Formel-1-Countdown 2010: Renault
Zwischen Rennteam und Werbeagentur: Warum Renault mit dem neuen Partner Genii Capital nur noch zu den Hinterbänklern gehören dürfte
(Motorsport-Total.com) - Am 14. März beginnt in Manama (Bahrain) die neue Formel-1-Saison - und die Königsklasse birgt dieses Jahr so viel Spannung wie schon lange nicht mehr: Vier Weltmeister, sensationelle Comebacks und klingende Namen lassen jedes Racingherz höher schlagen. 'Motorsport-Total.com' nimmt vor dem Auftaktrennen wie jedes Jahr alle Teams genau unter die Lupe. Heute: Renault.
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Das Renault-Team zählte bei den Tests im Winter zu den größten Enttäuschungen
Um das Team aus Enstone zu verstehen, muss man seine Geschichte kurz durchleuchten: Gegründet wurde der Rennstall 1981 - mit einem Konstrukteur namens Rory Byrne. 1984 gewann ein gewisser Ayrton Senna in Monaco beinahe den ersten Grand Prix, später wurde an das Modelabel Benetton verkauft. Die größten Erfolge gelangen unter Teamchef Flavio Briatore zuerst mit Michael Schumacher (1994/95) und später bereits als Renault mit Fernando Alonso (2005/06).#w1#
Klassische Lackierung als "Mogelpackung"
2010 geht das Team in den klassischen Renault-Farben der 1970er- und 1980er-Jahre an den Start, doch obwohl die Lackierung durch den Ausstieg von Hauptsponsor ING so authentisch wie schon lange nicht mehr ist, steckt im Renault weniger Renault als je zuvor. Der französische Automobilhersteller hat nämlich Anteile (vermutlich eine Mehrheit) an die in Luxemburg registrierte Investmentfirma Genii Capital verkauft, hinter der der Geschäftsmann Gerard López steckt.
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Gerard López: Intelligenter Geschäftsmann, aber auch Racer? Zoom
López ist selbst Hobbyrennfahrer und gut mit Bernie Ecclestone befreundet, wollte mit dem Formel-1-Geschäftsführer sogar den schwedischen Automobilhersteller Saab übernehmen. Der Deal platzte jedoch. Geklappt hat dafür die Übernahme des Renault-Teams, in dem sich Renault selbst nur noch auf Sparflamme engagiert. Hauptziel des Projekts ist es, Geld zu verdienen. Ob das auf Kosten des Racingspirits geht oder nicht, wird sich zeigen.
"Wir wollen hier etwas aufbauen, wovon andere schon lange reden, aber niemand hat es je umgesetzt", sagt López emotionslos. "Unsere Idee ist, eine Art Botschaft für Business aufzubauen, die über dem Team steht. Dieses Business soll mit dem Team um die Welt reisen und versuchen, in verschiedenen Ländern, Möglichkeiten, Beziehungen und Investments zu kreieren. Das wollen wir erreichen, indem wir die richtigen Leute einladen."
Zwischen Werbeagentur und Rennteam
Auch Sätze wie "Wir sind keine Werbeagentur und wir sind auch kein Rennteam" machen wenig Hoffnung, dass Genii alles daran setzen wird, das Team wieder auf die Erfolgsspur zu bringen. Man hat den Eindruck, der geschäftliche Erfolg ist wichtiger. Wohl aus diesem Grund wurde auch etablierten Piloten wie Christian Klien ein Korb gegeben, um Vitaly Petrov verpflichten zu können. Der Russe bringt 15 Millionen Euro an Sponsorengeldern mit.
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Renault macht Werbung für den russischen Automobilhersteller Lada Zoom
In Bahrain wird er der erste Russe der Formel-1-Geschichte am Start eines Grand Prix sein. Stilgerecht mit Lada-Aufklebern versteht sich. Dass Renault Werbung für einen anderen Automobilhersteller macht, wäre vor ein paar Jahren noch undenkbar gewesen. Passend auch, dass Petrov seine Karriere einst im Lada-Cup begonnen hat. Der 25-Jährige ist erst seit zehn Jahren aktiv im Motorsport unterwegs.
Marc Surer verteidigt den Bezahlfahrer, der in seiner Heimat als "Rakete von Wyborg" bekannt ist: "Ich kenne seinen GP2-Renningenieur - und der ist sehr beeindruckt von ihm. Er hat mir gesagt: 'Der Junge hat so viel dazugelernt und hat sich so gesteigert, dass er jetzt in die Formel 1 gehört!' So gesehen kann man nur sagen, dass er reif ist", so der 'Motorsport-Total.com'-Experte, der sich vorstellen kann, dass Petrov besser aussehen wird, als viele erwarten.
