Gerhard Berger wütet: "Das wird uns der Fan nicht verzeihen"

Ex-Pilot Gerhard Berger will mehr PS, mehr Anforderungen an den Fahrer und weniger Überreglementierung, um die Formel 1 wieder näher an den Fan zu bringen

(Motorsport-Total.com) - Er musste noch V12-Motoren kontrollieren, trat gegen Fahrer an, die man heute als Legenden bezeichnet, und konnte vor einem Rennen nicht sagen, wer die Zielflagge als Erster sehen wird: Gerhard Berger ist zu einer Zeit in der Formel 1 gefahren, als noch nicht anhaltend darüber diskutiert werden musste, wie man die Königsklasse spannender gestalten kann. Für die vermeintliche Langeweile, die heutzutage einen Schatten über das Rennspektakel legt, hat er daher gleich mehrere Lösungsansätze. Denn er meint: "Wir sind so weit aus dem Fenster rausgefallen, dass es nicht reicht, nur an einer Stelle zu reparieren."

Titel-Bild zur News: Gerhard Berger, Christian Horner

Mit Gesamtsituation unzufrieden: Gerhard Berger holt zum Rundumschlag aus Zoom

"Formel-1-Fahren ist heute kein Ritt auf der Kanonenkugel mehr", ledert er gegenüber 'auto motor und sport' los. "Es ist ein Schaulaufen von wahnsinnig komplizierter Technik. Der Fahrer fällt hinten runter. Wenn ein Debütant bei Testfahrten nach einem Tag bis auf drei Zehntel an die Bestzeit rankommt, ist die Anforderung nicht hoch genug."

Auf vier Jahre Red-Bull- folgten nun schon zwei Jahre Mercedes-Dominanz. Teams, die Saisons beherrschen, sind zwar bei Weitem nichts Neues, haben laut Berger aber viel mehr an Bedeutung gewonnen. Die Zeiten, in denen Ayrton Senna und Alain Prost als Teamkollegen 15 von 16 Rennen gewannen, seien andere gewesen.

Dominanz heute etwas anderes

"Die Fans wurden damals wenigstens noch durch das Fahrspektakel unterhalten", nimmt der Österreicher kein Blatt vor den Mund. "Jeder hat gesehen: Das ist ein Ritt auf der Kanonenkugel. Die Rennen waren trotzdem unberechenbar, weil es so viele Ausfälle gegeben hat. Oder weil so viele Fehler passiert sind. Wer bleibt heute noch ohne Sprit liegen? Der Sport ist heute so perfekt, dass eine Dominanz eines Autos den Unterhaltungswert mehr beeinträchtigt."


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Auch den neuen oder umgestalteten Strecken kann der heute 56-Jährige, der aus einer Zeit der zahlreichen Kiesbetten und nahen Streckenbegrenzungen kommt, nichts abgewinnen. "Fehler wurden nicht verziehen", zieht er den Vergleich zu früher. "Wer zu schnell war, ist in der Leitplanke geklebt. Heute wird ein Ausrutscher nicht mehr bestraft. Wer sich dreht, wird von riesigen Auslaufzonen aufgefangen. Der Fahrer kommt wieder zurück auf die Strecke und verliert in der Regel noch nicht einmal einen Platz."

Und dann wäre da noch die Sache mit der Technik, der hochmodernen Hybridlösung, der computerähnlichen Fahrzeuge. Berger ist zwar kein Gegner der Idee, die Formel 1 auf dem neusten Stand der Möglichkeiten zu halten, bleibt aber ein Verfechter der alten Motorsportwerte.

Mehr Leistung würde Funk-Problem lösen

"Wer außer den Ingenieuren braucht eigentlich die ganze Telemetrie", kritisiert er etwa die Datenflut, die auf einen Piloten heutzutage auch während der Rennen einprasselt. "Sie trägt zur Show null bei. Ich würde sie abschaffen. Oder höchstens 5 Kanäle für Sicherheitsthemen freigeben. Aber selbst da: Wenn die Ingenieure schon die perfekte Technik darstellen wollen, müssen sie halt was bauen, was zwei Stunden lang funktioniert. Und wenn dann halt mal wieder ein Auto stehen bleibt, ist es auch nicht schlimm."


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Berger spricht sich auch nicht generell für ein Funkverbot aus. Der ständige Datenaustausch sollte sich seiner Meinung nach von allein erledige: "Wenn die Autos schwer zu fahren sind, hat der Fahrer gar keine Zeit mehr, all die Funkbefehle umzusetzen, die er heute kriegt. Er darf eigentlich gar nicht mehr schnaufen können, um mit der Box zu reden. Ich musste mir früher auf der Rennstrecke erst einmal einen Platz suchen, wo ich den Kopf und die Hände frei hatte, um am Funk zu sprechen. Wir müssen die Fahrer in den Vordergrund stellen, indem sie zuerst einmal gefordert sind, ihr Auto zu beherrschen."

Das bleibt für den ehemaligen Ferrari-, McLaren und Benetton-Piloten ein zentraler Punkt. "700 oder 800 PS sind für die Formel 1 einfach zu wenig", schlägt er eine bereits viel diskutierte Richtung ein. "Es gibt genug Supersportwagen für die Straßen, die mehr PS haben. 1986 sind wir mit bis zu 1.400 PS herumgefahren. Ohne elektronische Hilfen. Ohne eine perfekte Aerodynamik, die das Auto wie auf Schienen fahren lässt. Wir haben heute so sichere Rennstrecken und Autos, dass man sich mehr Leistung locker leisten kann. Das sehen auch die Zuschauer."

"Weder Show, Herausforderung noch Spektakel"

"Das Auto muss mehr Leistung als Grip haben", führt den Gedanken weiter fort. "Das beste Beispiel ist die MotoGP. Die haben 270 PS, wiegen 160 Kilogramm, haben null Abtrieb und eine begrenzte Auflagefläche vom Reifen. Da sieht jeder Zuschauer sofort, was die Jungs draufhaben. Das ist Motorsport pur. In der Formel 1 haben wir das Gegenteil. Das kombiniert mit den leisen Motoren ist weder Show, Herausforderung noch Spektakel. Das wird uns der Fan mittelfristig nicht verzeihen."


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Berger sorgt sich um den Fan und das allgemein abnehmende Interesse an der Formel 1. Neben mehr Spektakel fordert er daher: Durch Verständlichkeit glänzen.

"Man müsste nur erkennen, dass einige Lösungen von früher gar nicht so schlecht waren" so der Österreicher. "Heute wird der Zuschauer mit einem Haufen von Regeln und Wörtern konfrontiert, die er nicht kapiert. Jeden Sonntag kommt ein neuer Begriff dazu. Wir haben DRS, KERS, Token, der Ultrasoft-Reifen, und so weiter. Kein Mensch auf der Welt weiß, was ein Token ist. Die Formel 1 aber diskutiert jeden Tag darüber. Die Leute müssen die ganze Woche arbeiten. Die wollen in den zwei Stunden Grand Prix mit Sport unterhalten werden. Wenn Bernie und Jean nicht in der Lage sind, diesen Schwachsinn von den Zuschauern fernzuhalten, müssen sie sich nicht wundern, dass sich keiner mehr dafür interessiert."