"Bernie-Money" 2016: So wird das Geld an die Teams verteilt
Der geheime Verteilungsschlüssel der Formel 1 enthüllt: Warum Ferrari mehr verdient als Weltmeister Mercedes und wie wenig die kleinen Teams von der FOM bekommen
(Motorsport-Total.com) - Es war lange Zeit eines der am besten gehüteten Geheimnisse der Formel 1: Die Verteilung des als "Bernie-Money" bezeichneten Geldes unter den Teams. Eben dieses Geld ist Gegenstand von heißen Diskussionen und sogar einer Beschwerde auf EU-Ebene, seit Force India und Sauber im Jahr 2015 die Wettbewerbskommission eingeschaltet haben. Nicht zuletzt weil die kleinen Teams wesentlich weniger aus dem großen Einnahmentopf der Formel 1 erhalten als die großen, kämpfen einige von ihnen finanziell ums nackte Überleben.
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Bernie Ecclestones Verteilung des Formel-1-Geldes sorgt für Diskussionen Zoom
Ihr Unmut wird beim Blick auf die von 'Motorsport-Total.com' recherchierten Summen, die 2016 ausbezahlt werden, verständlich. So kassiert Ferrari als Branchenkrösus 192 Millionen US-Dollar, während etwa Manor gerade mal ein Viertel davon erhält. Und Sauber hat zwar die Konstrukteurs-WM 2015 einen Platz und neun Punkte vor McLaren beendet, bekommt aber von der FOM (Formula One Management) um 28 Millionen Dollar weniger überwiesen.
Noch deutlicher werden die Ungleichheiten zwischen Williams und Red Bull. Während Williams 2015 mit 257 Punkten WM-Dritter wurde, holte Red Bull als WM-Vierter nur 187 Zähler (39 Prozent weniger). Trotzdem zahlt die FOM an Red Bull um 57 Millionen Dollar (oder 66 Prozent) mehr aus. Das liegt an Bonuszahlungen für sogenannte "CCB"-Teams (CCB für Constructors Championship Bonus). Dieser erlesene Kreis umfasst derzeit Ferrari, Mercedes, Red Bull und McLaren.
Verteilt wird das Geld nach mehreren Säulen. Unter Säule 1 (Column 1) werden 335 Millionen Dollar zu gleichen Teilen ausgeschüttet. Ferrari kassiert also genauso 33,5 Millionen wie Manor. Allerdings ist für Säule 1 nur qualifiziert, wer in den vergangenen drei Jahren mindestens zweimal unter den Top 10 der Konstrukteurs-WM landete. Aus diesem Grund geht beispielsweise das neue Haas-Team, das in Australien und Bahrain sportlich für Furore gesorgt hat, komplett leer aus.
Säule 2 basiert auf dem Ergebnis der Konstrukteurs-WM des vergangenen Jahres. Das Weltmeister-Team von 2015 kassiert 19 Prozent von 335 Millionen Dollar, die im Jahr 2016 ausgeschüttet werden; der WM-Sechste wird mit zehn Prozent berücksichtigt, der WM-Zehnte nur noch mit vier Prozent. Und dann gibt es noch die Bonuszahlungen, die für die eigentliche Ungleichheit sorgen - und die Grundlage für die Beschwerde bei der EU-Wettbewerbskommission sind.
Denn während sechs von elf Teams überhaupt keine Bonuszahlungen erhalten, sind beispielsweise Ferrari 105 Millionen Dollar extra pro Jahr sicher. 70 Millionen für eine Sondervereinbarung als längstdienendes Formel-1-Team, 35 Millionen aus dem CCB-Topf. In den Genuss erhöhter Bonuszahlungen kommt 2016 auch Mercedes. Grundlage dafür sind zwei gewonnene Konstrukteurs-Weltmeisterschaften unter unverändertem Teamnamen.
Ein Sonderfall ist Haas als Formel-1-Neuling. Eigentümer Gene Haas ist es bisher noch nicht gelungen, einen kommerziellen Deal mit Bernie Ecclestone auszuhandeln, wie ihn alle anderen Teams haben, weshalb die Amerikaner Stand heute 2016 keinen einzigen Cent überwiesen bekommen. Das könnte sich jedoch noch ändern. Entsprechende Gespräche zwischen Haas und Ecclestone sollen in den kommenden Wochen stattfinden.
Früher war die Einnahmenverteilung in der Formel 1 durch das sogenannte Concorde-Agreement geregelt, ein einheitlicher Vertrag, der vom Inhaber der kommerziellen Rechte, der FIA und allen Teams unterschrieben wurde. Ein Concorde-Agreement gibt es aber nicht mehr. Stattdessen besitzen die Teams - mit Ausnahme von Haas - individuelle Verträge mit dem Rechteinhaber, die nach der Auflösung der Teamvereinigung FOTA auch individuell verhandelt wurden.
