FIA weist Protest gegen F-Schacht zurück
Update: Lotus legt gegen die Entscheidung der FIA-Kommissare beim China-Grand-Prix keinen Protest ein - Analyse der Urteilsbegründung pro Mercedes
(Motorsport-Total.com) - Die FIA hat den heute von Lotus eingereichten formellen Protest gegen das F-Schacht-System am Mercedes F1 W03 zurückgewiesen. Diese Entscheidung seitens der Rennkommissare Garry Connelly, Emanuele Pirro und Vincenzo Spano scheint die Diskussion um die Legalität der technischen Innovation, die den Silberpfeil besonders im Qualifying schneller macht, zu beenden.
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Ross Brawn kann den schon lange andauernden Wirbel nicht verstehen
Dass die Kommissare dem Protest nicht stattgeben würden, war den meisten Experten von vornherein klar, schließlich hatten sie den F1 W03 nur Stunden zuvor bei der technischen Abnahme genauso für legal befunden wie zuvor schon die Kommissare in Australien und Malaysia. Zunächst bedeutete die Entscheidung nur, dass Mercedes an diesem Wochenende mit dem F-Schacht fahren darf. Überraschend kam allerdings später die Mitteilung, dass Lotus darauf verzichtet, als letzte Instanz das Internationale Berufungsgericht der FIA einzuschalten.
Je zwei Vertreter auf beiden Seiten
Lotus-Technikchef James Allison war heute gemeinsam mit Chefingenieur Alan Permane zur Anhörung erschienen. Mercedes war durch Teamchef Ross Brawn und Technologiedirektor Geoff Willis vertreten. Seitens der FIA ließen sich die drei Kommissare vom Technischen Delegierten Jo Bauer beraten. Der verwies während der Diskussion unter anderem auf die Tatsache, dass Mercedes das System bereits vor Saisonbeginn bei der FIA vorgestellt und dafür die Erlaubnis erhalten habe.
Allison stellte einige Fragen. Sollten alle mit Ja beantwortet werden, müsse der F-Schacht für illegal erklärt werden, so seine Argumentation. Zunächst wollte er grundsätzlich abklären, ob Artikel 3.15 auf das von Mercedes verwendete System angewendet werden kann. Die FIA findet nicht: "Weil die Bewegung des Fahrers nicht direkt genutzt wird, um die aerodynamischen Eigenschaften des Autos zu verwenden", heißt es in der Urteilsbegründung - sondern nur indirekt durch den DRS-Knopf.
Brawn hatte zuvor schon argumentiert, dass der F-Schacht an sich nicht aus beweglichen Teilen besteht, sondern lediglich durch ein bewegliches Teil aktiviert wird. Bekanntlich wird Luft vom Heckflügel zum Frontflügel geleitet, was dort einen Strömungsabriss verursacht. Das bringt einige km/h mehr Topspeed - aber nur bei Aktivierung des verstellbaren Heckflügels, was im Rennen nur in der DRS-Zone und nur maximal eine Sekunde hinter einem Vordermann möglich ist.
Allisons Argumentation drehte sich zwischendurch um die Öffnung des Schachts an der Innenseite der Heckflügel-Endplatten, die nur dann dem freien Luftstrom ausgesetzt sind, wenn der Fahrer auf den DRS-Knopf drückt. "Er sagte, dass es akzeptabel wäre, wenn sich das Loch in der Heckflügel-Endplatte an einer anderen Stelle befinden würde, die nicht permanent dem freien Luftstrom ausgesetzt ist", heißt es in der Urteilsbegründung.
F-Schacht nur eine Optimierung des DRS
Die FIA findet jedoch, dass der F-Schacht kein eigenes System darstellt, sondern lediglich eine Optimierung des DRS. Brawn legte im Zuge der Diskussion auch Beispiele vor, wie andere Teams den veränderten Luftstrom nutzen, wenn DRS aktiviert ist. "Das Mercedes-Design", argumentieren die Kommissare, "scheint die aerodynamischen Eigenschaften des Autos zu verändern, indem es den Luftwiderstand reduziert." Das habe man aber ohnehin so gewollt, als DRS als Überholhilfe eingeführt wurde.
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Durch diese beiden Schächte wird die Luft vom Heck- zum Frontflügel geleitet Zoom
Ferner heißt es: "Das Mercedes-Design wird nicht durch eine Bewegung des Fahrers aktiviert. Es ist eine Konsequenz einer Veränderung der Position des durch den Fahrer verstellbaren Bodyworks, welches laut Reglement erlaubt ist." Und: Es gibt auch keinen Punkt im Reglement, der verbietet, Luft während der DRS-Aktivierung am Heckflügel aufzufangen, um diese durch einen Schacht nach vorne zu leiten und dort aerodynamisch zu nutzen.
