Ghosn: Warum Renault die Formel 1 braucht

Wieso Renault-Boss Carlos Ghosn davon überzeugt, dass die Formel 1 die optimale Bühne für seinen Konzern ist und wieso er kein neues Renault-Werksteam will

(Motorsport-Total.com) - Durch die globale Finanzkrise sah sich auch der Renault-Konzern 2009 gezwungen, das Formel-1-Engagement zu überdenken. Doch im Gegensatz zu BMW, Honda und schließlich auch Toyota entschied man sich nicht für einen Ausstieg aus der "Königsklasse" des Motorsport, sondern konzentrierte die Energien ausschließlich auf die Rolle als Motorenhersteller.

Titel-Bild zur News: Carlos Ghosn

Carlos Ghosn hofft, dass Renault durch die Formel 1 in China den Turbo zündet

Das Werksteam wurde schrittweise abgestoßen - inzwischen steht es zur Gänze im Besitz von Finanzinvestor Genii Capital und geht unter dem Namen Lotus an den Start. Dadurch konnten die Kosten reduziert werden: Renault zahlt rund 100 Millionen Euro pro Jahr für das Formel-1-Engagement - rund ein Drittel eines Topteams.

Formel 1 muss für Renault "Sinn ergeben"

Und mit dem neuen Motoren-Reglement, das ab 2014 gilt, haben die Franzosen eines ihrer großen Ziele erreicht: Mit "grünen" Technologien und mehr Seriennähe wird der Sport als Bühne für einen Autohersteller attraktiver. Doch wie lange planen die Franzosen mit der Formel 1? "Solange es für das Unternehmen Sinn ergibt", will sich Renault-Boss Carlos Ghosn nicht festlegen.

"Heute ergibt es Sinn, wir haben viel in die neuen Technologien, die 2014 kommen werden, investiert", erklärt er, warum er die Formel 1 positiv bewertet. "Wir rechnen also mit vielen Jahren. Niemand kann allerdings vorhersagen, ob es in zehn oder 15 Jahren noch Sinn ergibt."

"Solange wir profitieren, werden wir in der Formel 1 weitermachen." Carlos Ghosn

Die Rechnung ist laut Ghosn einfach: "Herr Jalinier (Renault-Sport-Boss, Anm.) muss die Investitionen, die Renault in der Formel 1 tätigt, ständig rechtfertigen. Ich möchte von meinen Vermarktern wissen, wie viel Gewinn wir machen. Solange wir profitieren, werden wir weitermachen. Heute ist dies der Fall, also machen wir weiter."

Comeback als Renault-Werksteam kein Thema

Derzeit rüstet Renault Red Bull, Lotus, Williams und Caterham aus - 2014 fällt Williams weg und Toro Rosso kommt dazu. Unklar ist, was aus Lotus wird - Teamchef Eric Boullier verhandelt auch mit Mercedes und Ferrari, weil ihm die französischen Aggregate zu teuer sind. Das heißt: Ab 2014 sind Red Bull, Toro Rosso und Caterham fix. "Wir könnten auch mehr haben - vielleicht vier oder höchstens fünf", schließt Ghosn weitere Neuzugänge nicht aus. "Aber das ist eher eine Frage der Möglichkeiten als der Notwendigkeit."

"Die Tatsache, dass wir mit vielen Teams und mit unterschiedlichen Gruppen zusammenarbeiten, ergibt viel mehr Sinn." Carlos Ghosn

Doch die große Frage ist: Profitiert Renault marketingtechnisch als Motorenhersteller in der Formel 1 ähnlich wie als Werksteam? Seit drei Jahren fährt man gemeinsam mit Red Bull alle Titel ein, doch Kritiker der aktuellen Renault-Philosophie sind der Ansicht, dass die Franzosen klar im Schatten von Fahrer und Team stehen und kaum wahrgenommen werden.

Doch Ghosn verteidigt seine Linie: "Offen gestanden würde es für uns nicht viel Sinn ergeben, mit einem Team zurückzukehren. Die Tatsache, dass wir mit vielen Teams zusammenarbeiten, dass wir mit unterschiedlichen Gruppen zusammenarbeiten, ergibt viel mehr Sinn - damit fühlen wir uns viel wohler."

Warum sich Renault in der Formel 1 engagiert

Der gebürtige Brasilianer sieht die Formel 1 nicht als Mittel, um mehr Autos zu verkaufen, sondern will mit dem Auftreten in der "Königsklasse" des Motorsports dafür sorgen, dass die Wahrnehmung von Renault verbessert wird. "Es gibt viele Marken, die auch ohne die Formel 1 erfolgreich sind, denn sie nutzen wahrscheinlich andere Wege, um wahrgenommen zu werden", erklärt er. "Ich glaube aber immer noch, dass die Formel 1 diesbezüglich eine fantastische Bühne ist."

"China interessiert sich sehr für die Formel 1. Daher ist die Formel 1 für uns diesbezüglich sehr wirkungsvoll." Carlos Ghosn

Vor allem für Renault, denn die Franzosen sind im Gegensatz zu anderen Herstellern wie VW oder Mercedes auf den Wachstumsmärkten wie China nicht optimal aufgestellt - und in Europa kriselt der Autoverkauf seit Jahren. "Wenn ich gefragt werde, wie sich das Formel-1-Engagement auf die Wahrnehmung von Renault in Frankreich auswirkt, dann muss ich sagen: nicht so sehr. Dafür werden wir in China wahrgenommen", sieht er eine Chance für seinen Konzern. "China interessiert sich sehr für die Formel 1. Daher ist die Formel 1 für uns diesbezüglich sehr wirkungsvoll."

Wichtig sei vor allem eine positive Wahrnehmung: "Wenn man seinen Namen für ein Team hergibt, das nie gewinnt, dann ist für mich fraglich, wie effektiv das ist. Wenn dein Name aber mit einem Spitzenteam assoziiert wird, das konkurrenzfähig ist, gewinnt und wo dich die Leute auf dem Podest sehen, dann ist das eine andere Geschichte."

Turbo-Reglement bringt Formel 1 näher an Serie

"Es gibt so einen großen Unterschied zwischen dem Auto, das die Leute in der Formel 1 sehen, und dem Auto, das die Leute im Geschäft kaufen wollen." Carlos Ghosn

Er betont aber, dass er nicht an die klassische Philosophie "Win on Sunday, sell on Monday" glaubt: "Das darf man nicht durcheinander bringen. Wenn die Formel 1 den Bekanntheits-Grad erhöht, dann wissen die Leute über deine Marke Bescheid, sie wissen, was du tust. Am Ende muss man aber immer noch einen Kaufvertrag abschließen. Es gibt so einen großen Unterschied zwischen dem Auto, das die Leute in der Formel 1 sehen, und dem Auto, das die Leute im Geschäft kaufen wollen."

Insofern sieht er das Motorenreglement für die 2014 - die 2,4-Liter-V8-Sauger werden durch 1,6-Liter-V6-Turbos ersetzt - als Schritt in die richtige Richtung. "Der Zusammenhang wird immer noch weit hergeholt sein, aber es wird eine kleine Annäherung geben", hofft er.