Podiums-Slapstick: McLaren zwischen Komödie und Tragödie
Wieder muss Fernando Alonso seinen Boliden bereits nach wenigen Metern abstellen - An Theatralik lassen es beide Piloten nach dem Aus in Q1 nicht mangeln
(Motorsport-Total.com) - Fernando Alonso und Jenson Button jubelnd auf dem Podium - so in etwa dürften sich McLaren und Honda das Saisonende 2015 vorgestellt haben. Die Bilder bekommen sie beim Qualifying zum Großen Preis von Brasilien 2015, allerdings in einem Zusammenhang, der ganz und gar nicht nach dem Geschmack der Verantwortlichen sein dürfte: Nachdem Fernando Alonso seinen MP4-30 zum zweiten Mal an diesem Wochenende frühzeitig parken musste und Jenson Button wiederum nur die Manor-Marussia hinter sich lassen konnte, griffen beide zur Slapstick-Einlage: Ein Sturm auf das Podest mitten im Qualifying.
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Für Fernando Alonso gab es nach dem Qualifying nichts zu beschönigen Zoom
Schon zuvor hatte der spanische Doppelweltmeister für provokante Bilder in Richtung seiner Vorgesetzten gesorgt: Nachdem er bereits im ersten Anlauf in Q1 Leistungsverlust gemeldet und sein Ingenieur ihn angewiesen hatte, das Auto sofort abzustellen, setzte sich Alonso theatralisch in einen Liegestuhl und ließ sich bräunen. "Ich dachte: Eine halbe Stunde Sonnenbad, dann geht's mir gleich besser!", ätzt er in die Mikrofone. Zu seinem Ärger kam das Medical Car viel zu schnell, um ihn abzuholen. "Ich habe den Fahrern gesagt, dass sie seinen Stammgast spazieren fahren und ich schon einige Bonusmeilen gesammelt habe", giftet er weiter.
Die Frustration ist ihm anzusehen und er macht auch kein Geheimnis aus seinen Gefühlen: "Der Frust, dass ich das Qualifying nicht fahren kann, ist groß. In Mexiko kein Rennen, hier kein Qualifying - es ist wirklich eine harte Zeit." Dabei fing der Tag gar nicht schlecht an: Im freien Training am Vormittag fuhr Fernando Alonso auf die 14. Position und lag nur 21 Tausendstelsekunden hinter Daniil Kwjat. Das erneute Problem im Qualifying machte aber alle Hoffnungen zunichte, es ins Q2 zu schaffen. "Fragt Herrn Arai oder Ron, wie sie diese Aktion bewerten", salzt der 34-Jährige die Wunde noch einmal nach.
Alonso wird zum Renner in sozialen Medien
Vom Sonnenbaden unterbrochen, schnappte sich Alonso nach der Ankunft im Fahrerlager seinen ebenfalls in Q1 ausgeschiedenen Teamkollegen Jenson Button. Beide genossen den Jubel der Menge mit einem Auftritt auf dem Podium, der in keinem Kuriositäten-Rückblick auf die Formel-1-Saison 2015 fehlen wird. "Das Podium war so nah und wir haben uns gesagt: 'So nah kommen wir dem dieses Jahr nicht wieder, also ergreifen wir die Gelegenheit, um eine positive Erinnerung aus dem schwierigen Jahr 2015 mitzunehmen'", so der Weltmeister von 2005 und 2006 sarkastisch.
Es ist nicht das erste Mal, dass Fernando Alonso publikumswirksam seinem Ärger Luft macht. Bereits beim Heimrennen von Honda in Suzuka beschwerte er sich über einen "GP2-Motor" im Heck seines McLaren. Die jüngsten Provokationen schlagen bei den Fans ein: In den sozialen Medien greifen sie Rennsport-Enthusiasten weltweit auf. Unter dem Hashtag #PlacesAlonsoWouldRatherBe sind eine Reihe unterhaltsamer Fotomontagen zu bewundern.