Interessantes Detail am Rande: Laut Brawn betrug der Nutzen der verstellbaren Heckflügel in der ersten Generation zehn km/h. Inzwischen sollen die Systeme so optimiert worden sein, dass der Unterschied schon 17 bis 20 km/h beträgt. Aber: "Die Mühen und die Zeit, die in diese Diskussion einfließen, kommen mir völlig überproportional vor. Es ist schon eine komische Situation", wundert sich der Mercedes-Teamchef.
Weniger als 0,2 Sekunden Zeitgewinn?
Denn: "Natürlich haben wir durch das System einen Vorteil, aber ich denke, Lotus wurde zitiert, dass sie durch ihr Upgrade für dieses Rennwochenende 0,2 Sekunden Zeitgewinn erwarten. Nun, ich kann versichern, dass unser System keine 0,2 Sekunden bringt - besonders nicht im Rennen, wenn man es nur während eines Überholvorgangs einsetzen kann", schüttelt Brawn den Kopf und betont: "Wir sind zuversichtlich, dass unser System legal ist."
"Ich finde es schade, dass wir uns nach drei Rennen noch immer in dieser Situation befinden", hatte er schon vor der heutigen Entscheidung gemeint. "Das System wurde nicht verändert und der Standpunkt der FIA hat sich nicht verändert - und so, wie ich das sehe, haben sich ihre Argumente auch nicht verändert. Wenn sie also jetzt protestieren, warum haben sie dann nicht schon in Australien protestiert? Es gibt nichts Neues."
"Alles ist Teil des DRS-Systems. DRS ist da, um das Überholen zu vereinfachen. Es hat keinen anderen Zweck. Es gibt keine Limitierung des Effekts, den die Betätigung des Heckflügel-Blatts hat, und wir betätigen das Blatt und holen dadurch so viel wie möglich heraus. Das Blatt selbst wird durch den Fahrer betätigt, aber das ist auch schon alles", argumentiert Brawn. Und das ist bekanntlich laut Artikel 3.18 völlig legal.
Außerdem ärgert er sich, dass das Thema so lange vor sich hin köchelt: "Es ist allgemein bekannt, dass Charlie (Whiting, Technischer Delegierter der FIA; Anm. d. Red.) 2010 gesagt hat, so ein System sei legal. Das steht im Protokoll des Treffens der Technischen Arbeitsgruppe. Die Frage wurde gestellt und er tat seine Meinung kund und stufte es als legal ein. Es geht nicht erst seit drei Rennen so, sondern schon seit zwei Jahren", kritisiert Brawn.
Schumacher verlässt sich auf die FIA
Michael Schumacher hatte übrigens ohnehin nichts anderes als eine erneute Bestätigung des bisherigen Kurses der FIA, von der der Mercedes stets für legal erklärt worden war, erwartet: "Ich glaube nicht, dass wir uns damit auseinandersetzen müssen. Es ist wie im Straßenverkehr: Dort gibt es eine Polizei, die gewisse Dinge regelt. Das ist hier in unserem Fall die FIA. Die sagt letztlich, ob etwas okay ist oder nicht."
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Jo Bauer hält den F-Schacht des Mercedes-Teams bisher für legal Zoom
Allerdings ist dem seit 1991 in der Formel 1 fahrenden Routinier klar, dass das letzte Wort noch nicht gesprochen sein muss: "In der Vergangenheit hat man sich Sachen erarbeitet, aber plötzlich gab es Meinungsänderungen und gewisse Dinge wurden wieder verboten", erinnert er sich. "Umgekehrt hat es gleichermaßen auch Innovationen gegeben - ich nenne mal den Doppeldiffusor, den Ross Brawn vor Jahren entwickelt hat -, über die sich jeder aufgeregt hat, nur weil er sie selbst nicht hatte."
"Das ist hier leider Gottes so. Sobald einer eine gute Idee hat, wird zunächst versucht, diese streitig zu machen, damit sie nicht benutzt werden kann. Das liegt daran, dass es natürlich zu lange dauert, bis die Teams das selbst entwickelt und eingebaut haben. Das ist das normale Spielchen", seufzt Schumacher. Nun kann die Legalität des Mercedes F1 W03 aber nur noch durch andere Teams als Lotus angefochten werden. Das gilt als unwahrscheinlich.