"Warum wollt ihr das machen?": Stallorder-Ärger bei McLaren

Lando Norris und Oscar Piastri sollten in der Schlussphase von Katar die Plätze halten - Teamchef Andrea Stella klärt auf, was es mit Norris' Gemotze auf sich hatte

(Motorsport-Total.com) - Kurz dachte Oscar Piastri, dass ihn ein böses Deja-vu ereilen würde. Als er nach seinem zweiten Platz beim Formel-1-Rennen in Katar 2023 von Ex-Pilot David Coulthard interviewt wurde, holte dieser aus und sagte ihm: "Ich glaube, du bist auch noch Fahrer des Tages geworden." Doch als der Schotte anfing, dachte Piastri kurz, er würde ihm etwas anderes mitteilen.

Titel-Bild zur News: Oscar Piastri und Lando Norris (McLaren) nach dem Formel-1-Rennen in Katar 2023

Oscar Piastri und Lando Norris mussten Positionen halten Zoom

"Ich dachte, du sagst mir, dass ich wieder eine Fünf-Sekunden-Strafe für Tracklimits bekommen habe", lacht der McLaren-Pilot. "Du hast mir echt einen Schreck eingejagt." Denn genau das war das Szenario nach dem Qualifying am Freitag. Auch dort war Piastri bei den Top-3-Interivews, nur um dann dort von einer nachträglichen Strafe zu erfahren.

Doch den zweiten Platz im Rennen darf der Australier behalten. Zusammen mit Teamkollege Lando Norris, der hinter ihm Dritter wurde, sorgte er für ein weiteres starkes Ergebnis für McLaren. Kurz zuvor war es allerdings zu einem teaminternen Zoff gekommen, denn Norris durfte seinen Teamkollegen in der Schlussphase nicht mehr attackieren.

Beide waren in der 43., respektive 44. von 57 Runden zum letzten Boxenstopp gekommen und hatten die harten Reifen bekommen. Piastri lag dabei knapp vor Norris, der den Rookie aber nicht mehr attackieren sollte, so die Ansage des Teams: "Die Anweisung des Teams ist, die Position bis zum Ende des Rennens zu halten", bekamen beide per Funk gesagt.

Das wollte Norris aber nicht akzeptieren: "Warum wollt ihr das machen?", fragte er. "Wir haben einen großen Vorsprung, und ich bin eindeutig schneller."

Doch sein Renningenieur wies ihn ab: "Lando, das sehen wir und das wissen wir, aber das spielt keine Rolle." Die Erklärung lieferte er gleich hinterher: "Wir sind ein wenig besorgt über [George] Russell, 13,4 Sekunden vor uns."

Piastri gibt zu: War überrascht von Anweisung

Der Mercedes-Pilot musste noch einmal zum Boxenstopp kommen und würde dabei hinter beiden McLaren auf die Strecke kommen. "Wir denken, dass er am Ende vielleicht den Soft aufziehen und schnell sein könnte", erklärte ihm sein Renningenieur.

Norris' Antwort: "Exakt. Ihr seid besorgt, also ...", deutete er an, dass es vielleicht gut wäre, den schnelleren Piloten vorausfahren zu lassen.

Doch McLaren blieb bei der Anweisung, die Positionen zu halten, was selbst Piastri ein wenig verwundete: "Ich war ein wenig überrascht, um ehrlich zu sein", gibt er zu und sagt, dass er die Anweisung auch akzeptiert hätte, wenn sie andersherum ausgefallen wäre.

"Aber es gab eine Menge Sorgen über Reifen und Tracklimits und solche Dinge. Ich denke, Platz zwei und drei für das Team zu holen, war heute das Wichtigste", sagt Piastri.

Angst vor Reifenschäden und Tracklimits

Genau diese Sorgen führt auch Teamchef Andrea Stella nach dem Rennen als Gründe für die Stallorder an. "Wir dürfen nicht vergessen: 2021 lag Lando auf Platz vier und hatte wenige Runden vor dem Ende einen Reifenschaden und ist Neunter geworden", mahnt er. Das Argument bekommt angesichts der Reifenprobleme an diesem Wochenende noch einmal eine neue Dimension.

Zudem war das Thema Tracklimits in Katar auch am Sonntag omnipräsent. "Man möchte das Risiko nicht eingehen und seine Fahrer nicht dazu bringen, zu pushen und dann eine Tracklimit-Strafe zu haben", sagt Stella.

"Sobald man ihnen sagt, dass sie pushen dürfen, nutzen sie die Randsteine, weil die Strecke so viel schneller wird. Wir empfehlen ihnen daher, von den Randsteinen weg zu bleiben und daran zu denken, es nach Hause zu bringen", so der Teamchef.

Er betont, dass beide Fahrer diese Ansage "sehr gut verstanden" hätten - auch Norris. "Lando war auf der In-Lap sehr zufrieden und hat dem Team ein Kompliment ausgesprochen. Es ist eine Stärke, dass unsere Fahrer dabei helfen, die Situation proaktiv und konstruktiv zu managen", so Stella.

Stella erklärt: Fahrer sollen Kontra geben

Zufrieden klang Norris am Funk zuvor mit der Ansage eigentlich nicht, doch auch das kann Stella aufklären. Dieses Kontra ist nämlich vom Team so gewollt!

"Die Nachricht ist Teil unseres Protokolls", bestätigt der Teamchef. Wenn das Team seinen Fahrern eine Anweisung gibt, dann möchte man auch eine Gegenmeinung haben, um den Standpunkt des Fahrers zu verstehen.

"Sag uns genau, was du denkst. Wir werden die Situation neu bewerten und zu dir zurückkommen", ist das Motto. Aber: "Wenn wir zu dir zurückkommen, dann respektiere das einfach" Stella: "Genau das ist heute passiert. Wir bitten die Fahrer, uns Kontra zu geben."


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Und am Ende muss auch Norris zugeben, dass er nicht weiß, ob er ohne Stallorder überhaupt auf Platz zwei gefahren wäre. "Immer wenn ich etwas näher an Oscar rangekommen bin, dann hatte ich große Probleme mit der Dirty Air. Selbst wenn man bei den Hinterbänklern innerhalb von drei Sekunden war, hat man sofort Zeit verloren", erklärt er.

"Wenn man auf einer Strecke wie hier, wo es auf Abtrieb und die langen Kurven ankommt, ein wenig Dirty Air hat, dann hat man Probleme. Ich denke, dass meine Pace definitiv ein bisschen besser war, aber es ist schwierig zu wissen", so Norris.

"Oscar hat das ganze Wochenende über einen guten Job gemacht und mich geschlagen. Er war extrem schnell und hat weniger Fehler gemacht und war vorne."