Und weil für Ecclestones Show damals manche Teams wichtiger waren als andere, bekamen diese Sonderkonditionen zugesichert. Ferrari und Red Bull waren die Ersten, die Ecclestone an sich binden konnte, im zweiten Schritt folgte McLaren. Beim Mercedes-Deal musste Niki Lauda als Vermittler helfen. Er wurde dafür vom Daimler-Konzern mit zehn Prozent der Teamanteile und dem Vorsitz im Aufsichtsrat fürstlich belohnt.
FOM-Gesamtauszahlungen in Millionen US-Dollar (Abweichung zu 2015)*:
01. (02.) Ferrari (192/+17%)
02. (01.) Mercedes (171/+36%)
03. (04.) Red Bull (144/-8%)
04. (03.) Williams (87/+5%)
05. (09.) McLaren (82/-16%)
06. (05.) Force India (67/+12%)
07. (06.) Renault (64/+25%)
08. (07.) Toro Rosso (57/+6%)
09. (08.) Sauber (54/+23%)
10. (10.) Manor (47/-2%)
11. Haas (0)
* in Klammern die Position in der Konstrukteurs-WM 2015
Davon FOM-Bonuszahlungen in Millionen US-Dollar:
01. Ferrari (105)
02. Mercedes (74)
03. Red Bull (74)
04. McLaren (32)
05. Williams (10)
"Bernie-Money" für Dummys:
Wie viel Geld wird ausgeschüttet? Im Jahr 2016 werden voraussichtlich insgesamt 965 Millionen Dollar an die Teams überwiesen. Das sind geschätzte 65 Prozent der Gesamteinnahmen der FOM. 1999 beliefen sich diese noch auf 341,5 Millionen Dollar pro Jahr, inzwischen sind es 1,4 Milliarden. Die Einnahmen stammen zum Beispiel aus Verträgen mit Rennstrecken und TV-Sendern, aus der Vermarktung der Werbebanden bei den Grands Prix oder aus dem elitären Paddock-Club, in dem VIPs für Tickets bis zu 6.300 Dollar pro Rennwochenende zahlen.
Wann wird das Geld ausgeschüttet? Grundsätzlich immer ein Jahr im Nachhinein, sprich: Das Geld, das auf der Konstrukteurs-WM 2015 basiert, wird erst im Jahr 2016 überwiesen. Und zwar in neun Raten. Erst Anfang 2017 erfolgt die letzte Zahlung für das vorangegangene Jahr. Mit dieser Schlussrate wird (nach Bilanzabschluss des FOM-Geschäftsjahres) ausgeglichen, falls die FOM mehr oder weniger als in den den Teams in Aussicht gestellten Prognosen verdient hat.
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Luca di Montezemolo hat mit Ecclestone Ferraris heutigen Deal verhandelt Zoom
Welche Bonuszahlungen gibt es? Den größten Bonus, 70 Millionen Dollar, bekommt Ferrari unter der Bezeichnung "LST" (Longest Standing Team). Auch für den CCB-Status werden Bonuszahlungen ausgeschüttet. Zehn Millionen kassiert Williams als "Heritage-Bonus" für Tradition. Und Red Bull und Mercedes haben in ihren Vertragsverhandlungen 35 Millionen extra rausgeschunden, als Anerkennung für mindestens zwei Konstrukteurs-WM-Titel.
Was ist mit Säule 3 passiert? Unter dem alten Concorde-Agreement war neben den Säulen 1 und 2 auch eine Säule 3 vorgesehen, von der die drei damals neuen Teams (HRT, Lotus, Virgin) partizipiert haben. Säule 3 gibt es in den individuellen Verträgen nicht mehr. Pech für das Haas-Team: Wenn es nicht gelingt, mit Ecclestone eine Sondervereinbarung auszuhandeln, steht den Amerikanern im Jahr 2016 theoretisch nicht ein Cent aus der "Bernie-Money" zu.
Wem gehört eigentlich die Formel 1? Die Formel-1-Dachgesellschaft Delta Topco hat mehrere Inhaber. Größter Anteilseigner (und wegen einer Kontrollmehrheit de facto alleiniger Entscheider) ist die Investmentgesellschaft CVC Capital Partners mit 35,5 Prozent. Neben weiteren Investoren aus dem Finanzbereich und Bernie Ecclestone gibt es aber auch Anteilseigner, auf die man wohl kaum kommen würde. Etwa (indirekt über die Norges-Bank) den Staat Norwegen oder den Lehrer-Rentenfonds des US-Bundesstaats Texas.