Geld ist nicht alles
"Man darf nicht vergessen", sagt Surer, "dass er zwar einen Haufen Geld im Hintergrund hat, aber er hatte eine schlechte Ausbildung, wenn man das mit den heutigen Formel-1-Piloten vergleicht, die alle mit fünf oder sechs Jahren im Kart gesessen sind. Seine Vorbereitung war schlecht und er musste viel aufholen. Das Geld war sicher der Grund, dass er Gelegenheit hatte, diesen Rückstand aufzuholen, aber man darf ihm das nicht zum Vorwurf machen, denn er hat es mit schlechteren Voraussetzungen als alle anderen geschafft."
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In der GP2 feierte Vitaly Petrov 2009 einige bemerkenswerte Erfolge Zoom
"Der Schritt in die Formel 1", gesteht Petrov, im Vorjahr hinter Williams-Neuzugang Nico Hülkenberg immerhin Vizemeister in der GP2, "war für mich eine vollkommen neue Erfahrung. Ich habe festgestellt, dass es dort unendlich viel zu lernen gibt. Ich habe jetzt rund einen Monat fast ununterbrochen mit dem Team gearbeitet, habe alle Mitarbeiter kennengelernt und versucht zu verstehen, wie das Renault-Team funktioniert."
"Die schwierigste Aufgabe besteht wohl darin, vollständig zu verstehen, wie die Formel 1 im Inneren wirklich funktioniert - und zwar völlig anders als die GP2, die ich ja gut kenne", gibt der Rookie zu. "In einem Grand-Prix-Team hast du 500 Mann, die dir helfen, Verbesserungen für dich umsetzen und die das Auto weiterentwickeln. Die Größenordnungen und die Entwicklungsgeschwindigkeit sind unvergleichbar höher als in allen Serien, in denen ich vorher gefahren bin."
Wie stark ist Kubica wirklich?
Auch der zweite Renault-Pilot kommt aus dem ehemaligen Ostblock, genauer gesagt aus Polen: Robert Kubica gilt als fahrerisches Talent, auch wenn ihn Surer "auf keinen Fall" auf dem gleichen Niveau sieht wie Fernando Alonso, Lewis Hamilton oder Sebastian Vettel: "Ich glaube, dass er zu guten Leistungen fähig ist - wenn es läuft. Aber wenn es nicht läuft, wirft er auch schnell das Handtuch. Für mich hat er zu starke Schwankungen. Er ist fähig, Rennen zu gewinnen, aber um Weltmeister zu werden, musst du jedes Rennen gut sein. Das ist er nicht."
¿pbvin|512|2421||0|1pb¿Wie andere Fahrer, die mit Renault verhandelt haben, verraten, hat der 25-Jährige als Nummer eins unterschrieben. Den Auftrag, einen solchen Vertrag zu machen, gab er seinem Manager Daniele Morelli wohl infolge der Situation bei BMW, wo er sich im Vergleich zu Nick Heidfeld zwar nicht benachteiligt fühlte, aber sehr wohl den Eindruck hatte, dass man sich um die Probleme des Deutschen mehr kümmerte, anstatt ihn im WM-Kampf zu unterstützen. Das war 2008.
Schlechte Erinnerungen an 2008
"Er hat bei BMW die schlechte Erfahrung gemacht, dass man ihn nicht voll unterstützt hat, als er um die Weltmeisterschaft gefahren ist. Das hat ihn sicherlich geprägt", meint Surer. "Ich bin sicher, dass er in seinem Vertrag festgeschrieben hat, dass er alles bekommt und dass man auch für ihn fahren muss. 2008 hatte er die Chance und man hätte es vielleicht sogar packen können, wenn man sich überlegt, was damals alles passiert ist. Dass ihm das nicht noch einmal passiert, davon gehe ich aus."
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Robert Kubica hat sich mit dem Wechsel zu Renault wohl keinen Gefallen getan Zoom
Allerdings ist nicht damit zu rechnen, dass Kubica 2010 überhaupt in die Situation kommen wird, um Siege oder gar den WM-Titel zu kämpfen. Renault gehörte im Februar zu den Teams, die den schlechtesten Eindruck hinterlassen haben, und landete meistens in den hinteren Regionen der Zeitentabellen. Alles andere als schlechte Ergebnisse wäre wohl eine Überraschung. Das scheint inzwischen auch Kubica selbst zu dämmern.
"Wir versuchen zumindest, in eine Position zu gelangen, in der wir um die Spitze kämpfen können", sagt der Pole wenige Tage vor dem Saisonauftakt mit ernüchterter Miene. "Das könnte meiner Meinung nach aber recht schwierig zu bewerkstelligen sein - vor allem zu Saisonbeginn. Wir hoffen halt auf einen guten Saisonauftakt und darauf, sofort konkurrenzfähig zu sein. Wir müssen allerdings realistisch sein."