Honda-Motorenchef Yasuhisa Arai bestätigt ein erneutes Problem mit der Power Unit. Diese hatte schon das Rennen in Mexiko auf dem Buckel und war in Brasilien wieder eingebaut worden, nachdem am Freitag bereits ein Triebwerk den Geist aufgegeben hatte. "Noch kennen wir die Details nicht", sagt der Japaner. "Wir haben die Entscheidung getroffen, das Fahrzeug anzuhalten, nachdem die Wassertemperatur ungewöhlich in die Höhe geschossen ist."
Frust auch bei Button
Jenson Button begründet, warum er mitgemacht hat: "Es ist schon länger her, dass ich auf dem Podium war. Wir haben es ausprobiert, weil wir vergessen haben, wie sich das anfühlt. Ich muss sagen, es fühlt sich ganz gut an." Auch bei Button hat sich über die Saison eine gewisse Portion Frust angehäuft, die er mit der Podiums-Komödie hinaus ließ. Zuvor war er in 1:13.425 Minuten auf die 17. Position gefahren. Angst hat er nur vor der FIA: "Ich hoffe, wir bekommen keinen Ärger dafür."
"Es hat Spaß gemacht - es war der größte Spaß, den ich an diesem Wochenende hatte", schießt auch der sonst so beherrschte Brite in Richtung McLaren-Honda. Bislang hatte sich Button immer mit subtilen Provokationen eines Fernando Alonso zurück, machte aber diesmal mit. "Es war ein schwieriges Wochenende, aber das ist ja nichts Ungewöhnliches dieses Jahr und somit kein Schock für uns", verfällt auch der 35-Jährige in Sarkasmus.
"Es lief aber deutlich besser, muss ich sagen", versöhnt er immerhin seine Renningenieure, die sein Auto optimiert haben. "Das Auto fühlte sich jetzt wesentlich besser an. Wir sind heute Morgen mit zu wenig Flügel gefahren und hatten keine Balance." Button verfehlte die Zeit von Marcus Ericsson, die ihn ins Q2 gebracht hätte, nur um 79 Tausendstelsekunden.
Hoffnung ruht auf 2016
Im Hinblick auf das Rennen sieht es für den Weltmeister von 2009 nicht schlecht aus. "Die Balance, die wir jetzt haben, sollte uns auch im Rennen helfen", sagt er und fügt hinzu, dass das Setup im Rennen noch besser funktionieren sollte als im Qualifying. Wunder oder besser gesagt Punkte sollte man trotzdem unter normalen Umständen nicht erwarten. "Das Boosten ist unser größtes Problem hier", sagt Button, der auf Regen am Sonntag hofft. "Alles, was das Rennen durcheinanderbringen kann, würde uns helfen."
Während die Bilder von Button und Alonso auf dem Podium momentan ein Stich ins Herz von Ron Dennis, Eric Boullier und der gesamten Honda-Führungsriege sein dürften, erhoffen sich alle Beteiligten, solche Bilder bald unter deutlich erfreulicheren Rahmenbedingungen zu sehen. "Bei den letzten beiden Wochenenden wird das definitiv nicht passieren", lässt Button britischen Humor walten.
Beide Fahrer machen sich aber Mut für die kommende Saison. "Derzeit sieht es sehr gut aus für 2016", glaubt Button. "Es wird sich so viel diesen Winter verändern, es wird ein massiver Schritt."
Wird also mit dem neuen Auto alles gut? Fernando Alonso bleibt vorsichtiger: "So viele Probleme, so viele Fehler... Wir müssen definitiv vieles bei der Zuverlässigkeit verbessern. Wir müssen evaluieren, was wir alles für das nächste Jahr verbessern können. Wir müssen große Maßnahmen ergreifen fürs nächste Jahr, aber es sieht gut aus." An Wunder in dieser Saison glaubt er allerdings nicht mehr. "In Q1 in Abu Dhabi auszuscheiden wäre keine Enttäuschung, es wäre die Realität", so sein Kommentar.