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Neuer Qualifying-Vorschlag: 2015er Format mit zwei Runden
Teams, FIA und Ecclestone stimmen am Donnerstag über "kumuliertes Qualifying" ab - Mehr Unberechenbarkeit und Fahrbetrieb - Wolff und Lauda graust es
(Motorsport-Total.com) - Die Formel 1 steht nach einem erneuten Misserfolg des "Reise-nach-Jerusalem"-Formats offenbar vor dem nächsten Umbau ihres Qualifyingmodus. Am Sonntagmittag machte im Fahrerlager von Bahrain ein neuer Vorschlag die Runde, der an das aus der Vorsaison bekannte Reglement erinnert, aber für mehr Fahrbetrieb sorgen soll - die Rede ist von einem "kumulierten Qualifying". Die Idee entstand bei einem Treffen der Teamchefs mit FIA-Präsident Jean Todt, Bernie Ecclestone und Pirelli.
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Lewis Hamilton könnte demnächst im Qualifying öfter ausrücken müssen Zoom
So sieht der Vorschlag konkret aus: Es bleibt bei drei Segmenten und dem Knock-Out-Prinzip. In Q1 über 18 Minuten kommen wie bisher 15 der 22 Piloten weiter, die sieben langsamsten fliegen raus und beziehen die Startplätze gemäß ihres Abschneidens. Das Fallbeil kommt erst am Ende der Session für alle mit der schwarzweiß-karierten Flagge, eine 90-Sekunden-Eliminierung wie aktuell gibt es nicht mehr. Clou: Jeder Pilot braucht nicht eine, sondern zwei Zeiten, die zusammengezählt werden.
In Q2 über 15 Minuten und Q3 über zwölf Minuten wird nach dem gleichen Prinzip verfahren, den Shootout bestreiten die Top 8 - immer werden zwei Runden benötigt. Geplant ist eine Einführung beim China-Grand-Prix in zwei Wochen, die Entscheidung soll am kommenden Donnerstag in einer Telefonkonferenz fallen - bis dahin wollen die Teams den Modus simulieren und sich überlegen, ob sie ihm zustimmen. Es braucht für eine nicht-sicherheitsrelevante Regeländerung unter der Saison Einstimmigkeit.
Beispiel Bahrain: Hamilton stünde nicht auf Pole
Vorteil des "kumulierten Qualifyings": Die Fans bekämen mit Sicherheit mehr Fahrbetrieb zu sehen, weil auch die Topautos stets auf zwei schnelle Runden angewiesen wären und es sich nicht leisten könnten, eine Session nach einem gelungenen Umlauf auszusitzen. Neues Taktikgeplänkel wäre möglich. Um Reifen zu sparen, könnten die Besten zwei schnelle Runden aneinanderreihen, hätten dann aber nicht unbedingt einen vollen Antriebsboost und perfekt temperierte Pneus zur Verfügung - ein Risiko.
Dazu würden Fehler härter bestraft. Beispiel Bahrain: Weil Lewis Hamilton seinen Mercedes am Samstag in Q3 erst ins Kiesbett setzte und anschließend die Pole-Position-Runde fuhr, hätte es mit den neuen Regeln nicht für Startplatz eins gereicht. Nico Rosberg wäre vorne gewesen und auch Ferrari hätte profitieren können. Der Vorschlag scheint deshalb mehrheitsfähig, weil er die von der FIA und Ecclestone gewünschten Neuerungen beinhaltet, aber auf der von den Teams favorisierten 2015er Rückkehr basiert.
Geht es um das Qualifying oder um Machtspielchen?
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Niki Lauda, Maurizio Arrivabene und Frederic Vasseur: Einigen sie sich? Zoom
Toto Wolff schmeckt die Sache allerdings überhaupt nicht. Er sein "ein bisschen verzweifelt" und plädiert weiter die Rolle rückwärts, wie sie in Australien schon vereinbart worden war: "Wir hatten so eine klare Meinung, alle Teams waren sich einig. Es schien allen so klar, was die Fans wollen. Wir sind aber irgendwie nicht in der Lage, uns zu einigen", hadert der Mercedes-Sportchef. "Weil es verschiedene Interessengruppen mit unterschiedlichen Meinungen gibt. Dabei müssen wir akzeptieren, dass wir hier nicht die Regeln machen."
Also ein Diktat der FIA und Ecclestones? Wolff erkennt, dass die gewünschte Unberechenbarkeit erzielt werden könnte, wird mit seinem Missfallen jedoch konkret, wenn er sich selbst als Puristen bezeichnet: "Ich würde sogar sagen, dass der Schlag etwas unterhalb der Magengrube ausfällt." Bei den übrigen Teamchefs stößt die Idee weder auf flammende Gegenliebe noch auf strikte Ablehnung: "Ein Kompromiss", sagt Red-Bull-Mann Christian Horner. Vom Regen in die Traufe? "Niemand mag das aktuelle System, also ist die Idee ein Schritt in die richtige Richtung."
Klar ist: Eine Alternative zu dem "kumulierten Qualifying" gibt es derzeit nicht, auch nicht die Rückkehr zum 2015er System. "Nein, das liegt momentan nicht auf dem Tisch", bestätigt Wolff. Claire Williams fügt an: "Bei der Hybrid-Variante, in der Q1 und Q2 nach dem 2016er-Format und Q3 nach dem alten Modus gefahren werden, hatten die meisten nicht den Eindruck, dass es unser Ziel (durchgemischte Startaufstellungen; Anm. d. Red.) erreicht."
Niki Lauda sieht den Vorschlag durchfallen
Ex-Formel-1-Pilot und TV-Experte Johnny Herbert meint, dass die Verantwortlichen das Sportliche längst aus den Augen verloren hätten und der Kampf der Teams mit dem Gespann FIA/Ecclestone bestimmende Größe sei: "Sie haben 90 Minuten gebraucht, um sich erneut nicht zu entscheiden. Es geht hier gar nicht um das Qualifying, sondern um ein Machtspiel. Es geht darum, wer in der Formel 1 Entscheidungen trifft." Ähnlich kritisch bewertet Niki Lauda das Meeting: "Es ist überhaupt nichts rausgekommen", schimpft der Mercedes-Aufsichtsratschef.
Er kritisierte in Bahrain erneut gegen den neuen Modus, offenbar fanden seine Mahnungen aber kein Gehör: "Bernie sagt, dass man mit ihm darüber nicht diskutieren kann und alles so bleibt, oder ein anderer Vorschlag kommt." Ähnlich wie Wolff fällt auch Lauda ein hartes Urteil: "Das Perverseste überhaupt ist, dass nicht die Durchschnittszeit genommen wird. Dann hast du eine Pole und da steht: 3:20.350 Minuten. Ein Vorschlag, der noch schlechter ist."
Möglicherweise könnte es sogar bei der "Reise nach Jerusalem" bleiben, wenn es keine Einigung gibt. Bernie Ecclestone reagiert extrem ausweichend: "Alle Autos werden im Kreis fahren - das ist sicher." Für Lauda ist klar, dass das "kumulierte Qualifying" keine Perspektive hätte: "Deswegen wird das am Donnerstag von der Hälfte abgelehnt werden, und es bleibt so wie es ist", sagt er.