltmeister Nigel Mansell zu einem USA-Abstecher.
An seiner Seite wusste Mansell mit Mario Andretti natürlich einen mit allen IndyCar-Wassern gewaschenen Teamkollegen, was dem Briten die Eingewöhnung sehr leicht machte. Der ewige Kämpfer Mansell zeigte auf Anhieb sein Können und holte sich 1993 mit fünf Saisonsiegen - darunter übrigens auch die Ovale von Milwaukee, Michigan, Loudon und Nazareth - den Titel.
Nigel Mansell kam, sah und siegte
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Nigel Mansell 1994 in Phoenix: Der Brite holte einen Newman/Haas-Titel Zoom
Der Blick auf die CART-Gesamtwertung von 1993 ist übrigens etwas für Genießer, denn hinter Mansell kamen Emerson Fittipaldi, Paul Tracy und Bobby Rahal auf die Plätze. Ein Jahr später war es aber dann mit der Herrlichkeit vorbei. Zum ersten Mal in der Newman/Haas-Teamgeschichte gelang 1994 kein Sieg, weder durch Mansell noch durch Mario Andretti, der sich als rüstiger Mit-Fünfziger damals auf seiner "Arrividerci-Tour" befand.
Trotzdem hat der Brite nur beste Erinnerungen an seine beiden US-Jahre: "Newman/Haas ist ein außergewöhnliches Rennteam", schreibt Mansell in seiner Biographie. "Die Mechaniker waren gut genug, um in jedem Formel-1-Team arbeiten zu können. Die Mannschaft hat mir alle Unterstützung der Welt gegeben, damit ich meinen Job erledigen konnte."
So kam es zum Umbruch. Statt Mario Andretti und Nigel Mansell nahmen 1995 Rückkehrer Michael Andretti und der damalige Youngster Paul Tracy in den beiden Newman/Haas-Boliden Platz. Tracy wurde ein Jahr später durch Christian Fittipaldi ersetzt. Obwohl das Team in jedem Jahr Einzelsiege erringen konnte, sollte kein Titel mehr folgen. Bis zum Jahr 2002.
Dies war natürlich auch die Zeit der Abspaltung, in der sich vor allem Paul Newman als extrem loyal gegenüber der CART-Serie und später den ChampCars verhielt. Während Roger Penske, Chip Ganassi und selbst Michael Andretti in den folgenden Jahren zu IRL und Tony George wechselten, weil sie beim Indy 500 dabei sein wollten, sollte Newman/Haas bis zur letzten ChampCar-Saison 2007 der Serie treu bleiben.
Bourdais und der Tod von Paul Newman
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Unschlagbares Gespann: Sebastien Bourdais und Paul Newman Zoom
Andrettis Nachfolger hieß ab 2001 Cristiano da Matta. In seiner zweiten Newman/Haas-Saison 2002 sollte der Brasilianer mit sieben Saisonsiegen den insgesamt vierten Newman/Haas-Titel nach Lincolnshire im US-Bundesstaat Illinois holen, bevor er zu Toyota in die Formel 1 wechselte. Dann begann die Ära Bourdais.
"Als ich hierher kam, war ich eigentlich noch gar kein professioneller Rennfahrer", erinnert sich der Franzose, der aus der damaligen F3000 in die USA wechselte. "Ich habe unglaublich vieles von den erfahrenen Leuten im Team gelernt. Bei Newman/Haas arbeiten ganz helle Köpfe und das Führungsduo Carl Haas und Paul Newman ist ganz einfach einzigartig." Der Rest ist bekannte IndyCar-Geschichte: Vier Titel (2004 bis 2007) in seinen fünf Newman/Haas-Jahren (2003 bis 2007) sprechen eine eindeutige Sprache.
Als der US-amerikanische Formelsport ab der Saison 2008 wiedervereinigt war, war natürlich auch das Newman/Haas-Team mit dabei. Youngster Graham Rahal und der erfahrene Brite Justin Wilson hießen die Piloten. Wilson gewann dabei im August 2008 in Detroit. Dieser IndyCar-Erfolg Nummer 107 sollte bislang der letzte Newman/Haas-Sieg bleiben. Denn kurz danach verlor das Team seinen langjährigen Chef und Mitbegründer Paul Newman.
Die Schauspielerlegende litt an Lungenkrebs und verstarb am 26. September 2008 im Alter von 83 Jahren. Newmans gute Kontakte zur Fast-Food-Kette McDonalds sorgten in den letzten Jahren für genügend Budget. Doch als nach dem Tod des Rennsportfanatikers diese Finanzierung wegbrach, war das am Donnerstag ausgerufene, endgültige Ende des Newman/Haas-Teams eigentlich bereits eingeläutet.
Kein eigenes Geld mehr Nachschießen
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Paul Newman war Ende 2007 sichtlich gezeichnet von der Krankheit Zoom
Im Wissen über seine Krankheit versuchte Newman Mitte 2007 noch Mike Lannigan als neuen Anteileigner zu etablieren, der das Team jedoch 2010 in Richtung Bobby Rahal wieder verließ. Ohne Hauptsponsor war es 2010 wohl nur den Honda-Millionen, die der Japaner Hideki Mutoh mitbrachte, zu verdanken, dass Newman/Haas wenigstens als Einwagenteam an den Start gehen konnte.
Dem Vernehmen nach investierte die Familie Haas vor der Saison 2011 eigenes Geld, um mit Oriol Servia und James Hinchcliffe wieder zwei Teams an den Start zu bringen. Doch die Hoffnung, damit einen wirklich potenten Hauptsponsor anzulocken, erfüllte sich nicht. Im Winter wäre erneut ein Investment in Höhe von etwa drei Millionen US-Dollar nötig gewesen, um mit dem neuen Dallara DW12 an den Start gehen zu können.
Angeblich befand sich Newman/Haas in aussichtsreichen Gesprächen mit einem großen Sponsor, die sich jedoch zerschlugen. So musste Carl Haas, um dessen angeschlagenen Gesundheitszustand auch einige Gerüchte kursieren, schließlich die Reißleine ziehen. "Newman/Haas war lange Zeit eines der Top-Teams der IndyCar-Serie", zieht Mario Andretti einen Schlussstrich. "Ihre Erfolge bleiben bestehen, auch wenn die Türen nun zufallen." Eine echte Ära geht zu Ende.
Alle Newman/Haas-Piloten:
Mario Andretti (1983-1994)
Michael Andretti (1989-1992, 1995-2000)
Sebastien Bourdais (2003-2007)
Cristiano da Matta (2001-2002)
Robert Doornbos (2009)
Teo Fabi (1992)
Christian Fittipaldi (1996-2002)
Alan Jones (1985)
Bruno Junqueira (2003-2006)
Alex Lloyd (2009)
Nigel Mansell (1993-1994)
Roberto Moreno (1997-1999)
Hideki Mutoh (2010)
Graham Rahal (2007-2010)
Oriol Servia (2005, 2009, 2011)
Paul Tracy (1995)
Justin Wilson (2008)
James Hinchcliffe (2011)