Negative Prognose für die ersten Rennen
Das führt ihn zu folgender Einschätzung: "In Bahrain werden wir nicht um das Podium kämpfen, das steht fest", unterstreicht der Grand-Prix-Sieger (Kanada 2008), gibt die Hoffnung aber nicht auf: "Vielleicht erleben wir am Sonntag eine Überraschung und sind in Bahrain mit einigen neuen Updates doch gut dabei." Mit 494 Mitarbeitern und geschätzten 105 Millionen Euro Budget wären die Ressourcen dafür zumindest theoretisch vorhanden, wenn auch nicht im Überfluss.
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Werden dem Renault-Team fehlen: Fernando Alonso und Flavio Briatore Zoom
Das Problem ist, dass viele schlaue Köpfe die ehemalige Weltmeistertruppe verlassen haben: Galionsfigur Alonso wird ebenso fehlen wie der von der FIA gesperrte Teamchef Briatore, der ein Händchen dafür hatte, die richtigen Leute zu verpflichten und ihnen ordentlich Feuer unterm Hintern zu machen. Renningenieur Rod Nelson ist schon seit einigen Jahren bei Williams. Das größte Loch reißt aber wahrscheinlich die Sperre von Pat Symonds ins Team, der so etwas wie Renaults Ross Brawn war.
"Pat Symonds war einer, der es mit seiner Erfahrung immer auf den Punkt gebracht hat. Er wird dem Team sicherlich fehlen", urteilt Experte Surer. "Flavio Briatore hatte meiner Meinung nach einfach das Talent, die richtigen Leute in die richtigen Positionen zu bringen. Ansonsten wird er sicherlich nicht groß abgehen. Aber Symonds war ein exzellenter Techniker und ein Stratege mit extrem viel Erfahrung."
Frühere Erfolge längst Schnee von gestern
Dass das Team in den vergangenen Jahren auch mit Alonso nicht mehr an frühere Erfolge anknüpfen konnte, verwundert den Schweizer: "Hinter diesen ganzen Geschichte steckt das ehemalige Benetton-Team. Die meisten Leute sind auch noch die alten - und die haben mit Alonso Weltmeisterschaften gewonnen. Irgendwie sind sie aber aus dem Tritt gekommen", gibt Surer zu Protokoll.
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Ex-DAMS-Rennleiter Eric Boullier ist der neue starke Mann bei Renault Zoom
Den Teilausstieg von Renault sieht er dafür nicht zwingend nur negativ: "Manchmal ist ein Schritt zurück sogar ein Vorteil, weil man sich wieder auf das Wesentliche besinnen kann. Vielleicht passiert das bei dem Team, aber grundsätzlich sehe ich nicht, warum es wieder aufwärts gehen sollte. Wenn sie gut sind, bleiben sie dort, wo sie im letzten Jahr waren. Es spricht nichts dafür, dass es besser werden sollte", prognostiziert der 82-fache Grand-Prix-Teilnehmer.
Auch technisch hat man mit dem R30 einen wenig innovativen Weg eingeschlagen. Die breite Nase, von Niki Lauda schon im Vorjahr als "Mähdrescher" verspottet, wurde beibehalten. Breit ist das Chassis auch insgesamt geworden, weil Renault im Gegensatz zur Konkurrenz versucht hat, das zusätzliche Volumen durch den größeren Benzintank nicht in die Länge, sondern in die Breite zu ziehen. Dadurch ist das Auto eines der kürzesten seiner Generation.
Saisonstatistik 2009:
Team:
Konstrukteurswertung: 8. (26 Punkte)
Siege: 0
Pole-Positions: 1
Schnellste Rennrunden: 2
Podestplätze: 1
Ausfallsrate: 20,6 Prozent (8.)
Durchschnittlicher Startplatz: 11,8 (8.)
Testkilometer 2010: 5.182 (6.)
Testbestzeiten 2010: 0 (8.)
Qualifyingduelle:
Kubica vs. Heidfeld: 10:7
Robert Kubica (Startnummer 11):
Fahrerwertung: 14. (17 Punkte)
Gefahrene Rennen: 17/17
Siege: 0
Podestplätze: 1
Pole-Positions: 0
Schnellste Rennrunden: 0
Durchschnittlicher Startplatz: 10,7 (11.)
Bester Startplatz: 3.
Bestes Rennergebnis: 2.
Ausfallsrate: 17,6 Prozent (12.)
Testkilometer 2010: 3.291 (6.)
Testbestzeiten 2010: 0 (12.)
Vitaly Petrov (Startnummer 12):
Fahrerwertung: -
Gefahrene Rennen: -
Siege: -
Podestplätze: -
Pole-Positions: -
Schnellste Rennrunden: -
Durchschnittlicher Startplatz: -
Bester Startplatz: -
Bestes Rennergebnis: -
Ausfallsrate: -
Testkilometer 2010: 1.891 (16.)
Testbestzeiten 2010: 0 (12.)